BVK identifiziert problematische Vergütungselemente
Mit der BVK-Strukturanalyse, die der BVK bereits seit Jahrzehnten alle zwei Jahre durchführt, zeigt der Verband erneut, dass die große Mehrzahl der Versicherungsvermittler nicht den Großverdienern zuzurechnen ist. Vermittler müssen hart arbeiten, um ein ordentliches Einkommen zu verdienen, und manchmal nicht einmal das. Sie finanzieren ein Büro und beschaffen damit Vermietern ein Einkommen. Sie beschäftigen Mitarbeiter und sichern damit die finanzielle Zukunft von deren Familien. Ihre Zeit widmen sie den Kunden und helfen dabei keineswegs nur dann, wenn ausnahmsweise einmal eine hohe Abschlussprovision winkt, sondern immer auch dann, wenn der Kunde einen Schaden hat, eine Frage zu seinem Vertrag klären möchte oder bestehende Verträge auf ihre Passgenauigkeit überprüft sehen will.
Wie bei jeder der letzten Studien, hat der BVK auch diesmal zusätzlich zu den seit Jahrzehnten erhobenen betriebswirtschaftlichen Strukturdaten aktuelle Themen aufgegriffen. Diesmal wollte der BVK unter anderem mehr darüber wissen, ob und in welchem Ausmaß Anreize und Verkaufssteuerungen eingesetzt werden, die das Risiko einer Fehlsteuerung gegen das Kundeninteresse mit sich bringen.
Provisionsniveaus
Einfirmenvertreter weisen deutlich häufiger als Makler und Mehrfachvertreter ein unterdurchschnittliches und zu fast zwei Dritteln ein durchschnittliches Provisionsniveau auf. Die in dieser Stichprobe vertretenen Makler hingegen verzeichnen zu deutlich mehr als zwei Dritteln ein überdurchschnittliches Provisionsniveau. Mehrfachvertreter bewegen sich dazwischen. Bedingt durch den Zugangsweg für die Umfrage über die berufsständischen Organisationen BVK und AVV dominiert die Ausschließlichkeit in dieser Stichprobe mit 90,8 Prozent Anteil (1.308 Teilnehmer). Das ist leicht mehr als in der vorangegangenen Studie vor zwei Jahren. Weiter sind 59 Mehrfachvertreter (4,1 Prozent) und 73 Makler (5,1 Prozent) in der Stichprobe vertreten.
Thema Anreize und Verkaufssteuerung betrachtet
Der Verband betrachtet Geschäftspläne, Wettbewerbe und Incentives ebenso kritisch wie Vergütungssysteme, die einseitig auf einmalige Abschlussprovisionen oder auf das Überschreiten von Schwellenwerten bei der Produktionsleistung ausgerichtet sind. „Von den Versicherungsunternehmen erwarten wir ein ausgeprägtes Risikobewusstsein in Bezug auf die in § 48a VAG festgelegten Regeln zur Vergütungs- und Anreizgestaltung und die Gewährung auskömmlicher und nachhaltiger Provisionen, die das langfristige Interesse an zufriedenen Kunden unterstützen“, heißt es von dem Verband.
Für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten gibt es weitergehende Regelungen. „Die IDD will insbesondere für den Kunden schädliche Interessenkonflikte vermeiden oder unvermeidliche Interessenkonflikte offenlegen, damit sie bei der Kundenentscheidung berücksichtigt werden können“, so der BVK. Typisch sind Interessenkonflikte im Verhältnis zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, laut BVK dann, wenn marktüblich der Versicherer den Vermittler für seine Vertriebstätigkeit vergütet. Damit besteht aus Sicht des Verbandes zumindest das Risiko, dass der Vermittler den Kunden nicht ausschließlich objektiv über die bestmöglich geeigneten Versicherungsprodukte berät oder auch einmal von einem unnötigen Abschluss abrät, sondern ein hohes Interesse am Verkauf der vom Versicherer geförderten Produkte entwickelt. Was allerdings nicht bedeute, dass sich dieses Risiko auch wirklich in der Arbeit der Vermittler niederschlägt.
Auch stünde dem das Risiko von Schadenersatzforderungen des Kunden gegen den Vermittler und/oder den Versicherer gegenüber (vgl. §§ 6 Abs. 5, 63 VVG). Es gebe Vermittler, die für solche Interessenkonflikte anfällig seien, aber auch viele andere, für die ein solches Gebahren nicht in Frage käme.
Welche Anreize bei wem eine Rolle spielen
Insgesamt spielen immer noch bei vielen Einfirmenvertretern Vergütungselemente eine größere Rolle, die aus Sicht der Regulatorik mit dem Risiko einer schädlichen Wirkung für Kunden verbunden sind. Aus berufsständischer Sicht verdient das Thema laut BVK weiterhin eine große Aufmerksamkeit.
Bei Maklern und Mehrfachvertretern hingegen spielen Anreize und Anreizgestaltungen mit potenziellem Risiko für Kunden eine geringe Rolle. Lediglich Abschlussvergütungen spielen bei rund 43 Prozent eine große oder sehr große Rolle und erhöhen damit das Risiko von Fehlsteuerungen. Demgegenüber sehen aber auch gut zwei Drittel die laufenden Vergütungen als bedeutend für ihre Betriebe an, was das Risiko der Einmalvergütungen wieder etwas relativiert. Gut ein Drittel der Makler und Mehrfachvertreter sieht zudem in der Stornohaftung ein beachtliches Element der Vergütungsgestaltung. Alle anderen Anreizgestaltungen spielen weit mehrheitlich keine besondere Rolle in diesen Vertriebswegen.
