Loys-Vorstand zum Generationenkapital

„Für jedes neugeborene Kind 20.000 Euro Startkapital“

Die Bundesregierung plant eine ergänzende Alterssicherung auf Aktienbasis. Über die Vor- und Nachteile einer staatlichen kapitalgedeckten Altervorsorge sprach Christoph Bruns, Vorstand der Fondsgesellschaft Loys AG, mit procontra.

15:07 Uhr | 13. Juli | 2023
Christoph Bruns

„Das geplante Konzept bringt den meisten Menschen nichts. Es kommt zu spät und ist zu wenig": Christoph Bruns, Vorstand der Fondsgesellschaft Loys, spricht im procontra-Interview über das „Generationenkapital".

| Quelle: Loys AG

procontra:

Sie haben sich als einer der wenigen Fondsmanager öffentlich zum sogenannten Generationenkapital geäußert. Was sind für Sie die wesentlichen Vor- und Nachteile einer staatlichen kapitalgedeckten Alterssicherung auf Aktienbasis als Zusatzbaustein der Altersversorgung?

Christoph Bruns:

Wir müssten über das Thema gar nicht sprechen, wenn es den demografischen Wandel nicht gäbe. Dann könnten wir hunderte Jahre so weitermachen. Das können wir aber nicht. Denn seit dem Pillenknick in den 1960er Jahren ist klar, dass wir kleinere Familien haben. Das heißt, immer mehr ältere Menschen müssen in der Altersversorgung durch immer weniger jüngere Menschen finanziert werden. Es sei denn, man könnte das durch Migration ausgleichen in einer Weise, dass netto mehr in die Systeme eingezahlt als herausgenommen wird. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Grundproblem dieser demografischen Entwicklung muss man immer hinzudenken.

procontra:

Viele Länder haben daher seit langem kapitalgedeckte Konzepte zur Altersversorgung eingeführt.

Bruns:

Deutschland ist leider jahrzehntelang Konrad Adenauers Ansicht gefolgt, dass wir kein kapitalbasiertes Dritte-Säule-Prinzip zur Ergänzung der gesetzlichen Rente brauchen. Denken Sie zum Beispiel an: „Die Rente ist sicher“ von Norbert Blüm. Aber wenn man in den Maschinenraum hinabsteigt, zeigt sich, dass sich das Umlagesystem nicht weiter finanzieren lässt. Weniger Einzahler und immer mehr Herausnehmer, die zudem eine immer längere Lebenserwartung haben. Das geht nicht auf. Es sei denn, man erhöht die Beiträge der Einzahler. Aber dann ist klar, dass sich in Deutschland Arbeit und Beschäftigung nicht mehr lohnen. Wir haben ohnehin mit die höchsten Lohnstückkosten und vergleichsweise hohe Abgaben und Steuern. Es gab mit der Agenda 2010 von Schröder und Fischer eine einzige große Reform, die adressiert hat, dass die Arbeitskosten verringert werden müssen, insbesondere die Lohnnebenkosten. Wenn man aber Arbeitnehmern und Unternehmen immer höhere Beiträge aufbürdet, werden deren Belastungen viel zu hoch.

procontra:

Wie bewerten Sie den aktuellen Vorstoß der Bundesregierung?

Bruns:

Die Bundesregierung hat anfänglich betont, dass wir nun ähnlich wie etwa die Schweiz, die Niederlande, Schweden oder Norwegen einen Weg in ein kapitalgedecktes System als dritte Säule der Altersversorgung schaffen müssen. Erst hieß es Aktienrente. Dann hat die Regierungskoalition die angedachte Ausgestaltung etwas verändert und nennt es nun Generationenkapital. Anfangs sollte noch die Rente aufgebessert werden. Heute heißt es als Ziel nur noch, dass man das bestehende System etwas unterstützen könne. Die zehn Milliarden Euro, die als Generationenkapital unter staatlicher Ägide am Kapitalmarkt investiert werden sollen, sind so etwas wie nichts. Für die Rente ist das unerheblich. Das Schwierige daran ist aber eigentlich, überhaupt eine Geburtswehe in Richtung dritte Säule in Gang zu bringen. Das scheint bislang nicht zu gelingen.

