Vorbild oder abschreckendes Beispiel?

„Das Provisionsverbot in den Niederlanden ist nicht haltbar“

In den Niederlanden würden Verbraucher vom Provisionsverbot profitieren, das Land dient auch Verbraucherschützern gerne als Vorbild. Aus dem Land selbst sind jedoch deutlich andere Stimmen zu hören.

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13:06 Uhr | 08. Juni | 2023
Verwelkte Tulpen

Die Niederlande dienen als Blaupause für die positiven Folgen, die ein Provisionsverbot hätte. Der Präsident des niederländischen Maklerverbands sieht das, naturgemäß, etwas anders.

| Quelle: Berkpixels

In der Diskussion um ein mögliches Provisionsverbot für Makler wird die Niederlande häufig als Positiv-Beispiel herangezogen. Seit 2013 ist es dort untersagt, komplexe Versicherungs- und Finanzprodukte wie Lebensversicherungen, Hypotheken, Bestattungsversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen auf Provisionsbasis zu vertreiben. Seitdem erhalten Vermittler von den Anbietern keine Zahlungen mehr. Hierzulande lautet der Tenor aus dem Lager der Provisionsbefürworter: In den Niederlanden klappt es doch, warum sollte es in Deutschland anders sein? Aber: Stimmt das überhaupt?

Roger van der Linden, Präsident des niederländischen Maklerverbands ADFIZ und dadurch mit entsprechender Agenda, sagt: Nein. „Ich komme aus dem Schattenland der Provision“, erklärt Linden auf einem Branchenevent des Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) am Mittwoch. Doch von Anfang an. In den Niederlanden sei die Situation vor ein paar Jahren eine andere gewesen als in Deutschland, meint Linden. So habe es tatsächlich viele Produkte mit teilweise hohen Provisionen gegeben, Fehlberatungen und der Verkauf der Produkte durch nicht sachverständige Berater seien nicht selten gewesen. „Das Vertrauen in den Versicherungsmarkt war zerstört.“

Daraufhin zog die Regierung die Reißleine mit entsprechenden Folgen für die Vermittler: „Alles soll im Voraus arrangiert und verabredet werden.“ Makler müssen Kunden die Unterschiede zwischen Gebühren (Fee) und Provisionen erläutern und darüber aufklären, dass sie auch dann eine Gebühr erhalten, wenn am Ende kein Produkt vermittelt wird. Im Anschluss wird eine Auftragsbestätigung erstellt, in der die Kosten- und Zahlungsbedingungen genau erklärt werden. Erst wenn der Kunde dieses Dokument schriftlich bestätigt hat, beginnt die eigentliche Beratung.

4 von 5 Selbstständige ohne Arbeitsschutz

Die niederländische Regierung hat 2018 im Zuge einer Evaluierung das Verbot als erfolgreich und wirksam bewertet. So seien Produkte, die auf Provisionsmaximierung ausgelegt waren, vom Markt verschwunden. „Berater wählen Versicherungsprodukte objektiver aus, da Provisionsüberlegungen keine Rolle mehr spielen“, heißt es.

Linden hingegen kann sich der positiven Bewertung nicht anschließen. Er spricht von „immer größer werdenden Probleme. Unser Modell ist nicht haltbar.“ Demnach hat die Anzahl der Haushalte, die über kein finanzielles Polster verfügen, zugenommen: 25 Prozent der Familien in den Niederlanden sind laut einer Studie von Deloitte, NIBUD (Nationales Institut für Haushaltsfinanzierung) und der Universität Leiden, finanziell betrachtet „gefährdet“. Zudem kümmern sich laut Linden gerade Kleinunternehmer oft nicht mehr für ihre Altersvorsorge. Vier von fünf Freiberuflern haben zudem keine Berufsunfähigkeitsversicherung.

„Das Verbot funktioniert nicht“

Es sei genau das passiert, wovor auch in Deutschland aktuell gewarnt wird: Kleinanleger, die weniger wohlhabend sind, nutzen die Beratung zu komplexen Produkten seltener. Der Fokus hat sich weg von komplexen Versicherungsprodukten hin zu „Abholprodukten“ verschoben.

Die niederländische Regierung ignoriere den Beratungsmangel. Dazukommt: Direktanbieter werden bevorteilt, denn Aftersales seien im Produktpreis eingeschlossen und für Kunden intransparent. Zumal Direktanbieter den „Schleichweg Execution only“ nutzen und entsprechend im Vorteil seien. Das Fazit des Interessenvertreters: „Es gibt zwar keine Fehlberatung mehr, aber auch keine Kundenberatung. Es wird behauptet, dass es bei uns funktioniert, aber das tut es nicht.“

Ein Provisionsverbot lasse sich nur mit eklatanten Missständen rechtfertigen, betont Wissenschaftler Professor Thomas Köhne von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. „Aber die sehe ich hier nicht, sondern nur Einzelfälle“, so Köhne auf dem BDVM-Symposium.