R+V: Schlechterstellung der Kunden bei Elementarschutz aufgehoben

Ein Makler wollte Elementarschutz bieten. Bei der Recherche entdeckte er eine Bedingungsänderung der R+V, die Kunden im Ernstfall um die Leistung bringt und Makler in die Haftung. Die R+V hat nach der Kritik eingelenkt, der Zeitpunkt ist strittig.

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10:12 Uhr | 16. Dezember | 2022
Harald Thummet

„Die Neufassung der Wohngebäude-Bedingungen von R+V stellte den Kunden schlechter als die GDV-Bedingungen", sagt Makler Harald Thummet, doch inzwischen wird die Schlechterstellung laut R+V nicht mehr angewendet.

| Quelle: Thummet

Gut Ding will Weile haben, sagt der Volksmund. Vor gut einem Jahr hatte sich Makler Harald Thummet für einen Kunden um eine Elementarversicherung bemüht, die jegliche Form der möglichen Auswirkungen durch den Klimaschutz abdeckt. Der Inhaber der Thummet Versicherungsmakler GmbH in Heroldsberg bei Nürnberg wollte schon aus alter Gewohnheit die R+V empfehlen, bei der er viele Wohngebäudekunden mit Versicherungsschutz versorgt hat. Eher durch Zufall entdeckte er, dass die R+V zwischenzeitlich ihre Bedingungen verändert hatte.

Zum einen schränkte sie den Versicherungsumfang bei Überschwemmung ein, weil in den neueren Elementarschadenbedingungen neben den „erheblichen Wassermengen“ auch gefordert wird, dass „der überwiegende Teil von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks überflutet“ sein muss.

Auf der anderen Seite erweiterten R+V und die zum Konzern gehörende Condor optional gegen Mehrbeitrag per Klausel „Elementar Spezial“ den Schutz auf Schäden durch Eindringen von Wasser durch Fenster, Türen und Lichtschächte, ohne dass hierfür der Tatbestand der „Überflutung“ erfüllt sein muss. Diese Erweiterung und die vorher ausgeschlossene „Teilüberflutung“ sind jedoch auf 50.000 Euro Entschädigung begrenzt.

Mit veränderten AVB umgehen

Thummet hielt dies für eine Verschlechterung der Bedingungen gegenüber den Musterbedingungen des GDV. Dort steht klipp und klar: Als Überschwemmung gilt die Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser. Dies gilt nur, wenn eine Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern, Witterungsniederschläge oder ein Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche als Folge der Ausuferung von oberirdischen Gewässern die Überflutung verursacht haben. „Kein Wort davon beim GDV, dass überwiegende Teile von Grund und Boden, also über 50 Prozent, überflutet sein müssen, wie es nun aber die R+V verlangt, wenn sie für den Schaden aufkommen soll“, ärgerte sich Thummet.

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„Da nutzt es dem Kunden wenig, wenn er gegen Zusatzbeitrag nun „Weitere Naturgefahren Spezial“ in den „Wohngebäude-Bedingungen comfort (Fläche)“ unter Punkt 4.4. absichern kann“, so Thummet. „Denn im Zweifel bleibt er schon auf dem Totalschaden seines Hauses sitzen, weil das Wasser nicht auf dem Grundstück steht, sondern wie im Ahrtal das Haus mit sich gerissen hat“, so der Makler vor einem Jahr. Aber auch diese kostenpflichtige Zusatzdeckung bringe nichts, wenn die Entschädigung auf 50.000 Euro begrenzt ist. „Diese Obergrenze hat die R+V mir ausdrücklich bestätigt, was wiederum meinen Kunden dazu bewogen hat, vom Schutz bei R+V Abstand zu nehmen“, berichtete Thummet am 23. November vergangenen Jahres in „procontra. Das Datum sollte sich der Leser merken, um den Fortgang zu verstehen. 

Wie lange hat sich R+V nicht bewegt?

Die Branchendiskussion mit der R+V führte seinerzeit nach Beobachtung des Maklers nicht zu einem sofortigen Umdenken bei dem Versicherer, also nicht zum vollen Versicherungsschutz nach GDV-Bedingungen. Thummet empfahl seinen Kunden daher andere Gesellschaften, wie Axa, die über eine Sideletter-Vereinbarung der Maklergenossenschaft VEMA bereits Versicherungsschutz bietet, wenn erhebliche Mengen von Niederschlagswasser auf versicherte Sachen wirken. Auch Versicherer, die im Wesentlichen noch die GDV-Musterbedingungen verwenden, wie Baloise, BSG, Concordia oder Helvetia, waren für Thummet wieder „im Rennen“.

