OLG Hamm: Lücke bei Allgefahrendeckung

Versicherungsbedingungen unterliegen einem steten Wandel, gerade in der Gewerbeversicherung. Makler sollten Firmenkunden-Policen regelmäßig prüfen. Hinweise dazu liefern Urteile zur Gewerbeversicherung. Heute: Lücken in der Allgefahrendeckung.

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08:02 Uhr | 27. Februar | 2019
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Ob bei der Allgefahrendeckung ein Leistungsausschluss vorliegt, ist einzig vom Versicherer zu beweisen, sagt Rechtsanwalt Tobias Strübing. Bild: Wirth Rechtsanwälte

Trotz augenscheinlich ausreichendem Versicherungsumfang kann es bei näherer Betrachtung zu einer Lücke im Versicherungsschutz kommen (procontra berichtete). Nach einer Bedarfsanalyse können Makler auch Deckungslücken im Sinne einer Individualvereinbarung beim Versicherer nachverhandeln.

Dass dies hilfreich ist, belegt der folgende Fall. Hier zeigen sich die Tücken einer Allgefahrendeckung. Anders als der Name vermuten lässt, ist nicht jedes Risiko mitversichert.

Sachverhalt

Eine Firma hatte Windkraftanlagen mit einer Maschinen- und Betriebsunterbrechungsversicherung (Allgefahrendeckung) versichert. Pro Schadenfall wurde ein Selbstbehalt des Kunden von 5.000 Euro vereinbart. Eine Allgefahren-Absicherung, in der Industrie- und Gewerbeversicherung weit verbreitet, schützt Sachen und Gebäude gegen alle erdenklichen Gefahren. Da diese Risiken nicht explizit benannt werden, grenzt der Versicherer in den AVB den Umfang wiederum mit Ausschlüssen ein.

Im konkreten Fall waren Schäden ausgenommen, die durch eine betriebsbedingte vorzeitige Abnutzung der Windkraftanlagen entstanden sind. Als die Windräder eines Tages stillstanden, sollte die Versicherung für den Ausfall aufkommen. Der Versicherer zahlte aber nur die Ingenieurkosten von 10.000 Euro für die Ermittlung der Ursache (Getriebeschaden), verweigerte aber die Zahlung der Reparaturkosten für den Getriebeschaden und die Betriebsunterbrechung in Höhe von rund 109.000 Euro. Beide Seiten stritten um den Umfang eines Leistungsausschlusses bei der Allgefahrenversicherung.

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Entscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm prüfte zunächst, ob ein Versicherungsfall vorlag. Dass ein Schaden vorlag, war unstrittig. Zunächst günstig für den Betreiber, dass er nicht erklären musste, weshalb es zum Schaden kam. Laut AVB musste der Schadeneintritt unvorhersehbar sein. Dafür wiederum reicht eine pauschale Behauptung aus.

Dem Versicherer blieb nur, konkret zu beweisen, warum der Schaden nicht unvorhersehbar gewesen ist. Dann wiederum hätte die versicherte Firma diese Tatsachenbehauptung widerlegen müssen, um den Schaden bezahlt zu bekommen. Soweit ging es jedoch vor Gericht gar nicht in die juristischen Feinheiten.

Der Versicherer konnte zwar die Unvorhersehbarkeit nicht widerlegen, konnte aber beweisen, dass ein Leistungsausschluss vorlag. Der Sachverständige ermittelte nämlich die Ursache des Stillstandes - eine betriebsbedingte vorzeitige Abnutzung eines Bauteiles.

Somit gab das OLG Hamm dem Versicherer mit Urteil vom 27. April 2018 Recht – er muss für Reparatur und Betriebsunterbrechung nicht zahlen (Az.: 20 U 203/14 - rechtskräftig). Die Richter sprachen dem Betreiber lediglich 22.500 Euro für die Beseitigung von Schäden an benachbarten Bauteilen (Lager) zu.

Praxistipp

Im Rahmen der Schadenanzeige reicht es zunächst aus, wenn die versicherte den Schaden angibt. „Ob und inwieweit dann ein Ausschluss vorliegt, muss der Versicherer beweisen“, sagt Rechtsanwalt Tobias Strübing, Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Nach der Schadenmeldung brauche der Kunde nichts weiter zu veranlassen.

„Gerade bei technisch komplexen Anlagen werde der Beweis eines Leistungsausschlusses in der Regel nur mit Hilfe eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen möglich sein", betont der Fachanwalt für Versicherungsrecht. Kommt der Gerichtsgutachter – wie hier - zu einem für den Versicherten ungünstigen Ergebnis, „bleibt der Firma nur der Weg, das Gutachten anzuzweifeln und auf eigene Kosten ein Gegengutachten zu beantragen“, meint Strübing.

Allerdings ergäbe dies letztlich nur ein Parteigutachten. Vor Gericht würde dann erneut ein Gerichtsgutachter entscheiden. „Daher sollte man sich das Kostenrisiko genau überlegen“, rät Strübing. Hilfreich sei hier eine Firmen-Rechtsschutzversicherung.

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