„Schlechte Schadenquoten können eine existenzielle Bedrohung für Makler werden“
procontra:
Herr Wolf, seit Jahresbeginn ist ihr Wassersensor jetzt am Markt. Wie hat er sich bislang bewährt?
Sascha Wolf:
Der IoT-Sensor ist nur eine Komponente für unseren Leckage-Service, zur Reduktion der Schadenquote. Er hilft dabei den Leitungswasserfluss zu digitalisieren. Die hier gewonnenen Daten werden direkt in unsere Cloud geschickt. Hier wird dann die zweite Komponente unseres Konzepts tätig: die künstliche Intelligenz. Diese erkennt anhand verschiedener Parameter, wie beispielsweise der Dauer oder des Zeitpunkts des Verbrauchs, Verbrauchsmuster – also beispielsweise den Verbrauch einer Spülmaschine oder Dusche. So ist es uns auch möglich, Abweichungen von gewöhnlichem Verbrauch festzustellen, die dann weiter analysiert werden. Schließlich werden dann verschiedene mögliche Prozesse getriggert – vom Informieren des Besitzers oder Versicherers bis hin zur Buchung eines Reparaturtermins.
Wolf:
Im Vergleich zu einem einfachen Algorithmus auf einem Gerät hat die Künstliche Intelligenz in einer Cloud den großen Vorteil, dass hier Daten und Informationen aller Häuser anonymisiert zusammenlaufen, wodurch Lerneffekte signifikant beschleunigt werden und der Mehrwert für unsere Kunden automatisch steigt. Das Gebäude in Hamburg profitiert somit von den Erfahrungswerten des Hauses in München, die Gebäudelandschaft in Deutschland von den Daten aus Italien. Das ist ein selbstlernendes neuronales Netzwerk, das mit proprietären Leitungswasserdaten gespeist wird und somit in der Lage ist, sehr schnell zu lernen.
procontra:
Das klingt natürlich imposant, aber funktioniert die Technik auch wie gewünscht? Schließlich braucht die KI ja auch erst einmal eine ausreichende Datengrundlage.
Wolf:
Ja, das funktioniert. Die von uns entwickelte Technologie hat ja bereits eine längere Entwicklungsgeschichte hinter sich, in deren Rahmen sie auch ausgiebig geprüft wurde. Das heißt: Die derzeitigen gewonnenen Daten sind nicht nötig, um die grundlegende Dienstleistung der Leckage-Erkennung zu erbringen. Jetzt messen wir uns an Ergebnissen.
Wolf:
Um die Frage zu beantworten, ob und in welcher Form sich unsere Technologie für einen bestimmten Bestand rentiert hat, braucht es einen längeren Zeitraum. Wir haben bislang sehr gute Ergebnisse erzielt, ohne jetzt aber konkrete Zahlen zur Schadenreduzierung nennen zu können – dafür ist der Zeitraum noch zu kurz und die Sub-Samples bei unseren Versicherungspartnern, also Ein- und Mehrfamilienhäuser, Gewerbe, zu unterschiedlich. Wir spüren aber eine riesige Akzeptanz – bei den Versicherern sowie bei deren Kunden.
Wolf:
Um das maximale Einsparpotenzial zu erreichen, ist natürlich auch ein Mitwirken und effizientes Handeln des Versicherers notwendig. Wenn die Prozesse richtig abgestimmt sind, können Versicherer nach unseren Berechnungen Schadenkosten in Höhe von bis zu 70 Prozent einsparen. Das wäre natürlich ein absoluter Gamechanger. Zumal unser Konzept ja auch noch ein weiteres Problem angeht.
Wolf:
Die ESG-Impact-Perspektive. Austretendes Leitungswasser ist nicht mehr nur ein wirtschaftlicher Schaden, sondern auch ein ökologisches Problem. In Deutschland gehen jeden Tag 1,3 Milliarden Liter Trinkwasser auf dem Weg zum Endverbraucher verloren. Das Problem hat somit nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine ökologische Seite, für die wir beide eine Lösung bieten. Hier kann man auch als Versicherer, der Nachhaltigkeit ernst meint, vorangehen.
procontra:
Wie viele Versicherungsverträge haben Sie bislang im Bestand bzw. wie viele Geräte verkauft?