Zudem forderte er Maklerverbände und Verbraucherschutz damals auf, sich gegen die Aufweichung der Bedingungen in der Zukunftssparte Elementardeckung zu wehren. Sonst werde die Formulierung der R+V über kurz oder lang auch von anderen Versicherern übernommen, was den Schutz extrem teurer Witterungsrisiken ebenso einschränken würde wie den Wettbewerb. „procontra“ hakte damals - am 18. November 2021 - auch bei der R+V nach – ohne Erfolg, wie die Antwort vom 22. November 2021 ergab.

R+V: Keine Schlechterstellung seit Ende November 2021 

Ein Jahr später gibt es für den Makler eine überraschende Wendung: Auf Nachfrage erhält er ein R+V-Vertriebsrundschreiben, das „procontra“ vorliegt. Darin informiert R+V „zur angeblichen Schlechterstellung der R+V-Kunden im procontra-online-Artikel vom 23.11.2021 in Bezug auf weitere Naturgefahren gegenüber den Musterbedingungen des GDV“. Man habe 2018 aufgrund der unklaren Auslegung des Begriffs „Überflutung des Grund und Bodens“ mit der ergänzenden Formulierung „überwiegender Teil des Grund und Bodens“ eine Konkretisierung und damit eine bessere Transparenz herbeiführen wollen, heißt es darin.

Genau diese Formulierung führte aber zu einer Auslegungsdiskussion, die sowohl die Leistungsfähigkeit von „weitere Naturgefahren“ als auch den Mehrwert der Deckung „Weitere Naturgefahren Spezial“ in Frage stellte. „Dies wollen wir … so nicht stehen lassen“, heißt es in dem Schreiben. Daher erklärt die R+V  „verbindlich“: „Eine Verschlechterung der GDV-Musterbedingungen war niemals beabsichtigt. Sollte sich durch den Einschub „überwiegender Teil“ des Grund und Bodens dennoch eine Schlechterstellung gegenüber den GDV-Musterbedingungen ergeben, werden wir diese nicht anwenden.“

Unstrittig: Schutz nach Makler-Intervention aufgewertet

Dieses Musterbedingungswerk zu „Weitere Naturgefahren“ bildet aber nicht alle Schadenbilder ab, führt R+V im Schreiben weiter aus. Daher bestehe die Notwendigkeit, über „Weitere Naturgefahren Spezial“ weitere Schadenbilder abzusichern. Man biete deshalb Versicherungsschutz auch für Schäden, ohne dass es zu einer Überflutung des Grund und Bodens kommen muss. Darüber hinaus definiert „Weitere Naturgefahren Spezial“ Starkregen als eigene Gefahr, so der Versicherer weiter.

Damit schließe man eine Deckungslücke, denn die GDV-Musterbedingungen zu „Weitere Naturgefahren“ definieren Starkregen nicht als eigene Gefahr, sondern als möglichen Auslöser für eine Überflutung. „Damit gehen wir über den Marktstandard hinaus“, betont der Versicherer in dem Schreiben, das von den Verantwortlichen für Privatkunden/Unfall sowie Privatkunden Multiline unterschreiben ist. „R+V ist jetzt wieder auf Kurs“, freute sich Makler Thummet gegenüber procontra.

R+V dringt dennoch auf Richtigstellung 

Der Versicherer sieht das aber nun zeitlich falsch dargestellt. „Die R+V hat den Vermittlern bereits im November 2021 garantiert, dass kein Kunde im Elementarschutz schlechter gestellt wird als in den GDV-Musterbedingungen“, heißt es jetzt aus der Pressestelle gegenüber procontra. Das überrascht in mehrfacher Hinsicht. Erstens hätte R+V der Redaktion doch sicherlich gern von diesem Fortschritt innerhalb der letzten acht Tage im November 2021 gegenüber der Antwort vom 22. November 2021 berichtet, was nicht erfolgt ist. Zweitens erfuhr auch Makler Thummet von dem Einlenken erst am 16. November 2022, also fast ein Jahr danach. Sein aktueller Maklerbetreuer kannte das Schreiben bis 16. November 2022 (!) auch nicht. Drittens ist das Vertriebsrundschreiben – sehr ungewöhnlich – überhaupt nicht datiert.

„Zum Stil guter Zusammenarbeit hätte gehört, dass der Versicherer mich, der die R+V auf die Schlechterstellung der Kunden angesprochen hatte, ebenso wie meinen Maklerbetreuer zeitnah informiert“, wundert sich Thummet. Nicht nur er fragt sich, ob dieses undatierte Vertriebsrundschreiben viele andere Makler überhaupt schon erreicht hat, und falls ja, zu welchem Zeitpunkt.