Nach Start des „Renten-Cockpits"

Digitale Rentenübersicht mit Defiziten

Im Herbst soll die digitale Rentenübersicht starten und über ein „Cockpit“ Vorsorgelücken aufzeigen. Das eröffnet Beratungsansätze, sofern die Anbieter Daten liefern.

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15:08 Uhr | 24. August | 2023
Lücke in einer Brücke

Mit der digitalen Rentenübersicht des Bundes soll die individuelle Versorgungslücke sichtbar werden.

| Quelle: DNY59

Voraussichtlich im Dezember startet die digitale Rentenübersicht im Regelbetrieb. „Das neue Online-Portal unter rentenuebersicht.de führt Informationen über die individuell erworbenen Ansprüche aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge zusammen und stellt sie übersichtlich und zentral gebündelt dar“, heißt es beim Bundesfinanzministerium, dass gemeinsam mit dem Bundesarbeitsministerium das Vorhaben vorbereitet hat und die Umsetzung begleitet. Angesiedelt ist das Rentencockpit unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung. 

Negative Performance von Riester wird offensichtlich

Pikant: Dann dürfte die schwache, beziehungsweise trotz staatlich angeordneter Beitragsgarantie nach Inflation, allzu oft negative Performance von Riester-Verträgen am Bildschirm sichtbar werden. Mit der Umsetzung der digitalen Rentenübersicht mache die Ampel-Regierung digital transparent, was Rot-Grün vor 20 Jahren falsch eingeschätzt habe, ist in der Branche zu vernehmen: die Knebelung der geförderten Altersvorsorge durch (übertriebene) Garantien und durch ein weitgehendes Verbot von Aktieninvestments. Ebenfalls seit 2003 sind die Aktienkurse kräftig gestiegen; nur hatten die meisten Altersvorsorgesparer fast nichts davon. 

Noch befindet sich die digitale Rentenübersicht in der Pilotphase. In Berlin ist man zuversichtlich, dass die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten nach und nach mitmachen und sich anbinden. Die Zahl der an die digitale Rentenübersicht angeschlossenen Altersvorsorgeanbieter wächst.

Zum Startschuss waren gerade einmal drei Anbieter (Deutsche Rentenversicherung, Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Union Investment) angeschlossen, deren Zahl hat sich mittlerweile leicht erhöht. Nachdem mit der Württembergischen auch der erste Lebensversicherer angeschlossen wurde, ziehen nun drei weitere Versicherer nach. Mit der Öffentlichen Lebensversicherungsanstalt Oldenburg, der Öffentliche Lebensversicherung Sachsen-Anhalt und der Provinzial Hannover sind nun vier Lebensversicherer an die digitale Rentenübersicht angebunden.

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Anbieter warten ab 

Auf Anfrage von procontra hieß es bei Axa: „Wir beobachten die Entwicklung aufmerksam“, und bei Talanx: „Ab Anfang 2024 werden unsere Lebensversicherer HDI, Neue Leben, LPV und Targo, die Deutsche Rentenversicherung mit Informationen unterstützen“. Und die Fondshäuser Deka und DWS wollen „zum Start des Regelbetriebs“ beziehungsweise „später“ hinzustoßen. Ein Ansturm sieht anders aus. 

Auch das Interesse der Bürger ist bisher bescheiden, wobei berücksichtigt werden muss, dass für die Registrierung ein Personalausweis mit Online-Funktion benötigt wird. Den hat noch längst nicht jeder. Ebenfalls auf Anfrage teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit: „Seit Start der Pilotphase am 30. Juni haben sich rund 45.000 Personen registriert“ und rund 221.000 Anfragen wurden erfolgreich durchgeführt.   

Theoretisch hat die digitale Rentenübersicht das Potenzial, den Markt für Altersvorsorgeprodukte zu beleben. Laut Finanzministerium dient das Portal „als Grundlage für eine weiterführende Beratung, um mögliche Versorgungslücken frühzeitig zu erkennen und handeln zu können.“ Auch Norman Wirth, Vorstand AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen, betont in einem Interview mit procontra die sich daraus ergebenden Services für Makler als „vertrieblich hochinteressant“. 

Für einen vom Staat angestrebten echten Überblick über ihre Altersvorsorgeverträge müssten sich aber nicht nur alle Anbieter von Altersvorsorgeverträgen anbinden, sondern auch alle Bürger. Das ist nicht der Fall. Beamte und Freiberufler bleiben außen vor. Auch deshalb ist das ganze Vorhaben für Volker Britt, Leiter Finanzplanung und Produktmanagement beim Finanzdienstleister Plansecur, „kein großer Wurf“. Er moniert außerdem, dass Steuern und Sozialabgaben ausgeblendet würden. Auch würden Immobilien, Guthaben auf Konten und Wertpapierdepots nicht einbezogen. 

Berater müssen die Defizite ausgleichen 

„Die Defizite müssen vom Berater ausgeglichen werden, um dem Kunden eine transparente Beratung zur Altersvorsorge bieten zu können“, betont Britt. Man kann das aber auch so sehen: Für Beratende bleibt viel Arbeit. Für Sebastian Grabmaier, Chef des Pools Jung, DMS & Cie., ist das Rentencockpit eine „gute Idee“, weil sich „eventuelle Vorsorgelücken schnell erkennen lassen“. Das wiederum könne ein „Türöffner für Beratungsgespräche“ sein. Aber auch er betont, dass man abwarten müsse, wie viele Anbieter mitmachen und Daten in der notwendigen Qualität liefern. 

Kein Problem ist aus Grabmaiers Sicht, dass mit der digitalen Rentenübersicht de facto ein Wettbewerber zu den existierenden Übersichten von Pools, Versicherern Kreditinstituten und Fintechs entstehen könnte. Zumindest das von Jung, DMS & Cie. angebotene Tool „allesmeins“ könne „viel mehr als nur Altersvorsorgeverträge abbilden.“ Im Schnitt habe ein Kunde viermal so viele weitere Verträge. In „allesmeins“ seien „wirklich alle privaten und betrieblichen Vorsorgeverträge abgebildet“. 

Fazit: Die digitale Rentenübersicht bringt mehr Transparenz und ist daher ein Schritt in die richtige Richtung. Entfalten wird sie ihr Potenzial nur, wenn der Staat bei den geförderten Produkten mehr Flexibilität zulässt. Dazu hat die Fokusgruppe Altersvorsorge der rot-grün-gelben Bundesregierung kürzlich Vorschläge gemacht.