Dramatische Fondsabwertung: Gerät jetzt die Assetklasse Wohnen unter Druck?
Die Corona-Pandemie hat die Immobilienmärkte kräftig durchgeschüttelt. Besonders die Sektoren Büro, Einzelhandel, Logistik und Hotel mussten Federn lassen. Wohnimmobilien galten dagegen lange Zeit noch als relativ sicheres Investment. Doch auch hier scheinen die Zeichen mittlerweile Richtung Krise zu deuten. Das zumindest legt die drastische Abwertung des milliardenschweren offenen Immobilienfonds „Uni Immo Wohnen ZBI“ von Union Investment nahe.
Quasi über Nacht brach dieser Fonds Ende Juni um fast 17 Prozent ein – von 50,74 auf 42,26 Euro pro Anteil. Einer der höchsten Verluste, die Anleger seit der Finanzkrise 2008 hinnehmen mussten. Die schlagartige Abwertung gründet auf einer Sonderbewertung des Portfolios, die offenbar notwendig geworden war, nachdem immer mehr Anleger angekündigt hatten, ihre Anteile zurückgeben zu wollen.
Anleger in Sorge
Bei Beratern und Anlegern dürfte die Abwertung des "Uni Immo" zu einiger Besorgnis geführt haben, galten solche Anlagen bislang doch als recht sicher. Auch der Fonds von Union Investment wurde als Produkt mit geringem Risiko verkauft.
Was also ist los auf dem Wohnimmobilienmarkt? Wie kann es sein, dass dieser Markt in Zeiten geringer Leerstände und steigender Mieten ins Straucheln gerät?
Bei Union Investment verweist man in diesem Zusammenhang auf das schwierige "makroökonomische Umfeld", das durch den Ukraine-Krieg ausgelöst worden sei – mit einem rasanten Zinsanstieg, explodierenden Baukosten im Zuge der gestiegenen Inflation und zunehmenden regulatorischen Vorschriften. „Diese Aspekte führten zu einem deutlichen Einbruch der Investorennachfrage für Wohnimmobilien mit der Konsequenz, dass die Wohnimmobilienbewertungen im gesamten Markt unter Druck geraten sind“, so Unternehmenssprecher Dr. Sinan York Temelli gegenüber procontra.
"Wir gehen von einer Beruhigung des Marktes aus"
Perspektivisch gehe man aber von einer Beruhigung des Marktes und der Anteilspreisentwicklung des Fonds aus. "Insbesondere die intakten Fundamentaldaten auf dem Wohnimmobilienmarkt bieten weiteres Steigerungspotenzial bei der Vermietungsquote und stärken damit langfristig die Erträge", glaubt Temelli. „Wir erwarten daher eine Erholungsphase in den kommenden Jahren. Wohnen ist und bleibt eine wichtige und attraktive Nutzungsart, welche sich in der Vermögensstruktur des Kunden wiederfinden sollte.“
Auch bei BNP Paribas Real Estate prognostiziert man eine Belebung des deutschen Wohn-Investmentmarktes. Nach einem schwachen Jahresstart habe man bereits eine deutliche Belebung des Investmentgeschehens im zweiten Quartal 2024 registriert, heißt es dazu in einem Marktbericht des Immobiliendienstleisters. Bundesweit seien in den ersten sechs Monaten des Jahres 3,3 Milliarden Euro in größere Wohnungsbestände investiert worden, womit das Halbjahresergebnis des Vorjahres um 25 Prozent übertroffen worden sei.
Anstieg der Marktdynamik in zweiter Jahreshälfte
Vor dem Hintergrund der begonnenen Zinssenkungen der EZB, größtenteils bereits abgewerteten Immobilienbeständen, dem Rückgang der Inflation und einer aktuell sehr hohen Mietpreisdynamik rechnen die Experten von BNP Paribas Real Estate mit einem „deutlichen Anstieg der Marktdynamik“ in der zweiten Jahreshälfte.
„Die Leitzinssenkung durch die EZB im Juni war der erste Schritt des Abstiegs vom Zinsplateau. Vor dem Hintergrund einer in der Tendenz rückläufigen Inflation dürften weitere Schritte in den nächsten Quartalen folgen. Dies wird die Fremdkapitalbeschaffung vereinfachen und Kapitalkosten reduzieren“, so die Prognose von Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate. All das – sowie die gesunden Fundamentaldaten der Nachfrageseite – sprächen für ein Investment in deutsche Wohnimmobilien.
Das Investoren-Interesse nimmt zu
In eine ganz ähnliche Richtung weisen die Ergebnisse einer Umfrage des Investment-Unternehmens CBRE. Danach wollen fast 70 Prozent der deutschen Immobilieninvestoren ihre Aktivitäten im Wohnimmobiliensegment zukünftig ausweiten – und weitere 20 Prozent wollen sie zumindest stabil halten. Wichtigster Treiber des Investoreninteresses sei das potenzielle Mietwachstum sowie die „robusten Fundamentaldaten auf der Angebots- und Nachfrageseite.“
Unterm Strich lässt sich also sagen, dass die Abwertung des Immobilienfonds von Union Investment kein Hinweis auf eine fundamentale Krise des Wohninvestmentmarktes war, sondern eher mit der Struktur des Fonds zusammenhing. Laut Sonja Knorr, Analystin der Ratingagentur Scope, ist ein Großteil des Portfolios in der Hochpreisphase des Marktes aufgebaut worden. Dazu enthalte der Bestand viele alte Immobilien in B-Lagen, die unter ESG-Aspekten nun mit deutlichen Abschlägen gehandelt würden.
Das sieht etwa bei zwei anderen Fonds dieser Art, dem Wertgrund WohnSelect und dem Fokus Wohnen Deutschland von Industria, anders aus. Dort sind die Portfolios relativ jung bzw. in einer Zeit aufgebaut worden, als Wohnimmobilien noch günstig waren. Eine vergleichbare Entwicklung wie beim abgewerteten Union-Investment-Fonds erwarte man daher nicht, so Wertgrund-Fondsmanager Marcus Kemmner.
Vermietungsquote auf solidem Niveau
Weitere Abwertungen offener Immobilienfonds kann trotzdem niemand ausschließen. Beruhigend für Anleger: Die Vermietungsquoten offener Immobilienpublikumsfonds liegen laut einer Scope-Untersuchung auf einem soliden Niveau. Dasselbe gilt für die Liquiditätsquoten. „Sollten weitere Bewertungsanpassungen erforderlich sein, können sich die Fonds nach deren Abschluss neu positionieren und die Renditen wieder steigen“, resümieren die Scope-Analysten.
Positiv zu bewerten seien auch die erweiterten Möglichkeiten für offene Immobilienfonds, künftig bis zu 15 Prozent ihres Verkehrswertes in Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Solarparks investieren zu können. Das erhöhe die Risikostreuung und das künftige Renditepotenzial.
Keine kurzfristigen Rückgabemöglichkeiten
Wichtig zu wissen: Anleger, die jetzt trotzdem ihre Anteile verkaufen möchten, unterliegen bei Investitionen ab Juli 2013 einer zweijährigen Mindesthaltedauer und einer einjährigen Kündigungsfrist. Sie haben also keine kurzfristigen Rückgabemöglichkeiten an die Kapitalverwaltungsgesellschaften. Zwar sind kurzfristig Verkäufe über die Börse möglich, dann aber oft nur mit Preisabschlägen.