Mehmet Gökers Vermittlerpartner

René Jäger AG lockte Allianz-Kundin mit falschem PKV-Tarifwechsel-Angebot

Eine Allianz-Kundin hatte sich für 5.000 Euro Honorar auf einen so nicht möglichen Tarifwechsel eingelassen. Während sie ihrem Geld nachläuft, mehren sich gegen Jäger und Göker die Vorwürfe gefälschter Angebote.

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16:03 Uhr | 27. März | 2024
René Jäger AG lockte Allianz-Kundin mit falschem PKV-Tarifwechsel-Angebot

Zunächst wähnte die Allianz-Kundin eine hohe PKV-Beitragsersparnis durch die René Jäger AG. Doch mittlerweile ist sie der Auffassung, mit dem Tarifwechsel nur Geld verbrannt zu haben.

| Quelle: photoschmidt

Im November letzten Jahres staunte Susanne Hartmann (Name von der Redaktion geändert) nicht schlecht. Gerade erst hatte sie von der Allianz, ihrem privaten Krankenversicherer, eine Beitragsanpassung aus der Post gefischt. Fast 40 Euro mehr sollte sie künftig für ihren Tarif „761, 780, 740“ inklusive Pflegepflichtversicherung bezahlen, insgesamt dann 869,04 Euro pro Monat. Doch sprichwörtlich wie der tapfere Ritter auf seinem stolzen Ross kam nur wenige Tage später die René Jäger AG bei ihr angeritten beziehungsweise kontaktierte sie telefonisch. „Woher die meine Nummer hatten, keine Ahnung“, sagt die 83-Jährige gegenüber procontra. Dass unsere Recherchen in etwa zeitgleich die René Jäger AG als Strohmann-Vermittler Mehmet Gökers nahelegten, sei zunächst leider an ihr vorbeigegangen.

Jedenfalls wollten Jägers Mitarbeiter, die zunächst als selbstständige Sachverständige für private Krankenversicherungen unter der Marke „Ihr Beitragsoptimierer“ auftraten, Einsparmöglichkeiten bei ihrer PKV-Police entdeckt haben. Der auf die Telefonate folgende Mailverkehr liegt der procontra-Redaktion vor. Durch einen Wechsel des Tarifs auf Basis ihrer bisherigen Leistungen sollte sich ihr Beitrag reduzieren.

Vergleich der PKV-Beiträge
| Quelle: privat

Nachdem die Kundin der René Jäger AG am 29. November ein unterschriebenes Auftragsmandat zukommen ließ, gingen Mitte Dezember die Optimierungsangebote für ihren PKV-Vertrag bei ihr ein (liegen der procontra-Redaktion ebenfalls vor). Die „Optimierung 1“, für die sie sich letztendlich auch entschied, versprach ihr einen um fast 500 Euro geringeren Monatsbeitrag (von 869,04 Euro auf 390,94 Euro, vgl. Screenshot 1) und das bei, laut Gegenüberstellung, besseren Leistungen (vgl. Screenshot 2). „Da habe ich mich erstmal gefreut“, erinnert sich Hartmann. Eher nebenbei habe sie die Erhöhung des jährlichen Selbstbehalts von 800 auf 3.000 Euro wahrgenommen.

Gegenüberstellung der Leistungsangebote
| Quelle: privat

Für solche Tarifwechsel nimmt die René Jäger AG nach erfolgter Umstellung die zwölffache Monatsersparnis als Honorar – in Hartmanns Fall wären das eigentlich 5.737,20 Euro. Wenn sie aber sofort zahle, könne man ihr einen Rabatt einräumen, hieß es. Inklusive Skonto betrug das Honorar dann nur noch glatte 5.000 Euro, welches Hartmann sofort auf das BNP Paribas Konto der René Jäger AG überwies. Auf der zugehörigen Rechnung mit René-Jäger-Firmenlogo-Briefkopf tritt auch erstmals René Jäger persönlich auf und wünscht als Ersteller des Schreibens „alles Gute und eine schöne Zeit“.

Doch für Frau Hartmann kam es ganz anders. Nachdem sie der Allianz per Brief mitteilte, in den von der René Jäger AG vorgeschlagenen Tarif „AktiMed Best SU“ wechseln zu wollen, erhielt sie im Januar ihren Nachtrag zum Versicherungsschein. Doch anstatt der ihr in Aussicht gestellten 390,94 Euro stehen dort nun überraschend 653,84 Euro als monatlicher Beitrag. Auf procontra-Nachfrage heißt es dazu von der Allianz: „Wie die René Jäger AG auf einen niedrigeren Beitrag kommt, ist uns nicht verständlich.“ Man habe den Tarif, wie von der Kundin gewünscht, umgestellt.

Aber wollte die Allianz ihre Kunden nicht aktiv vor unseriösen PKV-Tarifwechseloptimierern warnen? Immerhin war die René Jäger AG spätestens durch den procontra-Bericht vom 20. November als solcher bekannt. Hierzu erklärt die Allianz: „Üblicherweise fragen Wechseldienstleister bei uns an und lassen sich verschiedene Tarife zum Wechseln nennen. In einem solchen Fall schicken wir keine Wechselvorschläge an die René Jäger AG, sondern nur an unsere Versicherten. In dem vorliegenden Fall hat die René Jäger AG allerdings bei uns keine Tarifvorschläge angefragt. Entsprechend haben wir auch keine versendet.“ Die konkreten Optimierungsvorschläge der René Jäger AG habe man nun erstmals über die procontra-Anfrage einsehen können. „Deshalb konnten wir unsere Versicherte auch nicht darauf hinweisen, dass die ihr von der René Jäger AG vorgelegten Beitragsberechnungen nicht korrekt sind“, erläuterte eine Allianz-Sprecherin.

