Urteil

Folgen von Mobbing: Arbeits- oder Berufsunfähigkeit?

Ein Arbeitnehmer fühlte sich von seiner Vorgesetzten gemobbt und meldete sich arbeitsunfähig. Sein Krankentagegeldversicherer war jedoch der Auffassung, der Mann sei berufsunfähig – Krankentagegeld müsse demzufolge nicht mehr gezahlt werden. Der Streit landete schließlich vor Gericht.

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13:04 Uhr | 11. April | 2023
Mobbing

Ein Arbeitnehmer fühlte sich gemobbt und damit arbeitsunfähig. Mit seinem Krankentagegeldversicherer entbrannte daraufhin ein Streit.

| Quelle: Bojan89

Wer längerfristig erkrankt, ist in der Regel glücklich, wenn er eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hat. Diese ersetzt nämlich den Verdienstausfall. Allerdings hören diese Zahlungen in der Regel auf, sobald beim Arbeitnehmer eine Berufsunfähigkeit festgestellt wird. Wann allerdings eine Berufsunfähigkeit vorliegt, ist häufig zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer strittig. Über einen sehr speziellen Fall hatte neulich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az: 16 U 112/22, Urteil vom 20. März 2023) zu entscheiden.

Konkret ging es um einen 1960 geborenen Mann, der in der Finanzverwaltung tätig war. Mit einer Vorgesetzten kam es seit 2017 offenbar immer wieder zu schwerwiegenden Problemen, so dass der Mann gar von Mobbing gegen sich sprach. Seit Mai 2019 war der Mann schließlich krankgeschrieben.

Kein Krankentagegeld mehr wegen Berufsunfähigkeit

Von März bis April ging der Mann zur Rehabilitation in die Schön-Klinik nach Bad Bramstedt. Die Ärzte diagnostizierten hier eine wiederkehrende depressive Störung. Im Entlassungsbericht wurde festgehalten, dass der Mann die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur noch in einem Umfang von weniger als drei Stunden ausüben könne. Ausschlaggebend hierfür seien die unlösbaren Vorgesetztenkonflikte. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe allerdings die volle Leistungsfähigkeit.

Der Mann hatte seit dem 43. Tag seiner Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in Höhe von 165 Euro am Tag von seinem privaten Krankenversicherer erhalten. Dieser teilte seinem Kunden im Mai mit, die Zahlung des Krankentagegeldes zu Ende August einzustellen – schließlich sei der Versicherungsnehmer berufsunfähig. Die Leistungspflicht des Versicherers entfalle deshalb gemäß der Vertragsbestimmungen.

Hiergegen klagte der Mann, der im Oktober eine neue Stelle bei seinem Arbeitgeber angenommen hatte. Für den September verlangte er allerdings, dass ihm der Versicherer sein Krankentagegeld weiter auszahle. Er sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in seinem Beruf als Verwaltungsangestellter voll leistungsfähig gewesen. Nur aufgrund der Konflikte mit seiner Vorgesetzen habe er seine Tätigkeit an dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz nicht ausüben können. Damit sei er arbeitsunfähig, nicht aber berufsunfähig gewesen. 

Vor dem Landgericht Flensburg scheiterte der Mann zunächst mit seiner Klage. Maßgeblich für seine Erwerbsunfähigkeit sei dessen konkreter Arbeitsplatz, so das Landgericht. Hiergegen ging der Versicherungsnehmer in Berufung: Entscheidend sei die ausgeübte Tätigkeit und nicht der Arbeitsplatz, so sein Argument.

Tätigkeit nicht mit Arbeitsplatz gleichsetzen 

Und diesem folgte auch das Oberlandesgericht. Der Begriff der beruflichen Tätigkeit dürfe nicht mit dem Arbeitsplatz gleichgesetzt werden. Die Unfähigkeit, der konkreten Tätigkeit am Arbeitsplatz nachzugehen, dürfe darum nicht automatisch mit einer Berufsunfähigkeit gleichgesetzt werden.

Laut medizinischem Gutachten habe der Mann aber jede seiner zuvor ausgeübten Tätigkeiten als Leiter der strategischen Finanzplanung weiter uneingeschränkt ausüben können. Lediglich die besonderen Umstände am Arbeitsplatz machten ihm das unmöglich. Somit sei der Mann zwar arbeitsunfähig, nicht aber berufsunfähig gewesen.

Der Versicherer muss folglich auch für den Monat September das vereinbarte Krankentagegeld auszahlen.