BaFin rückt Lebensversicherer in den Fokus

Diesen Forderungen müssen Lebensversicherer künftig nachkommen

Fehlanreize verhindern, den Kundennutzen in den Fokus rücken: Das ist das Ziel des BaFin-Merkblatts, in dem die Behörde ihre Forderungen an die Lebensversicherer formuliert. Und die haben es in sich.

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12:05 Uhr | 10. Mai | 2023
BaFin Eingangstür

In der finalen Version des Merkblatts der BaFin geht es weniger um die Bestimmungen zur Vergütung der Vermittler. Auch ist weder von einem Provisionsverbot noch von einem -deckel die Rede. Der Fokus liegt nun auf den Pflichten der Versicherer.

| Quelle: Andreas Rentz

Nach einem guten halben Jahr hat die BaFin das endgültige Merkblatt zu „wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ vorgelegt. Damit will die Behöre verhindern, dass durch Vergütungen und Verkaufsziele beim Vertrieb von kapitalbildenden Lebensversicherungen das eigentliche Kundeninteresse in den Hintergrund rückt. Fehlanreize und Interessenkonflikte sollen also abgewendet, der Verbraucherschutz gestärkt werden.

Wie das jedoch konkret geschafft werden soll, war bisher unklar. Deswegen hat die BaFin im vergangenen Herbst den Entwurf des Merkblatts vorgelegt. Damit richtet sie sich an in- und ausländische Lebensversicherungsunternehmen, die in den Anwendungsbereich der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) fallen und kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte vertreiben. Pensionskassen gehören nicht dazu. Bis zum 15. Januar konnten sich Interessierte mit Hinweisen, Einschätzungen und Meinungen dazu bei der BaFin melden. Der Entwurf selbst war zunächst von Vermittlerverbänden lautstark kritisiert worden, demnach habe sich die BaFin aus Sicht der Verbände zu weit in Sachen Provisionsverbot vorgewagt. Verbraucherschützer hingegen kritisierten den Entwurf als Papiertiger.

Lebensversicherer rücken in den Fokus

Der Ton in dem jetzigen, kürzeren Merkblatt ist im Vergleich zum Entwurf hier und da etwas gemäßigter. Eine zuvor deutliche Kritik der BaFin hat es nicht in das finale Papier geschafft. So ist die Aussage gestrichen worden, dass hohe Abschlusskostenquoten auf die Zahlung hoher Abschlussprovisionen hinweisen könnten, „mit denen gegebenenfalls ein (Fehl-)Anreiz für eine aggressive Verkaufspraxis durch die Versicherungsvermittler gesetzt wird, bei der im Interesse des Vermittlungserfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet“.

In der aktuellen Version des Merkblatts geht es tatsächlich weniger um die Bestimmungen zur Vergütung nach §48a VAG, die in erster Linie die Vergütungen der Vermittler regulatorisch betroffen hätten. Auch ist weder von einem Provisionsverbot noch von einem Provisionsdeckel in dem nun geltenden Papier die Rede. Der Fokus liegt nun auf den Pflichten der Versicherer.

Demnach sollen die Versicherungsunternehmen im Rahmen ihrer Produktkonzeption stärker den Kundennutzen miteinbeziehen. „Wir haben die aufsichtliche Erwartungshaltung formuliert, die auf der Versicherungsvertriebsrichtlinie fußt“, sagt BaFin-Sprecher Norbert Pieper. Ein Nutzen für den Kunden sei unter anderem dann gegeben, heißt es im Merkblatt, wenn ein realer Anlageerfolg sehr wahrscheinlich sei. Lebensversicherungen seien angemessen, wenn sie „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über der langfristigen Inflationserwartung liegt“. Die BaFin orientiert sich, entgegen dem ursprünglichen Entwurf, bei langfristigen Verträgen an dem mittelfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank in Höhe von zwei Prozent. Doch davon ist Deutschland noch weit entfernt: Zwar ging die Teuerungsrate im April leicht zurück, bewegt sich mit 7,2 Prozent dennoch weit jenseits des angepeilten Niveaus. Bei Einmalbetragspolicen, erklärt die BaFin, darf die Rendite allerdings unterhalb der Inflationsrate liegen.

