Schwierige Abgrenzung

Nebenjob Tippgeber: Für Makler ein Drahtseilakt mit der Haftung

Versicherungsvermittler, die nebenbei als Tippgeber arbeiten, begeben sich haftungstechnisch auf dünnes Eis. Bei komplexen Themen wie der Rückabwicklung von Lebensversicherungen kann zudem verbotene Rechtsberatung ins Spiel kommen.

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11:05 Uhr | 21. Mai | 2025
Geschäftsmann balanciert auf einem Drahtseil über Haie

Versicherungsvermittler, die nebenbei als Tippgeber arbeiten, vollziehen einen Drahtseilakt. Schon ein kleiner Fehltritt kann juristische Konsequenzen nach sich ziehen – gerade weil sie sich besser auskennen als fachfremde Tippgeber.

| Quelle: drogatnev

Was Sie erfahren werden:

-          Wie sich Tippgeber von Vermittlern unterscheiden

-          Welche Fallstricke bei paralleler Tätigkeit lauern

-          Warum speziell das Thema LV-Rückabwicklung riskant ist

Lustig ist das Tippgeberleben – solange man nicht die engen Grenzen überschreitet, die dieses zulässt. Denn links und rechts des schmalen Grats tun sich Haftungsabgründe auf. Zwar ist der „Vertriebskanal Tippgeber“ im deutschen Gesetz gar nicht definiert. Doch für die beiden auf Versicherungsrecht spezialisierten Juristen Oliver Timmermann (Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte) und Norman Wirth (Wirth Rechtsanwälte) ist klar: „Tippgeber sind Namhaftmacher. Ihre Tätigkeit ist auf die Aufnahme- und Weiterleitung der Kontaktangaben von Interessenten beschränkt.“

Tippgeber sind also keine Versicherungsvermittler. Trotzdem spielen sie durchaus eine praktische Rolle im Versicherungsvertrieb. Ein aktuelles Beispiel ist die Auxinum GmbH des früheren Skandia- und Standard-Life-Vorstands Sven Enger. Wie dieser gegenüber procontra erzählte, verfügt Auxinum über rund 2.000 Tippgeber, die Neukunden für ein Rückabwicklungskonzept für Lebensversicherungen akquirieren. Dass man dieses kritisch hinterfragen sollte, darüber hat procontra exklusiv und ausführlich berichtet.

Klare Trennung notwendig

Zudem gilt die Rückabwicklung von Lebensversicherungen als ein fachlich und rechtlich sehr komplexes Thema – zu komplex für Tippgeber? „Die Tätigkeit eines Tippgebers kann sinnvoll sein, sofern sie sich wirklich auf die bloße Herstellung eines Kontakts hin zu jemandem beschränkt, der sodann berät und gegebenenfalls bei der Rückabwicklung unterstützt. Entscheidend ist, dass der Tippgeber keine eigene rechtliche oder wirtschaftliche Beratung darüber abgibt, ob oder ob nicht eine Rückabwicklung im konkreten Fall Sinn ergibt beziehungsweise er zu einem Rückabwicklungskonzept eine konkrete Einschätzung abgibt“, erklärt Wirth. Werde diese Trennung gewahrt, könne das Modell durchaus eine niedrigschwellige Möglichkeit sein, um interessierte Kunden an spezialisierte Dienstleister heranzuführen.

Das sieht Timmermann genauso, betrachtet die praktische Umsetzung jedoch sehr kritisch: „Das Problem bei Tippgebern ist allerdings oft, dass diese eben nicht nur Kontaktdaten sammeln, sondern eben doch auch versuchen, ‚Überzeugungsarbeit‘ zu leisten, um an die gewünschten Daten zu gelangen.“

Laut procontra-Informationen befinden sich unter den Auxinum-Tippgebern auch zahlreiche registrierte Versicherungsvermittler. Sie verfügen also über die offiziellen Voraussetzungen zur Beratung und Vermittlung von Versicherungen, treten für Auxinum aber sozusagen in ihrem Nebenjob als Tippgeber auf. Dies ist für sie in puncto Haftung aber anscheinend eher ein Nachteil als ein Vorteil.

