Procontra
Zuletzt ist der Bestand an privat Krankenvollversicherten nach langer Zeit wieder gestiegen. War dieser Anstieg auch in der Beratung zu spüren?

Anja Glorius:
Ja, wir bemerken einerseits einen Anstieg bei den Anfragen nach PKV-Voll-Schutz. Doch nicht nur das – auch eine Veränderung in der Haltung der Kunden ist spürbar. Früher wurde oft ausschließlich auf den Beitrag geschaut. Doch jetzt wir seit einiger Zeit, dass bei den Interessenten der Zugang zu medizinsicher Versorgung im Fokus steht.

Glorius:
Genau, denn besonders in den Großstädten merken viele gesetzlich Versicherte, dass Facharzttermine Mangelware sind. Das verändert die Motivation, sich mit der PKV zu beschäftigen. Es geht nicht mehr nur um ‚billiger‘, sondern um Verfügbarkeit, Service und Absicherung im Krankheitsfall.
Procontra
Welche weiteren konkreten Leistungen sind Kundinnen und Kunden derzeit besonders wichtig? Womit können Makler punkten?

Glorius:
Aktuell begegnen wir vielen Interessierten, die sich neben ihrer eigenen Absicherung auch intensiv mit dem Thema Familienplanung befassen. Besonders wichtig sind dann Aspekte wie Kinderkrankengeld, Beitragsbefreiung während des Elterngeldbezugs oder auch eine beitragsfreie Mitversicherung von Neugeborenen im ersten Lebensjahr. Hier können wir gezielt mit Tarifen punkten, die genau solche Regelungen vorsehen. Auch über das Thema Vorsorgeleistungen – also Leistungen, die über gesetzlich eingeführte Programme hinausgehen – wird häufiger gesprochen. Und natürlich bleiben die ‚Klassiker‘ entscheidend: Wahlleistungen im Krankenhaus, ein hochwertiger Zahnersatz und eine möglichst lückenlose ambulante Versorgung.
Procontra
Schon seit Längerem ist in der Branche von mangelndem Service und langen Bearbeitungszeiten aufgrund von Personalmangel die Rede. Wie kommen die privaten Krankenversicherer mit dieser Entwicklung klar?

Glorius:
In der Antragsbearbeitung selbst sind die privaten Krankenversicherer nach wie vor überraschend schnell – in vielen Fällen liegt eine Entscheidung innerhalb von 24 bis 48 Stunden vor. Vergleicht man das mit der Lebensversicherung, ist die PKV hier deutlich besser aufgestellt. Etwas anders sieht es bei Risikovorabanfragen aus: Hier erleben wir – gerade bei leistungsstarken Anbietern mit sehr guten Produkten – zunehmend Bearbeitungszeiten von bis zu drei Wochen. Das kann im Vertriebsalltag herausfordernd sein: Wer in den ersten fünf Tagen kein klares Signal bekommt, schließt im Zweifel woanders ab. Makler mit engen Kontakten in die Risikoprüfung und klarem medizinischem Verständnis können hier echten Mehrwert bieten.
Procontra
Haben Makler aktuell bessere Chance, Kunden mit Vorerkrankungen umfassender privat zu versichern – auch, weil die Beitragshöhe nicht mehr allein ausschlaggebend ist?

Glorius:
Ja, wir beobachten durchaus einen positiven Wandel in der Risikoeinschätzung. Beispielsweise bei kurzfristig aufgetretenen psychischen Belastungen, bei chronischen, aber stabil verlaufenden Erkrankungen wie Asthma oder Epilepsie – viele Versicherer sind mittlerweile deutlich gesprächsbereiter geworden. Entscheidend ist, dass Makler wissen, welcher Versicherer wie tickt, wie man medizinisch differenziert argumentiert und wo Spielräume für Risikozuschläge oder vertretbare Leistungsausschlüsse bestehen. In über 70 Prozent der Risikofälle können wir heute eine tragfähige Lösung für den Kunden schaffen – das wäre vor einigen Jahren in dieser Breite kaum denkbar gewesen.
Long Story short
Anstieg der PKV-Nachfrage: Der Bestand an privat Krankenversicherten wächst, mit einem Fokus der Kunden auf medizinische Versorgung und Service, nicht nur auf niedrige Beiträge.
Schnelle Antragsbearbeitung, aber längere Risikoprüfung: Während die PKV bei der Antragsbearbeitung schnell bleibt (24-48 Stunden), verlängern sich die Bearbeitungszeiten bei Risikovorabanfragen, was Herausforderungen für Makler darstellt.
Veränderte Risikoeinschätzung: Versicherer sind gesprächsbereiter geworden und bieten zunehmend Lösungen für Kunden mit Vorerkrankungen, wie Asthma oder psychischen Belastungen, was früher schwieriger war.


