procontra fragt nach

Wie gut sind die Lebensversicherer auf ein Provisionsverbot vorbereitet?

Kommt es zum EU-weiten Provisionsverbot, rechnen die deutschen Lebensversicherer mit deutlichen Einbußen beim Neugeschäft. Welche Pläne sie für diesen Fall in der Schublade haben, wollten wir von großen und unter Maklern beliebten Anbietern wissen.

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13:04 Uhr | 05. April | 2023
EU-Kommission

Während manche Lebensversicherer zumindest auf ihre bereits bestehenden alternativen Vergütungsmodelle verweisen, erwecken andere den Anschein, vor einem drohenden Provisionsverbot am liebsten weglaufen zu wollen.

| Quelle: ONYXprj

Das Jahr 2023 startete aus Vermittlersicht mit einem Paukenschlag: In der EU-Kommission gibt es ernstzunehmende Bestrebungen, die provisionsbasierte Beratung, unter anderem für die Vermittlung von Lebensversicherungen, abzuschaffen. Diese Idee ist Teil einer Strategie, die Investitionen durch Kleinanleger am Kapitalmarkt fördern soll, zum Beispiel durch höhere Renditen der Verträge, da man deren Kosten durch den Wegfall der Provisionen vermindert. In Zeiten europaweit hoher Inflation und multipler Krisen findet diese Idee anscheinend viele Anhänger und das Verbot wird immer realistischer. Was würde also über die Versicherungsbranche hereinbrechen, wenn für den größten Hebel Lebensversicherung plötzlich keine Provisionen mehr gezahlt werden dürften?

Laut Markus Krawczak, Vorstand Maklervertrieb bei der Ergo Vorsorge Lebensversicherung, dürfte die Umstellung von Provisions- auf Honorarberatung bei vielen Vermittlern einige Zeit in Anspruch nehmen. Schließlich müssten sie ihre Kundenstämme auf Menschen umbauen, die dazu bereit sind, ein in den meisten Fällen dreistelliges Honorar pro Stunde zu bezahlen, so Krawczak.

Welche Auswirkung diese Umbauzeit auf das Neugeschäft in der Lebensversicherung haben würde, dazu konnte der Ergo-Vorstand im procontra-Interview keine konkreten Aussagen machen. Ein GDV-Sprecher betonte auf unsere Nachfrage aber die Bedeutung der Provisionsberatung auf das LV-Neugeschäft: „Ein Provisionsverbot würde die Verbreitung privater Altersvorsorge deutlich hemmen. Denn Vermittler, deren Unternehmen sich über Provisionen finanzieren, sind Ansprechpartner über die gesamte Lebensspanne der Kunden. Sie sorgen für die aktive Ansprache und Verbreitung privater Altersvorsorge.“

Nur zwei sprechen von alternativen Vergütungsmodellen

Wie tief die Einschnitte beim Neugeschäft, zumindest während besagter Umbauphase, sein dürften, wollte auf unsere Nachfrage keiner der großen beziehungsweise unter Maklern sehr beliebten Lebensversicherer konkret mitteilen. Angefragt haben wir Generali, Allianz, R+V, Debeka, VKB, Zurich, Alte Leipziger, Axa, LV 1871, Volkswohl Bund und Canada Life. Von der Alte Leipziger heißt es dazu aber: „Ein Provisionsverbot in Deutschland hätte sicherlich Folgen für das Geschäft unserer Vermittler und damit auch für unseres.“ Man sei aber vorbereitet und biete bereits heute alle Tarife als Netto-Tarife an, da der Anteil der Honorarberatung bei dem Oberurseler Lebensversicherer stetig wachse. Zwar müsse man weiter abwarten, welche Schichten und Produkte betroffen sein würden, sofern es zum Provisionsverbot komme. Man sei aber zuversichtlich, auch in diesem Falle geeignete Lösungen für die Vertriebspartner zu schaffen, um weiterhin erfolgreich Neugeschäft schreiben zu können.

Auch bei der LV 1871 rechnet man mit einem Vermittler-Abrieb, da nicht jeder auf Honorarberatung umstellen wolle oder könne. Für alle, die sich diesem System öffnen wollen, bietet der Münchener Lebensversicherer, laut eigener Aussage, die Auswahl aus sechs verschiedenen Vergütungsmodellen an. Für die Kunden sei es das wichtigste, dass die Beratung weiterhin durch unabhängige Makler erfolgen könne. „Sie sollte deshalb nicht möglichst billig, sondern so gut wie möglich sein“, sagte der Vertriebsvorstand der LV 1871, Hermann Schrögenauer, gegenüber procontra und fügte hinzu: „Weniger Altersvorsorgegeschäft für die Versicherer bedeutet auch eine noch größer werdende Rentenlücke bei den Bürgern und damit eine noch größere Herausforderung für den Sozialstaat in der Zukunft.“

Die meisten Lebensversicherer geben sich bedeckt

Anders als Alte Leipziger und LV 1871 wollten sich die übrigen Lebensversicherer nicht dazu äußern, wie sie vergütungstechnisch auf die Einführung des Provisionsverbots eingestellt wären. Beim Volkswohl Bund wolle man sich zu gegebener Zeit mit den Vertriebspartnern zu möglichen Lösungen austauschen. Bei VKB, Zurich und Debeka herrscht Einigkeit darüber, dass es vor allem die Provisionsberatung sei, die breite Bevölkerungsschichten und insbesondere Geringverdiener für das wichtige Thema Altersvorsorge erreiche. Es sei auch der großen Anzahl an Versicherungsvermittlern hierzulande zu verdanken, dass die notwendige aktive Ansprache erfolgen könne. „Niemand steht morgens auf und sagt: ‚Heute gönne ich mir eine Altersvorsorge‘“, unterstrich dies eine Debeka-Sprecherin. Der Koblenzer Lebensversicherer verwies zudem auf den Beratungsrückgang speziell bei Geringverdienern in Großbritannien und den Niederlanden, die bereits vor Jahren ein Provisionsverbot eingeführt haben.

Während man beim BVK im Falle eines Provisionsverbots offen mit dem Wegfall von rund 200.000 Vermittlern hierzulande rechnet, wollte keiner der von uns befragten Lebensversicherer auf die Frage antworten, ob ein deutlicher Rückgang des Neugeschäfts vielleicht auch Sparmaßnahmen und Entlassungen im Innendienst mit sich bringen könnte. Die R+V und die Axa sagten darüber hinaus, dass sie aufgrund der derzeitigen Faktenlage keine Aussagen treffen können. Überhaupt nicht auf unsere Fragen antworten wollten Generali, Allianz und Canada Life.