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procontra:

Sehen Sie den Vorstoß nicht als ersten Schritt in diese Richtung?

Bruns:

Das geplante Konzept bringt den meisten Menschen nichts, insbesondere denen ab mittleren Alters. Es kommt zu spät und es ist zu wenig! Man müsste in der Tat klotzen statt kleckern. Als die Zinsen noch negativ waren, habe ich den Vorschlag gemacht, dass sich der Bund 500 Milliarden Euro leiht für einen Einstieg in die dritte Säule. Das wäre eine relevante Größe gewesen und hätte den großen Vorteil gehabt, das Projekt zu Null finanzieren zu könnten. Zusätzlich waren in dieser Zeit Aktien günstig zu kaufen. Jetzt bemüht sich die Regierung nach jahrzehntelangen Versäumnissen des Staates, so gut wie nichts zu machen und das als großen Einstieg zu bezeichnen.

procontra:

Wie könnte das Ganze dennoch sinnvoll fortgeführt werden?

Bruns:

Man wird einen Schnitt machen müssen zwischen den jüngeren Leuten, die unbedingt in die dritte Säule der Altersversorgung kommen sollen und den etwas älteren, die keine lange Vermögensaufbauzeit bis zur Rente mehr haben. Dies wäre vielleicht bei 40, 45 oder 35 Jahren. Kluge Leute müssten hier ausrechnen, welches eine geeignete und möglichst faire Schnittkante wäre. Für die ältere Personengruppe würde das bisherige System der Altersversorgung bis zum Lebensende weiterlaufen. Die jüngeren Leute müssten, wenn man es mit einem Systemwechsel wirklich ernst meint, verpflichtend in eine kapitalgedeckte Altersversorgung gehen als Ergänzung zur gesetzlichen Rente. Die umlagefinanzierte Rente wird bei ihnen dann kleiner ausfallen. Diese wird aber ergänzt mit der dritten Säule. Es gibt angesichts des eingangs geschilderten Grundproblems überhaupt keinen Zweifel, dass wir einen Systemwechsel brauchen und irgendwo einen Schnitt machen müssen.

procontra:

Wie würden Sie eine kapitalgedeckte Alterssicherung auf Aktienbasis als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung aufsetzen?

Bruns:

Meine erste Präferenz wäre, dass für jedes Kind, das in Deutschland geboren wird, direkt nach der Geburt ein Depot eingerichtet wird, gerne auch vom Staat. In das Depot wird dann ein am Markt erhältlicher weltweit anlegender Aktienfonds eingekauft. Der Staat gibt für jedes neugeborene Kind 20.000 Euro als Startkapital aus der Steuerkasse. In diesen Fonds fließen später auch die Beiträge für die dritte Säule. Bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters darf aus dem Depot nichts entnommen werden. Ich würde die Auszahlung mit der Bedingung verknüpfen, dass die betreffende Person einen Schulabschluss hat, um hierfür einen Anreiz zu schaffen.

procontra:

 Eine solche Verknüpfung dürften viele sehr kritisch sehen.

Bruns:

Wir verlieren jedes Jahr viel zu viele junge Leute, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Das können wir uns angesichts des Grundproblems schlicht nicht mehr leisten. Einen Anreiz fände ich da sehr hilfreich. Für jene, die dies nicht schaffen oder wollen, wäre dann das Sozialsystem zuständig.

procontra:

Was wären Ihre weiteren Vorschläge?

Bruns:

Meine zweite Präferenz wäre ein Modell, wie man es insbesondere im angelsächsischen Raum und auch in der Schweiz und den Niederlanden hat. Die Amerikaner nennen es 401-k-Pläne. Es wäre für Personen ab dem Erwerbsalter. Bei diesem Modell können die Leute aus ihrem Bruttoeinkommen in ein steuerbegünstigtes Sonderdepot einzahlen. Das Geld wird bis zur Rente in Aktienfonds am Kapitalmarkt angelegt. Auf ihr Bruttoeinkommen zahlen sie dann keine Steuern. Wenn sie später als Rentner Geld entnehmen, wird es mit einem Rentensteuersatz besteuert. Dieses Modell verfolgen zahlreiche Länder, vor allem Länder, bei denen die kapitaldeckte Säule privatwirtschaftlich organisiert ist. Diesen Weg halte ich auch bei uns für gangbar. Man könnte ihn auch parallel zum ersten Vorschlag anwenden.

procontra:

Ein rein staatliches Konzept halten Sie also für weniger sinnvoll?

