Digitalisierung der Versicherungsbranche

Dunkelverarbeitung heute, KI morgen

Welche Bereiche der Versicherungsbranche wird Künstliche Intelligenz umkrempeln und wann? Blickt man auf verschiedene Umfragen, dann verspüren viele Vorstände dabei keine Eile. Das hat mehrere Gründe.

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10:07 Uhr | 05. Juli | 2023
Digitalisierung der Versicherungsbranche

Es sind noch viele Schritte zu gehen: In puncto KI-Revolution will die Versicherungsbranche anscheinend nichts übers Knie brechen. Das hat auch mit der Skepsis der Kunden zu tun.

| Quelle: peshkov

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) hat in diesem Jahr weltweit enorm an Aufmerksamkeit gewonnen. Entsprechend wird darüber berichtet und spekuliert, was sie heute schon für bestimmte Branchen tut und wie sie diese in Zukunft revolutionieren könnte. Auch in der Versicherungsbranche übernimmt KI bereits manche Aufgaben, wie etwa bei der Versicherungskammer Bayern, und natürlich wird auch heiß darüber diskutiert, inwiefern moderne Softwares die persönliche Beratung bereichern oder sogar ersetzen könnten.

Unter dem Strich finden die meisten KI-Entwicklungen der Assekuranz aber hinter verschlossenen Türen statt und sind noch weit entfernt von der Anwendung beim Kunden. In den Vorstandsetagen deutscher Versicherer geht man sogar zu 70 Prozent davon aus, dass die Möglichkeiten durch Anwendungen wie ChatGPT keine oder nur geringe Auswirkungen auf die grundliegenden Geschäftsmodelle der Versicherer sowie deren Produkte haben werden. Das geht aus einer Befragung der Beratungsfirma Horvath unter rund 40 Versicherungsvorständen hervor.

Gleichwohl sehen 94 Prozent der Befragten für die Bereiche Service und interne Administration ein großes oder sogar revolutionäres Potenzial in KI. Martin Müller, Insurance-Experte bei Horvath, deutet diese Dualität so, dass die Vorstände hinsichtlich der Möglichkeiten von KI erst noch mehr Erfahrungen sammeln wollen und sich die Bewertung hinsichtlich weiterreichender Auswirkungen aufs gesamte Geschäftsmodell bewusst noch offenlassen möchten.

Standardsoftwares sind „state of the art“

In puncto KI nichts zu überstürzen – zum Beispiel durch das Abziehen von Manpower und Budget von anderen Projekten – macht auch deshalb Sinn, weil die Versicherer in den vergangenen Jahren viel in den Ausbau von Dunkelverarbeitung investiert haben. Sei es durch eigene Software-Entwicklungen oder den Kauf externer Lösungen. Laut einer aktuellen Analyse des Software-Herstellers und Unternehmensberaters PPI sind die Hersteller solcher Standardsoftware (Analyse umfasst 21 Anbieter) schon recht weit fortgeschritten.

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So gaben 95 Prozent der Anbieter an, die Schadenbearbeitung beispielsweise nach Massenschäden durch ein Naturereignis, weitgehend dunkel verarbeiten zu können. Zudem erklärten 85 Prozent der Befragten, dass ihre Softwares über solche Massenschäden auch dann entscheiden können, wenn es sich bei der beanspruchten Versicherung nicht um ein so genanntes Indexprodukt handelt. Diese seien für die Maschinen besonders leicht zu verarbeiten, da sie erst dann greifen würden, wenn ein vorher festgelegter Wert überschritten wird.

„Standard-Software hat bereits an vielen Stellen einen hohen Reifegrad erreicht. Damit das Kompositgeschäft profitabel bleibt, müssen die Versicherer noch stärker automatisieren und auch Schäden weitgehend dunkel verarbeiten“, schlussfolgert Tobias Kohl, Partner bei PPI.

Mehrheit der Kunden ist skeptisch gegenüber KI

Dass die Versicherungsbranche ihre große KI-Revolution wahrscheinlich nicht übers Knie brechen wird, hat aber auch mit ihren Kunden zu tun. Einer vollständig automatisierten Schadenabwicklung, zum Beispiel durch eine softwarebasierte Prüfung oder mit Hilfe von KI-Chatbots, stehen 58 Prozent der Deutschen skeptisch gegenüber. Das hat der Digitalverband Bitkom anhand einer Umfrage unter 1.002 Personen ab 16 Jahren herausgefunden.

Zwar wünschen sich 40 Prozent der Deutschen, einen Versicherungsschaden komplett digital erledigen zu können. Die Altersgruppe der ab 65-Jährigen sieht das aber deutlich zurückhaltender (27 Prozent). Ihnen ist besonders wichtig (74 Prozent), dass ihr Versicherungsvermittler als menschlicher Ansprechpartner die komplette Schadenabwicklung für sie übernimmt. Tatsächlich ist dieser Wunsch, laut der Umfrage, aber auch bei den 16- bis 29-Jährigen stark ausgeprägt (63 Prozent).