Interview mit CCO Schinnenburg

CEO-Wechsel, Maxpool-Deal, KI: Was der Maklerpool Blau Direkt plant

Blick hinter die Kulissen von Blau Direkt. Im Gespräch mit procontra erklärt CCO Stephan Schinnenburg, was der Lübecker Maklerpool nach dem CEO-Wechsel plant, und wie er seine Rolle als Partner unabhängiger Makler ausbauen will.

Stephan Schinnenburg Chief Commercial Officer bei Blau Direkt

Stephan Schinnenburg gehört seit September 2025 als CCO (Chief Commercial Officer) der Geschäftsführung von Blau Direkt an. Er ist außerdem Gesellschafter und Geschäftsführer bei der Alsterspree Research GmbH (die wie procontra zum Alsterspree Verlag gehört, aber unabhängig agiert). Von seinem Geschäftsführerposten tritt er dort aufgrund seines neuen Postens bei Blau Direkt zurück. Schinnenburg war im Laufe seiner Karriere u. a. Vorstand der Ideal, der Ergo und der Deutschen Familienversicherung. | Quelle: Blau Direkt

procontra: Im Sommer sorgte das Ausscheiden von Blau-Direkt-CEO Kai-Uwe Laag für ein kleines Beben in der Branche. Wie ist es zu diesem kurzfristigen CEO-Wechsel gekommen?

Stephan Schinnenburg: Herr Laag ist aus persönlichen Gründen gegangen. Wir sind ihm für seine Arbeit sehr dankbar: Er hat den Übergang von einem gründergeführten zu einem managementgeführten Unternehmen maßgeblich geprägt und wichtige Transformationsinitiativen angestoßen. In dieser Phase konnten wir unseren Umsatz von rund 200 auf fast 300 Millionen Euro steigern.

procontra: Dem Abgang von Herrn Laag ist also kein Streit vorausgegangen?

Schinnenburg: Nein. Es gab kein streitiges Verfahren. Herr Laag ist aus persönlichen Gründen gegangen. Zu seinen weiteren Plänen können wir nichts sagen.

procontra: Und welche neue Strategie bringt der neue CEO Ait Voncke mit?

Schinnenburg: Mit Ait Voncke haben wir nun einen CEO gefunden, der in mehreren Branchen plattformgetriebene Geschäftsmodelle aufgebaut hat. Genau dieses Know-how ist der Hebel für die nächste Entwicklungsstufe von Blau Direkt, in der wir uns noch stärker als Abwicklungs- und Serviceplattform für unabhängige Vermittler, Vertriebe, institutionelle Partner und kooperierende Pools positionieren wollen

procontra: Maxpool ist jetzt Teil der Blau-Direkt-Gruppe. Übernahme, Integration, Partnerschaft – was ist hier eigentlich die richtige Bezeichnung?

Schinnenburg:  Alle drei Begriffe treffen einen Teil der Wahrheit. Wir haben bereits zwei Jahre sehr eng mit Maxpool zusammengearbeitet; die technische Konsolidierung lief also schon früher. Diese gute Zusammenarbeit hat letztlich zur Übernahme geführt. Jetzt finalisieren wir die Markenpositionierung: Wofür steht Blau Direkt? Wofür steht Maxpool? Ziel ist es, das Beste aus beiden Welten zu bewahren und sinnvoll zu kombinieren.

procontra: Was ändert sich für angeschlossene Makler?

Schinnenburg: Kurzfristig nichts. Services und Ansprechpartner bleiben bestehen. Mittelfristig bündeln wir Leistungen, wo es sinnvoll ist, und heben Synergien – etwa bei IT, Operations, Fachlichkeit. Wichtig ist uns, die Gründe zu respektieren, warum sich Makler bewusst für Maxpool entschieden haben. Diese Stärken bleiben erhalten, während wir zugleich Blau-Direkt-Leistungen verfügbar machen.

Anorganisches Wachstum schließen wir nicht aus. Wachstum ist für uns allerdings kein Selbstzweck.
Stephan Schinnenburg

Geschäftsführung Blau Direkt

procontra: Planen Sie weitere Zukäufe oder Übernahmen?

Schinnenburg: Unser Fokus liegt gerade auf der optimalen Begleitung der Maxpool-Übernahme und unserer bestehenden Partnerschaften. Anorganisches Wachstum schließen wir aber nicht aus – vorrangig im Umfeld von Pools und Serviceanbietern. Wachstum ist für uns allerdings kein Selbstzweck.

procontra: Rechnen Sie generell mit weiteren Konsolidierungen im Poolmarkt?

Schinnenburg: Ja. IT-Investitionen und KI erhöhen die Eintritts- und Skalierungshürden. Kleinere und mittlere Pools können das nicht immer allein stemmen. Deshalb betrachten wir Kooperationen gleichberechtigt neben Übernahmen – einschließlich der Option, unsere Plattform anderen Pools als Technologiebasis anzubieten. Das war übrigens auch der Weg mit Maxpool: erst Technik-Kooperation, dann engeres Zusammengehen, schließlich Übernahme. Die Konsolidierung wird also weitergehen.

procontra: Der Private-Equity-Investor Warburg Pincus hält die Mehrheit an Blau Direkt: Welche Meilensteine sind bis zu einem möglichen Exit definiert?

Schinnenburg: Wir sehen Warburg Pincus als starken, langfristigen Wachstums- und Investitionspartner. Es gibt keinen festen Exit-Termin und keine starren Meilensteine. Für unsere Partner – sprich Makler und Institutionen – ist Planbarkeit zentral; entsprechend ist unsere Ausrichtung langfristig.

procontra: Welche Umsatzziele setzen Sie sich denn für die nächsten Jahre?

