Wohngebäudeversicherung: Viele Verträge haben „ruinöse Lücken“

Millionen von Wohngebäudepolicen sind lückenhaft. Zudem wächst das Potential an hilfesuchenden Immobilienbesitzern, da Versicherer immer schneller die Reißleine ziehen. Wie Makler helfen können.

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14:03 Uhr | 15. März | 2021
Die Stiftung Warentest bewertet aktuell viele Wohngebäudetarife mit „mangelhaft“. Bild: Adobe Stock/kamiphotos

Die Stiftung Warentest bewertet aktuell viele Wohngebäudetarife mit „mangelhaft“. Bild: Adobe Stock/kamiphotos

Eins zu Eins können jetzt Vermittler eine Überschrift der Stiftung Warentest auf ihre Homepage stellen oder in ihren Blog übernehmen: „Ruinöse Lücken - Wohngebäudeversicherung. Viele Verträge haben große Lücken. Das kann den finanziellen Ruin bedeuten.“ Der aktuelle Test aus März 2021 hat bei 178 Tarifen 79 mangelhafte Bedingungswerke gefunden. Das sind über 44 Prozent. Mangelhaft ist nach Meinung der Verbraucherschützer ein Tarif, der die grobe Fahrlässigkeit nicht bis zur Versicherungssumme absichert. Bei Wohnflächentarifen wird der Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit mindestens bis 500.000 Euro gefordert.

Doch das Ergebnis der Stiftung Warentest ist nur die halbe Wahrheit. Denn es wurden nur aktuelle Tarife getestet. Dabei betrifft das Problem der Lücken Alttarife noch viel stärker. Vor 10, 20 oder 30 Jahren waren die Leistungen der Wohngebäudeversicherung noch viel schlechter. Das erkennen die Verbraucherschützer glücklicherweise, wenn Sie schreiben: „Wer vor Jahren das Haus gekauft und seitdem nie mehr in die Police geschaut hat, sollte sie jetzt unbedingt aus dem Schrank holen.“

Doch nach Einschätzung von Vermittlern wachen die Kunden immer erst auf, wenn das Kind schon mehr oder weniger in den Brunnen gefallen ist. „Rund 40 Prozent der Kunden, die zu uns kommen, wurden bereits vom Versicherer gekündigt und haben dann festgestellt, dass sie über einen Vergleichsrechner im Internet keinen neuen Wohngebäudeversicherer finden“, sagt Klaus Drewicke von der FinaFair Versicherungen GmbH aus Hannover.

Altpolicen dominieren

Auf seiner Homepage macht er nicht nur auf den Verbraucherschutztest aufmerksam, sondern beschreibt auch, was man tut, wenn die Assekuranz gekündigt hat. Und der Policen-Bestand ist vollkommen veraltet. „Die meisten Kunden kommen mit Policen aus den 80er-Jahren“, sagt Björn Olbrich, Geschäftsführer der TBO Versicherungsmakler GmbH aus Kaarst. Die Gründe für die vielen Altverträge sind schnell ausgemacht. Rund zwei Drittel aller Gebäudepolicen sind noch im Bestand der Ausschließlichkeit, schätzen Praktiker. „In ländlichen Gebieten, mit großer Dominanz der Regionalversicherer, ist der Anteil sogar noch höher“, sagt Björn Guido Haag, Geschäftsführer der Richard Böck Versicherungsmakler GmbH aus München.

Angst vor Prämienanstieg

Eindeutig wird der Altbestand an Wohngebäudepolicen von Generalagenten kaum erneuert. Das Credo der Praktiker: Viele Agenten trauen sich einfach nicht, weil dann die Prämie deutlich nach oben gehen dürfte und der Kunde möglicherweise den Wettbewerb prüft.  „Wenn die Kunden das neue Angebot sehen und nur zwei Sekunden googeln haben die Vermittler ein Problem mit dem Preis“, sagt Olbrich. Zudem kommt man schnell in Erklärungsnot. Denn schon 2018 hatte beispielsweise die Stiftung Warentest mangelhaften Schutz bei grober Fahrlässigkeit in vielen Tarifen moniert. Die Frage: Warum wurden bessere Leistung mir als langjährigem Kunden nie angeboten, steht dann schnell im Raum. Generalvertreter haben eben nicht die Verpflichtung die Versicherungsmakler trifft, ihre Kunden regelmäßig auf optimalen Schutz hinzuweisen. „Jeder Kunde, der sich um seine Wohngebäudeversicherung kümmert, wird am Ende besser dastehen“, sagt Makler Haag.

