Urteil des Bundessozialgerichts

Psychische Erkrankung kann Berufskrankheit sein

Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann als Berufskrankheit in der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt werden. Mit diesem historischen Urteil hat das Bundessozialgericht erstmals eine psychische Erkrankung zur Berufskrankheit erklärt.

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15:06 Uhr | 22. Juni | 2023
Bundessozialgericht

Erstmals hat das Bundessozialgericht entschieden, dass eine psychische Erkrankung eine Berufskrankheit sein kann.

| Quelle: Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Donnerstag eine wegweisende Entscheidung gefällt: Zum ersten Mal in der Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung haben die Kasseler Richter eine psychische Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt (Az.: B 2 U 11/20 R). In dem Verfahren ging es um die Klage eines Rettungssanitäters, der nach mehreren Einsätzen unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) litt.

Psychische Erkrankungen waren bislang kein Bestandteil der offiziellen Berufskrankheitenverordnung, nach der die gesetzliche Unfallversicherung über Leistungsansprüche entscheidet. Nun hat das BSG die Posttraumatische Belastungsstörung als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt.

Der verhandelte Fall im Detail: Als Rettungssanitäter im baden-württembergischen Esslingen hatte der Kläger mehrere traumatisierende Ereignisse erlebt, darunter den Amoklauf in Winnenden 2009 und den Suizid durch Selbstenthauptung zweier miteinander befreundeter Mädchen.

Klage und Berufung scheitern

2016 wurde bei ihm, nachdem er zusammengebrochen war, eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die gesetzliche Unfallversicherung sowohl das Vorliegen eines Arbeitsunfalls als auch die Anerkennung der PTBS als Berufskrankheit ab. Darüber hinaus handele es sich bei der Erkrankung auch nicht um eine „Wie-Berufskrankheit“, so die weitere Begründung. Es gebe keine „neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse“, dass „Rettungsdienstmitarbeiter durch ihre berufliche Tätigkeit mit einhergehenden psychischen Belastungen körperliche oder geistig-nervliche Erkrankungen erlitten“.

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Klage und Berufung des Rettungssanitäters blieben  erfolglos. Die Begründung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg: Rettungssanitäter seien während ihrer Arbeitszeit zwar einem erhöhten Risiko der Konfrontation mit traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt. Allerdings gebe es keine ausreichend gesicherten, neuen medizinischen Erkenntnisse, aus denen hervorgehe, dass Rettungssanitäter ein deutlich erhöhtes Risiko für eine beruflich verursachte Posttraumatische Belastungsstörung aufweisen.

Das Bundessozialgericht erkannte nun aber doch einen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Konfrontationsrisiko eines Rettungssanitäters mit traumatischen Ereignissen und seiner Erkrankung. Dieser Zusammenhang ergebe sich aus internationalen Diagnoseschlüsseln sowie den Leitlinien der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften. Kurzum: Es muss davon ausgegangen werden, dass die posttraumatische Belastungsstörung auf die traumatischen Ereignisse zurückgeht.

Die Berufsgenossenschaft muss folglich die posttraumatische Belastungsstörung wie eine Berufskrankheit behandeln, auch wenn sie nicht in der Berufskrankheitsverordnung aufgeführt ist.

Allerdings muss nun noch festgestellt werden, ob der Mann wirklich unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung litt. Zudem muss festgestellt werden, ob etwaige „konkurrierende“ Ereignisse im Privatleben des Manns die PTBS ausgelöst haben können. Aus diesem Grund verwies das BSG den Fall zurück ans Landessozialgericht.