Ergo bringt App für virtuelle Beratung auf den Markt

Versicherungsberatung durch Avatar statt Vertreter

Ergo will seine Produkte künftig auch durch virtuelle Realitäten an die Kunden bringen. Diese benötigen eine VR-Brille und sollten schwindelfrei sein. Ergo-Vertretern soll die Nutzung ebenfalls offenstehen, Makler bleiben außen vor.

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15:06 Uhr | 05. Juni | 2023
Beratungssituation mit Ergo-Avatar

Die Ergo will durch ein virtuelles Beratungsangebot neue Kunden gewinnen. Diese benötigen dafür eine VR-Brille.

| Quelle: Ergo/Demodern

Für Computerspiele sind Virtual-Reality-Brillen (VR) bereits weitläufig bekannt. Doch auch in der Berufsberatung für Schüler kommen sie bereits zum Einsatz. Laut Branchenverband Bitkom habe im vergangenen Jahr fast ein Fünftel der Deutschen (17 Prozent) mit einer VR-Brille computersimulierte Wirklichkeiten erkundet. 77 Prozent nutzten das Gestell für Computer- und Videospiele, 71 Prozent bereisten damit Orte, 56 Prozent sahen sich so Filme an und 39 Prozent besuchten auf diese Art Konzerte. 37 Prozent der Nutzer verwendeten ihre Brillen für sportliche Aktivitäten, 16 Prozent für Bildungs- und Lernprojekte und 12 Prozent besuchten Ausstellungen oder Messen.

Und das Interesse nimmt offenbar weiter zu: 21 Prozent der Befragten ohne VR-Gestell wollen die Technik künftig definitiv nutzen, 28 Prozent können sich das zumindest vorstellen. Mit der Entwicklung des Metaverse, einer virtuellen Realität des Facebook-Konzerns, die nur mit einer VR-Brille genutzt werden kann, könnte der Absatz weiter steigen. Allerdings nutzen im vergangenen Jahr nur sieben Prozent eine VR-Brille im beruflichen Umfeld.

Das will der Ergo Konzern nun augenscheinlich ändern: Der Versicherer hat in Zusammenarbeit mit der Technologieagentur Demodern eine App herausgebracht, die eine virtuelle Live-Beratung via VR-Headset ermöglichen soll. Kunden sollen laut Pressemitteilung virtuell in ein Versicherungs-Szenario eintauchen und zu diesem in Echtzeit beraten werden. „Hierfür treffen sich Interessierte mittels VR-App und -Headset mit einem ERGO-Berater, der sie durch ein gewähltes Setting führt“, erklärt das Unternehmen sein Konzept namens „Ergo VR Experience“. „Es wird damit erstmals möglich, sich nicht nur ortsunabhängig zu einem Beratungsgespräch zu treffen, das sich echt anfühlt. Sondern Virtual Reality ermöglicht es auch, ein Produkt, das bisher eher abstrakt und theoretisch war, anschaulich, verständlich und vor allem erfahrbar zu machen“, sagt Ergo-Pressesprecherin Sabine Saeidy-Nory.

Ziel: Erste Versicherungsagentur im Metaverse

Die Ergo startet seine begehbare Virtual Reality mit einer 3-D-Berglandschaft: Das ist die Umgebung, in der sich Kunden zum Thema Reise-Krankenversicherung von einem Berater-Avatar persönlich beraten lassen können. Potenzielle Risiken einer Bergwanderung will der Versicherer auf diese Weise bildlich erfahrbar machen, während Kunden ihre Fragen an einen persönlichen Berater in Form eines Avatars stellen können. „Kundinnen und Kunden sprechen mit einem echten Menschen. Es ist ein echter Ergo-Berater, der sich als Avatar mit ihnen im digitalen Raum trifft. Keine Animation, kein Bot“, so Saeidy-Nory. Weitere „Anwendungsfälle“, wie zum Beispiel Städtereisen, Skiferien oder Strandurlaub, seien noch in der Planung. Darüber hinaus sollen sich Kunden demnächst auch über Reiserücktritt- oder Gepäckversicherungen informieren können.