Schinnenburg: 2025 liegen wir bei knapp über 300 Millionen Euro. Historisch wachsen wir zwischen 20 und 30 Prozent pro Jahr – das entspricht einem Umsatzplus von rund 60 Millionen Euro jährlich. Entsprechend dieser Entwicklung ist die 400- bzw. 500-Millionen-Euro-Marke also schon in Sichtweite.

procontra: Wie sieht die Entwicklung bei der Zahl der angebundenen Makler aus?

Schinnenburg: Nach einer starken DKM führen wir viele Gespräche über neue Anbindungen. Parallel erhöhen wir bei Bestandsmaklern den Share of Wallet – also die Nutzung zusätzlicher Sparten und Services. Zur Einordnung: Wir zählen derzeit rund 1.400 Vertragspartner, darunter auch große institutionelle Partner, und etwa 10.000 aktive Vermittler auf der Plattform.

procontra: Wie stellen Sie sicher, dass Sie bei diesem hohen Wachstumstempo Partner der Makler bleiben?

Schinnenburg: Unser Modell funktioniert nur, wenn Makler unabhängig und zufrieden sind. Deshalb messen wir laufend den Net Promoter Score (NPS), eine Kennzahl zur Messung der Kundenzufriedenheit. Außerdem wachsen Makler auf unserer Plattform signifikant stärker als der Markt – ein harter Beleg für echten Mehrwert.

procontra: Der BVK (Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute) sieht in Maklerpools potenzielle Gefährder der Makler-Unabhängigkeit. Wie begegnen Sie diesem kritischen Standpunkt?

Schinnenburg: Wir nehmen das ernst und suchen den Dialog. Fakt ist: Niemand wird gezwungen, mit uns zu arbeiten. Drei Kriterien entscheiden: Technikqualität, Servicezufriedenheit (NPS) und geschäftlicher Erfolg. Wenn das Paket stimmt, wählt der Makler uns aus eigenem Interesse.

procontra: Stirbt womöglich die Direktanbindung durch die Macht der Pools aus?

Schinnenburg: Das ist eine unternehmerische Entscheidung jedes Versicherers. Wir stellen uns dem Wettbewerb. Wir konkurrieren über Service, nicht über Abschottung.

procontra: Sie können jedoch nicht leugnen, dass Sie gegenüber Versicherern immer mehr an Macht gewinnen. Betrifft das auch Vergütungsfragen?

Schinnenburg: Wir sprechen lieber von Durchsetzungskraft. In Vergütungsfragen geht es nie nur um Prozente, sondern um das Gesamtpaket: Technische Qualität, Dunkelverarbeitung, fachliche Services, reduzierte Bearbeitungsaufwände – diese Leistungen spiegeln sich in der Courtage wider. Am Ende ist es wichtig, dass sich Produkte für die Kunden rechnen müssen. Nur so bleibt das System tragfähig.

KI ist bei uns kein Buzzword, sondern strategischer Kern.
Stephan Schinnenburg

Geschäftsführung Blau Direkt

procontra: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in Ihrem Haus?

Schinnenburg: Wir denken in zwei Ebenen: Intern beschleunigt KI Prozesse, reduziert manuelle Schritte, erhöht Qualität. Extern entlastet KI den Vermittler spürbar, zum Beispiel durch einen KI-gesteuerten Sprachassistenten bei unserem Maklerverwaltungsprogramm Ameise, durch Bestandsanalysen oder Impulse für Beratungsanlässe. KI ist bei uns kein Buzzword, sondern strategischer Kern. Trotzdem werden unsere Makler auch immer noch persönliche Ansprechpartner finden.

procontra: Müssen sich Ihre Mitarbeiter sorgen machen, dass durch KI auch Jobs wegfallen könnten?

Nein, wegen unseres Wachstums erwarten wir keinen Personalabbau. Aufgaben werden sich verändern, aber wir wachsen weiter. In der Kerngruppe beschäftigen wir rund 250 Mitarbeitende. Wir stellen kontinuierlich ein – aber effizienzgetrieben. Heißt: Die Belegschaft wächst, nur flacher als der Umsatz. Das ist Teil unseres Erfolgsmodells.

procontra: Werfen wir zum Schluss noch einen Blick nach vorne: Wie wird der Maklerpool der Zukunft aussehen? Wird er weiterhin primär ein Dienstleister sein oder entwickelt er sich zu einem dominierenden "Super-Makler", der die traditionelle Rolle des unabhängigen Vermittlers immer mehr marginalisiert?

Schinnenburg: Wir bleiben Plattform- und Infrastrukturpartner des unabhängigen Maklers. Unser Auftrag ist, ihn in einer komplexen, regulierten und technologiegetriebenen Welt zu befähigen, seine Arbeit erfolgreich zu machen. Wir sind nicht Wettbewerber des Maklers, sondern Hebel für seinen Erfolg.

Long Story short

  • Strategischer Neustart: Nach dem Weggang von CEO Kai-Uwe Laag setzt der neue CEO Ait Voncke stark auf plattformbasierte Geschäftsmodelle und den Ausbau von Blau Direkt als zentrale Abwicklungs- und Serviceplattform.

  • Maxpool-Integration: Die Übernahme ist die Fortsetzung einer mehrjährigen technischen Kooperation; Ziel ist es, Stärken beider Marken zu bündeln, ohne Maklerstrukturen oder Services kurzfristig zu verändern.

  • Wachstum & KI-Fokus: Mit rund 300 Mio. Euro Umsatz 2025 und weiter 20 bis 30 Prozent Wachstum pro Jahr peilt Blau Direkt die 400–500-Millionen-Marke an. KI wird zum strategischen Kern – intern für Effizienz, extern zur Entlastung der Makler.