Gegen den Trend
Während die Gesamtzahl der Pkw-Fahrer, die zwischen 2013 und 2023 an Unfällen mit Verletzten oder Getöteten beteiligt waren, um 12 Prozent auf rund 303.800 zurückging, verzeichnete die Altersgruppe ab 75 Jahren einen Anstieg von 26 Prozent auf etwa 21.500 Beteiligte. Bemerkenswert ist, dass 77 Prozent dieser Senioren 2023 als Hauptverursacher der Unfälle galten – ein Anstieg von 28 Prozent gegenüber 2013.
Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) identifiziert zwei Hauptfaktoren für den Anstieg:
Zunahme der Fahrleistung: Die von der Generation 75plus mit dem Auto zurückgelegte Strecke nahm zwischen 2008 und 2017 um knapp 95 Prozent zu.
Nachlassende kognitive Fähigkeiten: Ab 75 Jahren sinken Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit, was insbesondere in komplexen Verkehrssituationen zu einem erhöhten Unfallrisiko führt.
Die Zahl der Führerscheinbesitzer ab 75 Jahren hat sich zwischen 2015 und 2024 mehr als verdoppelt – von knapp 2,5 Millionen auf fast 5,9 Millionen. Besonders stark ist der Anstieg bei Frauen: von rund 0,7 Millionen auf 1,9 Millionen im gleichen Zeitraum.
Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit empfiehlt die UDV sogenannte Rückmeldefahrten. Dabei erhalten Senioren nach einer 45-minütigen Fahrt im eigenen Auto eine vertrauliche Rückmeldung von Experten. Diese Maßnahme hat keine Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis und soll helfen, das Fahrverhalten anzupassen, beispielsweise durch das Meiden von Stoßzeiten oder unbekannten Strecken.
Nach neuen EU-Bestimmungen muss Deutschland in den kommenden vier Jahren eine von drei Auflagen an die Erneuerung des Führerscheins alle 15 Jahre knüpfen: Selbstauskünfte, Gesundheitschecks oder alternative Maßnahmen. Für Autofahrende ab 75 Jahren sind Rückmeldefahrten laut GDV am besten geeignet. Die UDV hat in zwei Forschungsprojekten nachgewiesen, dass Probanden sicherer und souveräner fuhren.
Ob sich diese Entwicklung trotz der Maßnahmen auf die Kfz-Tarife auswirken wird, ist noch unklar. Die steigende Unfallbeteiligung älterer Fahrer könnte zu einer Anpassung der Risikobewertung und somit der Prämien führen. Auch wären differenziertere Tarife denkbar.
Gerade in ländlichen Wohngebieten mit einer schlechten ÖPNV-Infrastruktur sind alte Menschen häufig auf das Auto angewiesen, um den Einkauf, Besorgungen und Arzttermine zu erledigen. Hinzukommt, dass die eigene Mobilität nachlässt und der Partner unter Umständen gepflegt werden muss, deshalb können zu schnelle Verbote, wie sie teils gefordert werden, nicht die Lösung sein.