Bruns:

Ein dritter Weg wäre ein staatlich aufgebauter Anlagefonds, der von einer staatlichen Institution verwaltet wird – so wie es etwa Schweden hat und in Deutschland mit dem Generationenkapital angedacht ist. Ich halte jedoch nichts von der „Effizienz“ des Staates. Er ist außerdem kein Fachmann auf dem Kapitalmarkt. Wenn man subsidiär denkt nach dem Motto: Was privat organisiert werden kann, braucht man nicht staatlich zu organisieren, dann braucht man das auch nicht. Es gibt genug gute Fonds auf dem Markt als Anlagemöglichkeit. Man könnte die Menschen auch wählen lassen zwischen einem staatlich verwalteten Fonds und einem Fonds aus der Privatwirtschaft.

procontra:

Das Generationenkapital soll aus einem verzinslichen Darlehen aus dem Bundeshaushalt kommen. Wie bewerten Sie diesen Ansatz?

Bruns:

Man könnte alternativ von den aktuellen Rentenbeiträgen 30 Prozent in die dritte Säule lenken. Den Betrag, der für die Rentenzahlung ausfällt, könnte der Staat aus dem Staatshaushalt ersetzen. Heute kommt ohnehin bereits ein Drittel der Renten aus Steuergeldern. Auch das kostet bei unserem hoch verschuldeten Haushalt Zinsen. Ob wir nun Geld leihen für die Zahlung der Rente oder für den Aufbau des Generationenkapitals, scheint mir keinen großen Unterschied zu machen. Zinskosten fallen bei jedem Weg an, den wir beschreiten. Sie sind aber immer noch besser als die Umlagelösung so wie bisher fortzusetzen.

procontra:

Gerade in Deutschland seien Versorgungsgelder immer wieder zweckentfremdet worden, sagen Kritiker des angedachten Konzepts. Zum Beispiel Telekom-Aktien, die bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Pensionen von Postbeamten hinterlegt waren, aber in die Abwrackprämie für ältere Autos geflossen sind. Wie würden Sie einer solchen Gefahr bei einer verpflichtenden kapitalgedeckten Alterssicherung als dritte Säule begegnen?

Bruns:

Ich würde das Kapital dem deutschen Staat gar nicht anvertrauen wollen. Die Gefahr einer Zweckentfremdung ist nach vielen Erfahrungen zu groß! Denken Sie zum Beispiel an die Wiedervereinigunsgtöpfe. Oder daran, dass der Solidaritätszuschlag plötzlich nicht mehr für den Aufbau Ost verwendet werden müsse, sondern einfach in den allgemeinen Haushalt ging. Die Lösung kann dann nur lauten, die Kapitalanlage einer verpflichtenden dritten Säule privatwirtschaftlich zu organisieren. Das sorgt außerdem für Wettbewerb um die besten Produkte, unter denen man dann auch wechseln können sollte. Zur Information und Beratung könnte man Verbraucherschutzverbände mit ins Boot holen. Zudem haben wir eine große Finanzbranche mit vielfältigen Beratungsmöglichkeiten.

procontra:

Das Thema Generationenkapital scheint derzeit kaum eine Rolle zu spielen. Meinen Sie, dass der Einstieg in die dritte Säule nun kommt?

Bruns:

Das glaube ich nicht. Die Prioritäten sind jetzt völlig andere. Der Staat muss sich derzeit offenbar stärker um den Bereich Verteidigung und die völlig gescheiterte Energiewende bemühen. Auch das Thema Migration spielt eine große Rolle. Dies sind alles riesige Finanznotwendigkeiten. Ich vermute daher, dass das Thema wieder einmal auf die lange Bank geschoben wird und vorerst nichts kommt. Ich kann hier nur positiv überrascht werden.