„Wichtig ist allerdings, dass sie ihre Rolle klar und transparent definieren. Wird eine Empfehlung des Vermittlers ausgesprochen, die über die reine Kontaktherstellung beziehungsweise Namhaftmachung des Kunden hinausgeht – also in Richtung einer inhaltlichen Bewertung oder Empfehlung – können berufsrechtliche Pflichten verletzt werden“, weiß Wirth. Dabei gehe es zum einen um die Beratungspflicht (§ 61 VVG) und die Dokumentationspflicht (§ 62 VVG). „Seine Tätigkeit könnte aber auch als Versicherungsberatung (§ 34d Abs. 2 Gewerbeordnung) gewertet werden, für die eine alternative Zulassung erforderlich wäre“, sagt der Berliner Versicherungsrechtler.

Entscheidend ist die Wahrnehmung des Kunden

Zudem könnte es für die Kunden verwirrend sein, wenn der ihnen vielleicht seit Jahren als Versicherungsmakler bekannte Mensch plötzlich als Tippgeber auftritt und sie mitsamt ihrer Lebensversicherung an einen Rückabwicklungsdienstleister weitergeben will. „Aus Wahrnehmung des betroffenen Verbrauchers beziehungsweise Versicherungsnehmers verschwimmt dann die Abgrenzung zum Vermittler“, sagt Timmermann. Und Wirth führt weiter aus: „Wird der Vermittler trotz „Tippgeberrolle“ in diesem konkreten Fall vom Kunden als Berater wahrgenommen und entsteht später ein vermeintlicher oder echter Schaden für den Kunden – etwa durch unrealistische Erfolgserwartungen oder unklare Kosten – besteht die Gefahr, dass versucht wird, den Vermittler für eine vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafte Aufklärung oder Beratung haftbar zu machen.“ Dabei sei es dann nicht entscheidend, welche Rolle der Vermittler für sich selbst reklamiert habe, sondern wie seine Tätigkeit aus Sicht des Kunden und im Streitfall aus Sicht eines durchschnittlichen Dritten einzuordnen war.

Vorsicht: Verbotene Rechtsdienstleistung?

Mit speziellem Blick auf die Rückabwicklung von Lebensversicherungen macht Timmermann noch auf ein anderes Risiko aufmerksam. Denn aus seiner Sicht würde die Beratung zu diesem Thema auch die Qualifikation von Versicherungsvermittlern übersteigen. „Das Gespräch über die Möglichkeit der Rückabwicklung einer LV ist eine rechtliche Beratung, die sich nicht auf die schematische Anwendung von Rechtsnormen beschränkt. Erforderlich wäre eine rechtliche Prüfung, bei der konkrete Sachverhaltsangaben analytisch unter eine Norm zu verorten sind“, erläutert der Jurist und fügt hinzu: „Mit der Beratung über die Rückabwicklung einer LV befindet sich der Vermittler nicht mehr im Bereich der Nebenleistung nach § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz.“

Hier kann ein wenig „Überzeugungsarbeit“ für Tippgeber also schnell große Probleme bedeuten. „Wenn jemand – egal ob Tippgeber oder Vermittler – außerhalb seiner Kompetenz über Rechtszusammenhänge ‚berät‘, ist die vertragliche Grundlage nach § 2 RDG i.V.m. § 134 BGB unwirksam“, mahnt Timmermann. Und damit nicht genug: Da der Verbraucher mit falschen Angaben zum Vertragsschluss gebracht wurde, so der Anwalt, müsse der Vermittler folglich auch mit Schadenersatzforderungen rechnen.

Arbeiten Sie parallel als Vermittler und Tippgeber?