Wolf:
Wir betreiben einen eigenen Versicherungsbestand als Assekuradeur, mit dem wir quasi Pionierarbeit für die gesamte Branche leisten. Wir haben erstmals einen Versicherungstarif an den Markt gebracht, der ausschließlich in Kombination mit unserem one.drop Sensor erhältlich ist, um so den Anteil von Leitungswasserschäden deutlich zu reduzieren. Wie groß dieser Bestand ist, kommunizieren wir nicht. Es ist auch nicht die Größe, die für uns entscheidend ist, sondern die Erkenntnisse, die wir darin gewinnen, die wir dann wieder in unsere Kooperationen mit unseren Partnern einbringen können.
Wolf:
Das verstehe ich. Ich kann nur so viel sagen, dass der Immobilienwert, den wir mit unserer Dienstleistung schützen, bei fast 6,5 Mrd. Euro liegt. Unser eigener Versicherungsbestand ermöglicht uns eine viel schnellere Test & Learn Geschwindigkeit, das war insbesondere in der frühen Phase für uns ein enormer Vorteil. Wir können schneller demonstrieren, wie eine wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Wohngebäudeversicherung der Zukunft aufgestellt sein muss – weg vom reaktiven, hin zu einem proaktiven Ansatz. Außerdem ermöglicht uns das auf Augenhöhe mit Wohngebäudeversicherern sprechen zu können. Wir kennen ihre Herausforderungen und Bedürfnisse, weil wir sie selbst erleben, und können dadurch nachhaltig helfen. Letztlich sollen von unserer Technologie ja nicht nur die Kunden in unserem Bestand profitieren, sondern möglichst alle Eigentumsbesitzer und deren Versicherer.
procontra:
Sie kooperieren bislang mit der Gothaer sowie seit diesem Jahr auch mit der SHB. Wie sieht es mit Kooperationspartnern in der Versicherungsbranche aus?
Wolf:
Das ist richtig. Wir kooperieren mit diesen und auch weiteren Versicherern. Weitere Partnerschaften werden wir auch in den nächsten Wochen offiziell bekannt geben.
procontra:
Darüber hinaus kooperieren Sie auch mit Maklern. Welchen Nutzen haben diese von einer Kooperation?
Wolf:
Wir arbeiten insbesondere mit Gewerbemaklern zusammen, die stark auf die Wohnungswirtschaft ausgerichtet sind, beispielsweise mit der Zielgruppe Hausverwaltungen. Hier ist das Exposure in den Beständen der Makler natürlich auch sehr gebäudeversicherungslastig. Soll bedeuten, dass Makler, die sich auf die Wohnwirtschaft fokussieren, ein überproportional großes VGV Portfolio haben und wenn Provisionen an die Schadensquote gekoppelt sind, dann können schlechte Schadenquoten eine existenzielle Bedrohung für diese Makler werden. Makler haben somit ein intrinsisches Interesse daran, dass die Schadenquote möglichst gering bleibt.
procontra:
In der Branche gibt es Stimmen, die glauben, dass Gebäudeversicherer – ähnlich wie jetzt Cyberversicherer – künftig verstärkt Vorbedingungen stellen, damit man Versicherungsschutz bekommt. Hierdurch könnte die Prävention deutlich gestärkt werden. Ein realistisches Szenario?
Wolf:
Ich glaube fest daran, dass Prävention ein Standard in der Gebäudeversicherung werden wird. Es gibt die Technologie, sie ist verfügbar und bezahlbar, und wirkt sich unmittelbar auf die Profitabilität der Versicherer aus. Die Kosten sind dabei aber meiner Meinung nach nicht der einzige Treiber, sondern eben auch das Thema Nachhaltigkeit. Wasser ist seit diesem Jahr beispielsweise Bestandteil der EU-Taxonomie. In einem ersten Schritt müssen dieses Jahr circa 50.000 Unternehmen in Europa ihren nachhaltigen Umgang mit Wasser darlegen – und dazu gehören auch Leitungswasserverluste. Auch dieses Streben seitens der Europäischen Union wird dazu führen, dass es künftig möglichst keine Gebäude mehr ohne Leckage- bzw. Präventionssysteme zur Vermeidung von Trinkwasserverlust geben wird. Es ist keine Frage des ob, sondern eine Frage des wann.