Mitarbeiter der EU-Kommission zur Kleinanlegerstrategie

„Das ist kein Provisionsverbot für Makler“

Die Konfusion um die Interpretation der EU-Kleinanlegerstrategie hält an: Laut eines Mitarbeiters der EU-Kommission beinhaltet das Papier doch kein Provisionsverbot für Makler. Die Erläuterungen sorgen für Irritationen.

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14:06 Uhr | 07. Juni | 2023
EU-Kommissare

Solange Makler gegenüber Kunden erklären, dass sie eine Courtage vom Versicherer erhalten, könnten sie weiterhin Provisionen verlangen. Das zumindest erklärte nun ein Mitarbeiter der EU auf einem Branchentreffen.

| Quelle: Sean Gallup

Nach wie vor ist unklar, welche Sprengkraft der Inhalt der EU-Kleinanlegerstrategie für Makler tatsächlich hat. Während die Vermittlerverbände AfW und Votum aus dem Papier ein klares Provisionsverbot für Makler herauslesen, teilt der BVK diese Befürchtungen nicht. Vor wenigen Tagen hat auch der europäische Dachverband der nationalen Versichererverbände, Insurance Europe, gewarnt: „Obwohl die Kommission erklärt hatte, sie habe ihren ursprünglichen Plan, Provisionen vollständig zu verbieten, aufgegeben, (…) sind zahlreiche Verbote für die Zahlung von Provisionen in der Kleinanlegerstrategie enthalten, die erhebliche Folgen für den europäischen Finanzsektor und den Zugang der Verbraucher zu Investitions- und Versicherungsschutz hätten.“

Nico Spiegel, Legal and Policy Officer in der EU-Kommission, bemühte sich am Mittwoch darum, die Gemüter zu beschwichtigen: „Das ist kein Provisionsverbot für Makler. Das ist nicht beabsichtigt und auch nicht vorgesehen“, so Spiegel auf dem Symposium des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler in Berlin. Solange Makler ihren Kunden gegenüber erklären, dass sie eine Courtage vom jeweiligen Versicherungsunternehmen erhalten, könnten sie weiterhin Provision verlangen. „Die Makler sollen ihr Geschäft ausüben und das ist uns auch sehr recht“, so Spiegel. 

Ungenügende Auseinandersetzung mit Rechtslage?

Die Erläuterungen Spiegels sorgen für Irritation darüber, unter welchen Umständen nun ein Verbot bestehe und wann nicht. Schließlich müssen Makler ihrer Kundschaft gegenüber doch bereits offenlegen, wie sie vergütet werden, wundert sich auch Professor Thomas Köhne von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Was also ist mit dem Terminus „unabhängige Beratung“ gemeint? „Unabhängig in der Vergütung? In der Beratung?“, fragt der Wissenschaftler.

Spiegel bemüht sich um einen Erklärungsversuch: Informiert ein Makler im Kundengespräch lediglich darüber, dass er unabhängig berät, sei dem Kunden noch nicht klar, dass der Makler auch vom Anbieter des Versicherungsprodukts, also dem Versicherer selbst, bezahlt werde. Die Erklärung hält Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW), „für äußerst dünnes Eis. Makler sind per se unabhängig. Die EU-Kommission hat sich sicherlich nicht mit den Feinheiten des deutschen Rechts auseinandergesetzt“, bemängelt er gegenüber procontra.

EU hat sich eine blutige Nase geholt“

Spiegel räumt ein, die Wortwahl in der Kleinanlegerstrategie sei nicht glücklich getroffen worden. Er wirft Kritikern allerdings gleichzeitig Wortklauberei vor. Das Problem dabei ist allerdings: „Gerichte, bis hin zum EuGH, betreiben per se Wortklauberei. Das ist deren Job“, so Wirth. „Was wir hier haben, ist ein vom Wortlaut her europarechtswidriges Vorhaben zulasten gerade der unabhängigen Beratung von Kleinanlegern und natürlich auch der dann betroffenen Maklerinnen und Makler.“

Zumal Makler bereits in der Erstinformation, die sie ihren Kunden verpflichtet sind auszuhändigen, erklären müssen, woher sie eine Vergütung erhalten. Müssen sie demnächst bereits zu Beginn des Beratungsgesprächs genau wissen, von welcher Gesellschaft das Versicherungsprodukt ist, das sie dem Kunden empfehlen? Das würde den Sinn einer unabhängigen Beratung untergraben, schließlich wählen Makler je nach Kunde und Bedürfnislage erst auf Grundlage des Evaluierungs- und Beratungsgesprächs das für den Kunden passende Produkt. Würden sie zuerst den Anbieter auswählen und erst dann das Produkt, wären sie keine Makler mehr, sondern Mehrfachvertreter. „Das, was die Kommission sagt, steht im Widerspruch zum deutschen Recht und was in dem Entwurf steht, verstößt zudem gegen europäisches Recht“, resümiert Wirth.

„Die EU hat keine Klarheit geschaffen“, kritisiert auch Markus Ferber (CSU), Mitglied des Europäischen Parlaments im Rahmen des Symposiums. Er bemängelt, die Kommission habe sich als Gesetzgeber aufgespielt, was sie aber de facto nicht sei. „Sie hat sich deswegen eine blutige Nase geholt“, so Ferber.

Wettbewerbsvorteil für Vertreter

Im Raum steht auch die Kritik, die EU-Kommission sei vor den Versicherern eingeknickt auf Kosten der Makler. Sie würden, so eine Lesart des Papiers, durch die Kleinanlegerstrategie im Wettbewerb benachteiligt werden. „Es geht uns nicht darum, den gebundenen Vertrieb zu stärken, das Gegenteil ist der Fall“, beharrt hingegen Spiegel. Kunden sollen eine breite Auswahl von verschiedenen Anbietern haben.

Ferber sieht dennoch das Problem, dass Versicherer einfach darlegen könnten, sie würden transparent arbeiten und ihre Vertreter auch. „Meine Sorge ist schon, dass die Pläne Makler treffen werden.“ Bedenken, die auch Professor Köhne teilt. „Es gibt sehr viele Varianten, wie das ausgestaltet werden kann“, warnt er angesichts des EU-Papiers. Noch immer sei unklar, was kommen werde. Ein Provisionsverbot sieht er noch nicht abgewendet.

Wirth ist da bereits einen Schritt weiter: „Der vorliegende Entwurf lässt aus unserer Sicht nicht viel Interpretationsspielraum zu, soweit es das Provisionsverbot für Versicherungsmaklerinnen und -makler bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten betrifft.“