Avatar

Weitere virtuelle Realitäten will die Ergo demnächst zur Verfügung stellen.

| Quelle: Ergo/Demodern

Angesichts der Tatsache, dass es sich laut Ergo weiterhin um ein persönliches Gespräch mit einem Berater handelt, stellt sich die Frage: Warum dann nicht einfach telefonieren oder via Teams und ähnlichen Programmen live miteinander sprechen? Warum eine künstliche Welt, wenn es auch echt geht? Ergo-Pressesprecherin Saeidy-Nory ist überzeugt, dass Metaverse die Art und Weise wie wir in Zukunft leben und arbeiten maßgeblich verändern wird. „Das bedeutet auch, wie wir in Zukunft Versicherungen verkaufen und abschließen werden. Unser Ziel ist, dass Ergo eine der ersten Versicherungsagenturen im Metaverse sein wird.“

Technik nur für Exklusivvertreter

Wer das Beratungsgespräch nutzen möchte, braucht natürlich eine VR-Brille (von Meta), muss sich die App herunterladen und einen Beratungstermin vereinbaren. Als „Ergänzung zur klassischen Beratung“ ist das Angebot gedacht. „Zudem ist dies für uns ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Metaverse“, sagt Mark Klein, Chief Digital Officer der ERGO Group AG und Vorsitzender des Vorstands der ERGO Digital Ventures AG.

„Bei positiver Resonanz soll sie deshalb auch künftig den ERGO Vermittler-Agenturen zur Verfügung stehen, die diese ergänzend zu ihrer klassischen Beratung anbieten können“, heißt es seitens des Versicherers. Allerdings ist die Technik nur für Exklusivvermittler gedacht. Unabhängige Makler bleiben außen vor. Das gleiche gilt im Übrigen auch für ein virtuelles Trainingsprogramm, in dem Ergo-Vertreter mit VR-Brillen Beratungssituationen trainieren können. Die Frage, warum der Versicherer die Optionen nicht auch ungebundenen Vermittlern offeriert, lässt das Unternehmen unbeantwortet.

Avatar

Das Angebot ist als „Ergänzung zur klassischen Beratung“ gedacht.

| Quelle: Ergo/Demodern

Allerdings kann es bei Nutzung der Technik auch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen: So gibt es die sogenannte VR-Krankheit mit Symptomen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schwindel. Die Verletzungsgefahr ist erhöht, weil die tatsächliche räumliche Wahrnehmung durch die virtuelle Wahrnehmung überlagert und der Gleichgewichtssinn gestört wird. Die Halswirbelsäule kann durch das Gewicht des Headsets stärker belastet werden. Auch leichte depressive Verstimmungen bei der Rückkehr in die Realität wurden beobachtet. Das allerdings ist wahrscheinlich bei einem Beratungsgespräch zum Thema Versicherungen eher unwahrscheinlich.

Meta versus Apple: Ergo setzt vorerst auf Bewährtes

Derweil liefern sich Meta und Apple ein Wettrennen um die Vormachtstellung im VR-Brillengeschäft: Während CEO-Tim Cook die erste Apple-Virtual-Reality-Brille an diesem Montag vorstellen will, ist ihm Mark Zuckerberg bereits zuvorgekommen. Er kündigte an, im Herbst ein neues Modell der Quest-Brillen auf den Markt bringen zu wollen. Dünner und leistungsstärker denn je soll die Brille sein mit einem Blickfeld, das reale und digitale Objekte miteinander vereint. Kostenpunkt für die Quest 3: rund 500 Dollar. Der Facebook-Konzern bietet damit das Gestell im Vergleich zu Apple für einen Spotpreis an. Letztere soll nämlich, laut Manager Magazin, für etwa 3.000 US-Dollar zu haben sein.

Zunächst plant Ergo nicht, dass Besitzer der demnächst auf dem Markt verfügbaren Apple-VR-Brillen auch die Ergo-App nutzen können. „Momentan beherrscht Meta mit der Oculus Quest 2 rund 75 Prozent des globalen VR-Brillen-Marktes und damit den größten Anteil. Alleine von der Quest 2 wurden bisher mehr als zehn Millionen Stück verkauft“, so Ergo-Sprecherin Saeidy-Nory. Die App ist abwärtskompatibel angelegt, das heißt, auch mit älteren sowie künftigen Meta-Brillen-Generationen ist sie nutzbar. Ergo wolle aber aktuelle Entwicklungen und weitere potenzielle Plattformen im Blick behalten.