Wegen zu hoher Betriebskosten

Experte fordert staatliche Regulierung von Lebensversicherern

Es sind nicht allein die Provisionen, die die Gesamtkosten bei Lebensversicherungen in die Höhe treiben. Das zeigt eine Untersuchung des Versicherungsmathematikers Hermann Weinmann. Er fordert staatliche Eingriffe.

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12:05 Uhr | 15. Mai | 2023
Justizia

"Der Staat muss definieren, was erlaubt und was nicht erlaubt ist", fordert der Versicherungsmathematiker Hermann Weinmann angesichts der Betriebskosten bei einigen deutschen Lebensversicherern.

| Quelle: kanizphoto

Die BaFin hat mit ihren kürzlich veröffentlichten Forderungen die deutschen Lebensversicherer an die kurze Leine gelegt. Könnte man meinen. Das sieht hingegen der Versicherungsmathematiker Hermann Weinmann, Professor an der Hochschule Ludwigshaften, offenbar anders. Weinmann, bekannt für seine Untersuchungen zu den Bilanzkennzahlen der deutschen Versicherer, ist überzeugt: „Erfolgversprechender und zwingender ist die unmittelbare Regulierung der Geschäftstätigkeit selbst.“

In einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift für Versicherungswesen fordert der Experte eine umfassende Produkt- und Kostenregulierung und den „Eingriff in die Geschäftstätigkeit durch Regulierung der betriebswirtschaftlichen Kosten“. Diese Kosten laufen, laut Weinmann, ähnlich wie die Produktvielfalt, aus dem Ruder. Exemplarisch zeigt er anhand einer Analyse für das Geschäftsjahr 2021 die zum Teil „dramatisch hohen“ Betriebskosten von mittelgroßen Lebensversicherern, deren Beitragseinnahmen zwischen 500 Millionen und 1,5 Milliarden Euro pro Jahr gelegen haben. Um welche Lebensversicherer es sich genau handelt, lässt der Wissenschaftler allerdings offen.

Die ermittelten Quoten zeigen, welchen Anteil die Betriebskosten an den Beiträgen ausmachten. Die erweiterten Betriebskostenquoten, zu denen neben Aufwendungen des Versicherers für die Antrags- und Risikoprüfung, Werbemaßnahmen und für die Weiterbildung der Vertriebsmitarbeiter noch weitere Betriebskosten hinzugenommen werden, bewegen sich bei einem der untersuchten Unternehmen bei gut 32 Prozent. Das bedeutet, dass bei einer angenommenen Prämie von 100 Euro 32 Euro anteilig auf die Betriebskosten entfallen. „Dann ist nach persönlicher Auffassung Maß und Mitte verloren gegangen“, kritisiert Weinmann. Bei zwei anderen Versicherern lag die Quote bei über 23 Prozent. „Diese Zahlen müssen den außenstehenden Beobachter und den Kunden erschrecken. (…) es handelt sich auch um keine Momentaufnahme“, betont Weinmann.

„Der Staat muss definieren, was erlaubt und was nicht“

Er moniert, dass die Kostendisziplin bei manchen Lebensversicherern in Vergessenheit geraten sei. „Es braucht eine Regulierungspolitik, die eine Neujustierung in der Frage vornimmt, welche staatlich vorgegebenen Parameter in der Lebensversicherung zukünftig gelten sollen und welche Rolle weiterhin den Marktkräften zukommt.“ Offenbar glaubt Weinmann nicht, dass das der BaFin mit ihrem Merkblatt gelingen könnte. Er fordert den Staat auf vorzugeben, was erlaubt ist und was nicht. „Und dabei muss er auch auf den Verbraucher achten.“

Auch an anderer Stelle übt er Kritik: So lässt er an den Produktrankings von Ratingagenturen kein gutes Haar. Die Qualität der Bewertungen der von ihm als „Award-Industrie“ verunglimpften Analysehäuser lasse vielfach zu wünschen übrig. Vermittler, die aus beruflichen Gründen über einen Marktüberblick verfügen müssten, würden sich ohne Unterstützung jedoch schwer mit einem Produktvergleich tun. Der einzelne Makler, der ja qua Gesetz und Haftung den Marktüberblick haben muss, sei deswegen auf Vergleichssoftware angewiesen, die ihm den Weg zu einer Auswahl von Produkten weist. „Der Gesetzgeber hat die Produktherrschaft an die Anbieter abgegeben, und diese nutzen den Freiraum über alle Maßen aus. Es fehlt ein Korrektiv“, resümiert Weinmann.

Aus seiner Sicht steht der „Regulierung von Anfang an“ die „Regulierung im Nachgang zur Unternehmenspolitik“ gegenüber. Damit dürfte klar sein, was er von den Forderungen der BaFin und deren Wirkmacht hält. Zumal selbst ein eventuelles Provisionsverbot durch die Hintertür, wie von manchen Verbänden befürchtet, kaum etwas an den dargelegten Kritikpunkten ändern dürfte.