Check24 vs. Huk-Coburg: EuGH erlaubt Tarifnoten für Versicherungen vorerst
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden (Urt. v. 08.05.2025, Az. C-697/23), dass das Vergleichsportal Check24 vorerst weiterhin Versicherungen mit Noten bewerten darf. Die Huk-Coburg hatte vor dem Landgericht München I gegen das Portal geklagt, weil die Unternehmen aus Sicht der Huk in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen und es sich bei den Noten um unzulässige vergleichende Werbung handele.
Die Parteien streiten vor allem darüber, dass über Check24 Versicherungen mittels sogenannter „Tarifnoten" verglichen werden können. Die Darstellung des Tarifvergleichs ist in den verschiedenen Versicherungssparten im Grunde gleichlaufend konzipiert. Nach Eingabe bestimmter, zum Teil notwendiger, zum Teil zusätzlich möglicher Eckdaten zum Versicherungsnehmer und zum gewünschten Produkt („Filtereinstellungen“) erhält der Nutzer der Seite bezogen auf seine Angaben eine (durch die jeweils zuständige Beklagte generierte) sog. Ergebnisseite angezeigt.
Die Ergebnisseite beinhaltet eine Liste von Versicherungstarifen verschiedener Anbieter. Es werden überblicksartig als wesentlich erachtete Informationen zu dem jeweiligen Angebot präsentiert (zum Versicherer, zum Preis, aber schlagwortartig auch Tarifdetails). Zudem wird in einem rechteckigen, blau umrandeten Feld unter dem Markennamen der Beklagtenseite eine als solche ausdrücklich bezeichnete „Tarifnote“ angezeigt. Diese weist einen Zahlenwert von 1,0 bis 4,0 aus und ist unterlegt mit den durch die aus dem Schulwesen bekannten Notenstufen: „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“ oder „ausreichend“. Diese Darstellung soll Verbrauchern helfen, komplexe Versicherungsbedingungen besser zu verstehen.
Vergleichende Werbung unterliegt strengen Regeln
Doch die Huk-Coburg sah die Bewertungen als unzulässige vergleichende Werbung an und führte an, dass die vergebenen Noten eine falsche Objektivität vorgäben. Nach der Richtlinie 2006/114/EG ist vergleichende Werbung dann gegeben, wenn ein Unternehmen die Produkte oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers direkt oder indirekt mit eigenen Angeboten vergleicht. Solche Vergleiche sind grundsätzlich erlaubt, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: Sie müssen auf objektiven und nachvollziehbaren Kriterien beruhen, und sie dürfen keine irreführenden Eindrücke hinterlassen.
Für die Huk-Coburg war entscheidend, dass die Tarifnoten von Check24 intransparent und unklar in Bezug auf ihre Vergabekriterien waren. Das Landgericht München I hatte daraufhin den EuGH um eine Stellungnahme gebeten, wie die Richtlinie 2006/114/EG in diesem Fall auszulegen sei.
Die Tarifnoten von Check24 können vorerst bleiben – aber die Kriterien müssen transparent und nachvollziehbar sein.Europäischer Gerichtshof
Die Argumentation der Huk-Coburg
Die Huk-Coburg macht zuvorderst geltend, die Darstellung und Vergabe von Tarifnoten, wie von den Beklagten vorgenommen, sei eine unzulässige vergleichende Werbung nach § 6 Abs.2 Nr.2 UWG. Tarifnoten seien keine Eigenschaften eines Produkts und auch nicht sein Preis, sondern reine Werturteile, und damit kein zulässiger Gegenstand vergleichender Werbung. Ein Vergleich mit Tarifnoten, wie ihn die Beklagten bei ihrem Internetauftritt vornehmen, sei deshalb generell unzulässig. Tarifnoten seien auch nicht, wie die Beklagten meinten, eine rechnerische Zusammenfassung von Eigenschaftsvergleichen. Die Eigenschaften von Versicherungsverträgen wie z.B. Deckungssumme, Marderbiss, etc, könnten nicht rechnerisch zusammengerechnet werden. Die Beklagten rechneten subjektive Bewertungen von Eigenschaften und nicht Eigenschaften zusammen. Es gebe aber einen grundlegenden Unterschied zwischen einer Tatsache und seiner Bewertung. Tarifnoten spiegelten insgesamt eine falsche Objektivität vor und hätten ein hohes Täuschungspotential.
EuGH: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Check24 und HUK-Coburg
Voraussetzung, dass die Richtlinie in diesem Fall greift, ist allerdings dass die beiden Unternehmen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Doch das lehnt der EuGH nun ab und stellte fest, dass Check24 keine eigenen Versicherungsprodukte anbietet, sondern ausschließlich als Vergleichsportal fungiert. Huk-Coburg hingegen ist ein Anbieter von Versicherungsprodukten. Die entscheidende Frage war somit, ob die beiden Unternehmen auf demselben Markt tätig sind. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass Check24 und HUK-Coburg nicht als direkte Wettbewerber angesehen werden können, da Check24 keine eigenen Produkte verkauft.
Die EuGH-Entscheidung gibt allerdings nur die Richtung vor: Das Landgericht München I muss nun abschließend prüfen. Sollt es ebenfalls zu diesem Schluss kommen, würde dies bedeuten, dass Check24 nicht als Mitbewerber der Huk-Coburg gilt.
Huk-Coburg und Check24 haben sich schon öfter beharkt
In einem Verfahren aus dem Jahr 2020 vor dem LG Köln gegen Check24 ging es um Kfz-Versicherungen. Hier brachte die Huk-Coburg unter anderem vor, dass der Tarifnotenvergleich gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoße. Das LG Köln folgte dieser Argumentation mit einem rechtskräftigen Urteil vom 19.04.2020. In Reaktion darauf überarbeitete Check24 den Internetauftritt für die KFZ-Versicherung und stellte zusätzliche Informationen zu den Tarifnoten bereit. Im Verlauf des Verfahrens nahm Check24 auch in den anderen, streitgegenständlichen Versicherungssparten entsprechende Anpassungen vor.
BVK kritisiert Urteil scharf
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) kritisiert das Urteil. Der BVK sieht darin einen Rückschritt für den Verbraucherschutz und eine Missachtung der hohen Beratungsstandards, die für den persönlichen Versicherungsvertrieb in Deutschland prägend sind.
„Das Urteil des EuGH ignoriert die Realität des Versicherungsvertriebs im digitalen Zeitalter“, stellt BVK-Präsident Michael H. Heinz fest. „Vergleichsportale wie Check24 beeinflussen maßgeblich die Entscheidungen der Verbraucher und Check24 hat als Versicherungsmakler selbst ein hohes wirtschaftliches Interesse daran, bestimmte Versicherungsprodukte zu vermitteln. Wenn im Vertriebsinteresse komplexe Versicherungsprodukte auf einfache Schulnoten reduziert werden, ohne eine fundierte Beratung zu gewährleisten, ist das irreführend und nicht sachgerecht. Daher wird sich der BVK weiterhin dafür einsetzen, dass alle Marktteilnehmer im Sinne des Verbraucherschutzes – ob online oder offline – denselben hohen Standards in der Kundenberatung unterliegen.“