Doch die Kunden kommen selten auf die Idee, beim Versicherungsmakler mit der alten Bestandspolice anzuklopfen. Und selbst die Stiftung Warentest lässt kritische Kunden in den Armen der Ausschließlichkeit. Alte Verträge mit Deckungslücken kündige man richtig, wenn man zunächst den derzeitigen Versicherer fragt, ob er die gewünschten Leistungen hat, so die Verbraucherschützer. Ein unvorstellbar schlechter Rat, für eine Institution, die sich den Marktvergleich auf die Fahnen geschrieben hat.

Ordentliche Kritik verdient zudem das Testdesign der Verbraucherschützer. So erhalten „Verweigerer“ aufgrund der reinen Leistungsbewertung vielfach die Note „sehr gut“. „Die Beiträge sind nicht eingeflossen, sowohl bei den teilnehmenden Gesellschaften als auch bei den Verweigerern. Daher konnten wir auch für die Gesellschaften ein Qualitätsurteil veröffentlichen, von denen wir keine Beiträge genannt bekommen haben“, erläutert die Stiftung auf Anfrage von procontra. Es werde nicht das „Wohlverhalten“ gegenüber den Testern bewertet. Doch damit tricksen die Nichteilnehmer – unter ihnen viele Regional-Versicherer – die Verbraucherschützer klug aus. Denn die möglicherweise wenig konkurrenzfähigen Prämien bleiben so im Dunklen! Vermittler sollten daher gleich neben der Kritik an den Verbraucherschützern mit einem eigenen Maklerprogramm für einen transparenten Preis/Leistungsvergleich sorgen.

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Der zweite Schwerpunkt zur Kundengewinnung von Hausbesitzern bleibt die Kündigungshilfe. Und die wird immer wichtiger, wie die harte Botschaft des höchsten Repräsentanten der Branche zeigt. „Es ist asozial, wenn einige Wohngebäudebesitzer darauf spekulieren, dass die Versicherer ihre Häuser sanieren“, sagt Norbert Rollinger, beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für die Schaden- und Unfallversicherung zuständig. Nach zwei, spätestens nach drei Schäden sei Schluss. Dann gibt es die Änderungskündigung. Dabei flicken die Versicherer gerade einmal einen Bruchteil des Rohrsystems, wenn ein Leck entsteht. Von Haussanierung kann keine Rede sein. „Wer heute einen einzigen Gebäudeschaden hat, sollte aktiv werden und sich auf dem Markt umsehen“, rät Makler Haag.

Auch hier können Versicherungsmakler mit einem echten Pfund wuchern: „Unsere Kunden sind bei Kündigungsambitionen durch den Versicherer sicher“, betont Experte Olbrich. „Denn die Maklerversicherer kommen bei Problemkunden immer erst auf uns zu und bitten um eine Umdeckung.“ Besonders positiv verhielten sich hier die R+V und die InterRisik sowie Assekuradeure, wie Domcura oder Konzept & Marketing. Demgegenüber bekommen vom Versicherer gekündigte Kunden etwa über Vergleichsportale nur Absagen. Denn die Assekuranzen stellen hier die Annahmerichtlinien streng ein, damit sie nicht einer automatischen Negativselektion erliegen.

Die Gefahr der Risiko-Tools

Noch gibt es für gekündigte Hausbesitzer – auch mit älteren Objekten – keinen Versicherungsnotstand, wie auch GDV-Mann Rollinger richtig bemerkt. Doch die Gefahren werden durch digitale Tools, wie ZÜRS, dem Risikosystem für Überschwemmungen, größer. Häuser in Klasse vier sind kaum versicherbar. Und nun promotet das Beraterhaus Arvato Informa den Gebäude-Risiko-Index (GRI), der mit soziodemografischen Daten die Schadenwahrscheinlichkeit voraussagen soll. „Wenn solche Scoring-Modelle den Markt bestimmen, müssen Kunden plötzlich 30 Prozent mehr Prämie zahlen oder sogar eine Kündigung hinnehmen – ohne Schaden – einfach, weil sie durch das Raster gefallen sind“, warnt Makler Haag. Die Helvetia und „einige“ weitere Versicherungsunternehmen nutzen GRI bereits. Das System könnte anfänglich aber die Kunden in die Hände der Makler spülen – sie müssen nur mehr auf sich aufmerksam machen. 

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