Unterschiedlich hohe Vergütungen prüfen

Im Übrigen sollen die Versicherer auch bei Nettopolicen auf eine angemessene Kostenbelastung achten, fordern die Aufseher. Das heißt konkret: Die Anbieter müssen nun darlegen, wie hoch die Kosten durch die Honorarberatung ausfallen. Auch sollen die Versicherer unterschiedlich hohe Vergütungen für ihre Vermittler berücksichtigen: „Bei der Analyse der Aufwendungen für die Versicherungsvermittler haben die Lebensversicherungsunternehmen auch Abweichungen zwischen verschiedenen Produkten, insbesondere unterschiedlich hohe Abschlussprovisionen, zu berücksichtigen und zu prüfen, ob diese Unterschiede durch einen abweichenden Kundennutzen bedingt sind“, heißt es in dem Papier.

Die BaFin schenkt also den von den Versicherern genannten Produktkosten besondere Bedeutung, das tut sie jedoch nur bei neuen oder wesentlich veränderten Produkten. Die Behörde erwartet, dass die Versicherer die Vertriebsvergütungen, insbesondere Abschluss- und Bestandsprovisionen, genauer prüfen. Auch die Wahrscheinlichkeit früherer Vertragskündigungen (Stornowahrscheinlichkeit) sollen die Gesellschaften in den Blick nehmen. Kommt es zu einer vorzeitigen Stornierung gegen Ende der Ansparphase, müsse auch dann ein angemessener Kundennutzen gewährleistet werden: „Es reicht dann nicht, den Kundennutzen nur auf das Ende der vertraglichen Ansparphase zu beziehen. (…) Andernfalls ist das Produkt für den Zielmarkt nicht geeignet.“

Kickbacks „betrachten“

Auch zum Thema Rückvergütungen, sogenannte Kickbacks, äußern sich die Finanzaufseher: „Die Lebensversicherer haben sich zu vergewissern, ob und in welchem Umfang Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner gezahlt werden.“ Sollten Rückvergütungen direkt an die Vertriebspartner gezahlt werden, müssen Versicherer künftig dabei ganz besonders auf den Kundennutzen achten. „Sie haben dabei ihre eigenen Vergütungszahlungen an ihre Vertriebspartner und die Rückvergütungen insgesamt zu betrachten“, fordert die BaFin. Bei Fondspolicen sollen die Versicherungsunternehmen ebenfalls die Rückvergütungen der Asset Manager an die Versicherer prüfen und gewährleisten, dass Kunden in Form von Überschüssen daran beteiligt werden.

Jene Versicherer, deren Effektivkosten der Produkte (gesamte Ausgaben der Versicherer für ein Produkt inklusive der Vertriebskosten) über dem Branchendurchschnitt liegen, und solche, die überdurchschnittlich hohe Aufwendungen für Versicherungsvermittler zahlen, will die BaFin genauer unter die Lupe nehmen. Auch eine hohe Stornoquote und besagte Rückvergütungen spielen in die Entscheidung mit ein, ob die Behörde einen Versicherer genauer beäugt. Insgesamt 25 Prozent der Lebensversicherer, bei denen die Effektivkosten am höchsten seien und 25 Prozent jener Anbieter mit den höchsten Abschlussprovisionen plant die BaFin genauer zu überprüfen. Eine Handvoll Unternehmen seien derzeit im Prüfungsprozess. 

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) begrüßte unterdessen die Regelungen des Merkblatts der BaFin. „Wir sehen das BaFin-Merkblatt als eine wichtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt“, erklärt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Vor dem Hintergrund der Diskussion um ein EU-weites Provisionsverbot handele es sich um ein gutes Instrument, um Kunden vor Fehlanreizen im Vertrieb zu schützen. „Wir befürworten die Regelungen“, so Heinz.