Kommentar

Verbraucherschützer außer Rand und Band

Derzeit wird mit harten Bandagen über das Pro und Contra eines Provisionsverbots für Lebensversicherungen diskutiert. Doch die Verbraucherzentrale BaWü ist dabei übers Ziel hinausgeschossen, findet procontra-Redakteur Florian Burghardt.

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11:04 Uhr | 11. April | 2023
Provisionsverbot für Lebensversicherungen

Genauso wie die Verbraucherschützer selbst verliert auch procontra-Redakteur Florian Burghardt die Fassung, wenn er sich mit deren Argumenten für ein Provisionsverbot auseinandersetzt.

| Quelle: procontra

Grundsätzlich befürworte ich die Honorarberatung. Aber bevor Sie jetzt aufschreien, weil Sie solche Äußerungen in einem Fachmagazin lesen müssen, das sich an eine Vielzahl von Provisionsberatern richtet: Wäre es nicht schön, wenn heutige Vermittler ihr Einkommen einfach vollständig für ihre fachkompetente Beratungsleistung erhalten würden, ohne dabei den Druck zu verspüren, erst im Falle eines Vertragsabschlusses bezahlt zu werden? Und gleichzeitig würden die privaten Rentenversicherungen der Verbraucher mehr Rendite bringen? Win-Win also – klingt das nicht toll?

Doch bis zu diesem Szenario ist es ein weiter Weg, auf dem viele komplexe Herausforderungen gelöst werden müssten. Sicher würden dabei auch einige Vermittler von der Bildfläche verschwinden, da neben lauter unabhängigen Beratern kein Platz mehr wäre für Vertreter und Strukturvertriebe. Möglicherweise ist ein EU-weites Provisionsverbot, sofern es denn dazu kommt, der Schlüssel, der das Tor zu genanntem Weg aufschließt. Diesen Schlüssel jedoch mit einer Anti-Vermittler-Propaganda zu fordern, wie es aktuell die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg tut, ist unangebracht und diffamierend.

Pauschalisierung und Aufstachelung

„Provisionen im Finanzvertrieb sind die Ursache für ein strukturelles Problem: Die sogenannten Finanzberater:innen handeln nicht im Interesse der Ratsuchenden, wenn sie für den Vertriebserfolg über Provisionen von Dritten vergütet werden“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der VZ BaWü, mit der sie an die schnellstmögliche Durchsetzung des Provisionsverbots appelliert.

Diese Aussage, die bei weiterer Lektüre nicht etwa relativiert, sondern sogar noch verstärkt wird, erzeugt nicht nur das allgemeingültige Bild der provisionsbasierten Beratung als illegales Konstrukt – zumindest im Bezug auf Makler, die dazu verpflichtet sind, das am besten geeignete Produkt für ihre Kunden zu finden. Durch die Voranstellung des Wörtchens „sogenannten“ werden nahezu alle beratend Tätigen als inkompetent diffamiert. Dies stachelt die breite Bevölkerung gegen ihre Berater, Vermittler, Betreuer oder wie auch immer man sie nennen mag, auf. Wer gegen Provision berät, ist ein Abzocker und vertickt an ahnungslose Verbraucher einfach den Mist, der ihm am meisten Kohle einbringt, lautet – noch einmal von mir verdeutlicht – die Aussage der VZ BaWü. Dass sich die Provisionsberatung und die Vermittlung des am besten geeigneten Produkts nicht ausschließen, findet in dem Schreiben leider keinen Platz.

Fragwürdige Beispiele

Ganz im Gegenteil: Bezugnehmend auf ihre aktuelle Podcast-Folge setzt die VZ BaWü in ihrem „Alle über einen Kamm scheren“-Modus noch einen drauf. Konkret werden alle Vermittlertypen in einen Topf geworfen, auch „vermeintlich unabhängige Finanzberater“. Genau wie Vertreter und Strukturvertriebler würden diese, für ihre Kundschaft unerkennbar und an deren Bedarf vorbei, gezielt solche Produkte empfehlen, mit denen sie am meisten Geld verdienen. Als Beispiel für ihre These nennen die Verbraucherschützer, dass für die Altersvorsorge in erster Linie private Rentenversicherungen verkauft würden, da diese die höchste Provision versprächen. Ein ETF-Sparplan hingegen würde den Vermittlern weniger Provision versprechen und werde deshalb nicht empfohlen, obwohl es sich dabei um eine gute und bedarfsgerechte Wahl speziell für die Altersvorsorge handle. Dass ein ETF-Sparplan aber nur das angesparte Kapital aufzehren und nicht das Langlebigkeitsrisiko in Form einer lebenslangen Rentenzahlung absichern kann, so wie es schon zig Mal in Studien und Fachartikeln durchgekaut wurde, bleibt hier unerwähnt.

Mit der Auswertung eigener Marktbeobachtungen und der von der VZ angebotenen Verbraucherfinanzberatung soll sodann bestätigt werden, „dass der Verkauf vorbei am Verbraucherbedarf die Regel ist“. Denn in 95 Prozent der Fälle, in denen Verbraucher den Rat der VZ eingeholt hatten, seien die Anlagevorschläge der Finanzberater nach Auffassung der Verbraucherschützer nicht bedarfsgerecht gewesen. Hier sei vorsichtshalber erwähnt, dass sich erfahrungsgemäß fast ausschließlich unzufriedene Kunden an die Verbraucherzentralen wenden, was die hohe Quote in ein anderes Licht stellt. Denn Menschen, die sich gut beraten fühlen und mit ihren Verträgen zufrieden sind, lassen diese in der Regel nicht von Verbraucherschützern gegen Gebühr durchchecken.

Ernsthaft jetzt?!

Ja, es gibt schwarze Schafe in der Branche und auch grundsätzlich fundierte Argumente für ein Provisionsverbot. Gerade deshalb ist es aber in keiner Weise notwendig oder erlaubt, einen ganzen Berufsstand pauschal zu diffamieren sowie Kunden und Bevölkerung gegen diesen aufzuhetzen.

Übrigens liefern die baden-württembergischen Verbraucherschützer mit ihren Argumenten für ein Provisionsverbot auch gleich noch die Forderung mit, „die Finanzberatung wirksam durch eine Aufsichtsbehörde wie die BaFin zu überwachen, auf Grundlage der Regeln, die für die unabhängige Finanzberatung gelten.“ Diese Forderung stammt aus einer Presseinformation vom 06.04.2023. Am selben Tag twittert Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, bezugnehmend auf den aktuellen BaFin-Podcast über private Altersvorsorge: „Was die BaFin hier verbreitet ist plumpe Absatzförderung! Ich bin fassungslos.“ Herr Nauhauser, das bin ich auch.