Verkaufssteuerung über Geschäftspläne
Bei Einfirmenvertretern zeigt sich, dass Geschäftspläne häufig eine Rolle als Verkaufssteuerungsmittel spielen. Rund 43 Prozent schätzen die Rolle als sehr groß oder groß ein, nur 30 Prozent als klein bis nicht vorhanden. Bei Wettbewerben und Incentives ist die Bedeutung geringer. Insbesondere solche Anreize, die nur auf bestimmte Produkte ausgelobt werden, spielen mehrheitlich keine oder eine geringe Rolle. Anreize beruhen bei Versicherungsvermittlern naturgemäß „auf wirtschaftlichen Kriterien“. Das HGB sieht die Provision als Vergütung des Handelsvertreters vor. Sie ist eine rein erfolgsabhängige und umsatzbezogene Vergütung, die sich aus der vermittelten Versicherungsprämie errechnet.
Beratungsqualität als Vergütungsfaktor?
Versicherungsmakler werden traditionell nach den gleichen Prinzipien vergütet. Allerdings schlägt die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 an dieser Stelle vor, die schädliche Wirkung durch qualitative Kriterien auszugleichen. Das erfolgt jedoch nur in einer Minderheit der Vergütungssysteme der Ausschließlichkeit. Die Beratungsqualität, die Qualität der Weiterbildung als Voraussetzung für eine gute Beratung sowie die Abwesenheit von Kundenbeschwerden wären zwar aus Sicht des BVK eigentlich überzeugende Kriterien, die beispielsweise als Nebenbedingungen vorgesehen werden könnten. Einen entsprechenden Vorschlag zur Neuregelung der gesetzlichen Vorgaben für die Vergütung von Lebensversicherungen hatte 2019 das Bundesfinanzministerium gemacht. Das praktische Problem liegt zum einen in der Definition und Messung der Beratungsqualität, ein schon theoretisch sehr anspruchsvolles Konzept. Kundenbeschwerden können sehr unterschiedlich definiert werden, beispielsweise Beschwerden bei den Ombudsleuten des Versicherungswesens, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder gegenüber dem Versicherungsunternehmen oder dem Vermittler selbst. Nicht jede Beschwerde ist berechtigt und nicht immer ist der Vermittler für sie verantwortlich zu machen.
Ein weiteres Kriterium ist bei zwei Drittel der Einfirmenvertreter erfüllt, die Einmalvergütung beim Abschluss. Allerdings spielen laufende Vergütungen für noch deutlich mehr Vertreter (86 Prozent) eine sehr große oder große Rolle. Das relativiert das hohe Gewicht der Abschlussprovisionen etwas. Selbst wenn Abschlussprovisionen immer noch eine überragende Rolle bei Lebens- und bei Krankenversicherungen spielen, so werden doch Vermittler vernünftigerweise auf die langfristige Kundenzufriedenheit achten, mindestens, damit nicht die bedeutenden, laufenden Vergütungen in der Kompositversicherung in Gefahr geraten.
Vergütung bei Erreichen eines Schwellenwertes
Die Stornohaftung ist in Deutschland gesetzlich für die Lebens- und die Krankenvollversicherung auf fünf Jahre festgesetzt (vgl. § 49 VAG). Vertraglich kann sie auch verlängert werden. Sie spielt für fast jeden zweiten Einfirmenvertreter eine große oder sehr große Rolle. Rückforderungen von Abschlussprovisionen können einen Agenturvertrieb in Liquiditätsnot bringen.
Immer noch eine bedeutende Rolle spielen jedenfalls für 46 Prozent der teilnehmenden Einfirmenvertreter variable Vergütungselemente, bei denen das Erreichen der Vergütung von der Überschreitung eines Schwellenwertes abhängig ist. Das können beispielsweise Staffelprovisionen sein, bei denen der Vertreter bei Überschreiten einer Mindestproduktionsleistung im Kalenderjahr eine zusätzliche Provision auf die Gesamtproduktion erhält. Die Anreizwirkung kann schädlich sein, wenn der Schwellenwert knapp noch nicht erreicht ist, aber das Kalenderjahr abzulaufen droht.
Long Story short
Provisionsniveaus und Anreize: Der BVK zeigt auf, dass viele Versicherungsvermittler nicht zu den Großverdienern gehören, sondern hart arbeiten müssen, um ein gutes Einkommen zu erzielen. Besonders Einfirmenvertreter haben oft ein unterdurchschnittliches Provisionsniveau, während Makler häufig besser abschneiden.
Verkaufssteuerung und Risiken: Anreize wie Abschlussvergütungen und Verkaufswettbewerbe, die auf einzelne Produkte fokussiert sind, können zu Fehlsteuerungen führen, die nicht im besten Interesse des Kunden sind. Der BVK fordert von den Versicherern, mehr auf nachhaltige Vergütungssysteme zu achten.
Beratungsqualität und Vergütung: Die Qualität der Beratung, Weiterbildung und das Fehlen von Kundenbeschwerden sind wichtige Faktoren, die in Vergütungssysteme integriert werden könnten.