Ärgerlich für Hartmann. Denn laut ihrer eigenen Honorarformel stünden der René Jäger AG jetzt nur noch 2.582,40 Euro zu. Die Kundin hatte allerdings bereits 5.000 Euro bezahlt. Die Differenz forderte sie von dem Münchener Maklerbetrieb zurück – doch weder telefonisch noch per E-Mail sei dort irgendjemand für sie erreichbar gewesen, berichtet sie. Dabei wurde Hartmann zuvor, also während der Anbahnung des Tarifwechsels, laut dem unserer Redaktion vorliegenden Schriftwechsel von drei verschiedenen Personen per E-Mail kontaktiert. Außerdem hätten laut Aussage der Versicherten auch mehrere Telefonate stattgefunden. Besonders dreist: Auf einem Schreiben mit René-Jäger-Firmenlogo-Briefkopf wird der Kundin ihr neuer Beitrag in Höhe von 390,94 Euro per 01.01.2024 bestätigt. Per E-Mail erhielt sie zudem eine „Garantie“: „wir bestätigen Ihnen, sollte es zu einer Prämienabweichung kommen, erhalten Sie binnen 24 Std die Differenz vom Honorar garantiert auf Ihr Konto zurück erstattet“, ist dort zu lesen (vgl. Screenshot 3). Dieser Differenz laufe Hartmann nun schon seit zwei Monaten hinterher.

Rückerstattungs-Garantie
| Quelle: privat

Angebote bewusst gefälscht?

Warum hat die René Jäger AG gegenüber der Kundin in den Optimierungsvorschlägen falsche Beiträge angegeben, die bei der Allianz gar nicht darstellbar sind? Mehrere Informanten aus Teilnehmerkreisen des Göker-Konzepts äußern gegenüber procontra vermehrt den Vorwurf, dass mittlerweile viele PKV-Tarifwechselangebote der Gruppe gefälscht sein sollen. Diese würden sehr niedrige Fantasiebeiträge enthalten, um die Kunden schnell zu überzeugen. Wenn der Kunde sofort bezahlt, erhält er noch einen Rabatt, heißt es. Danach würden die Ansprechpartner dann abtauchen und das gesamte Honorar behalten, auch wenn der tatsächliche Beitrag im Nachgang höher ausfalle. Ein starker Vorwurf – zu dem Mehmet Göker schweigt. Bis Redaktionsschluss ging von seiner Seite keine Antwort auf unsere Anfrage zu diesen Vorwürfen bei uns ein.

Von der René Jäger AG erhalten wir auf unsere Nachfrage nur sehr kurze, ausweichende Antworten. Ohne Mehmet Göker oder die MEG Dubai namentlich zu nennen, teilt man uns mit, man habe „mit einem Vertrieb zusammengearbeitet, der im Namen der René Jäger AG Angebote eingeholt/erstellt hat.“ Und weiter: „Wir haben uns zum 31.12.2023 von diesem Vertrieb getrennt. Es werden lediglich noch bestehende Vorgänge abgearbeitet.“ In Bezug auf Frau Hartmann teilte man unserer Redaktion am Sonntag, 24. März mit, man werde ihr das zu viel gezahlte Honorar am Montag, 25. März zurücküberweisen. Hoffnung für die 83-Jährige – auch wenn am Mittwoch, 27. März das Geld noch nicht bei ihr angekommen sei, so Hartmann. Anm. d. Red.: Update am Ende des Berichts!

Da unsere Fragen von der René Jäger AG nur teilweise oder gar nicht beantwortet wurden – zum Beispiel, warum sie der Kundin einen bei der Allianz nicht darstellbaren Beitrag angeboten haben oder ob sie Angebote bewusst fälschen, um Kunden per Sofortzahlung um Fantasiehonorare zu erleichtern – haben wir am 25. März erneut bei dem Maklerbetrieb nachgefragt, dazu bislang aber keine Antwort erhalten.

In dieser erneuten Nachfrage haben wir auf ein laufendes Gerichtsverfahren der Generali Krankenversicherung gegen die René Jäger AG hingewiesen (AZ: 4 HKO 1822/23). Wie das zuständige Landgericht München I gegenüber procontra bestätigt, wirft darin der Versicherer der René Jäger AG vor, mit Tarifvergleichen zu werben, in denen die Leistungen des Zieltarifs für den Versicherungsnehmer mit umfangreicheren Leistungen dargestellt werden, als es tatsächlich der Fall ist. Primär wolle die Generali hier ein Unterlassen für die Zukunft erwirken, es gehe aber auch um Schadenersatzansprüche. „Die Beklagte tritt den Ansprüchen entgegen und ist unter anderem der Ansicht, eine irreführende geschäftliche Handlung sei nicht erfolgt“, erklärte dazu die Pressestelle des Landgerichts.

Kundin will zur Polizei gehen

Derweil mehren sich die anonymen Hinweise an unsere Redaktion, wonach die PKV-Tarifwechselangebote aus Gökers Vertriebsteam zunehmend gefälscht sein könnten. Neben den mutmaßlichen Fantasiebeiträgen ginge es dabei vor allem um gefälschte Leistungsvergleiche, so die Vorwürfe. Das Instagram-Profil „mehmetgoekerakademie“ postet seit Wochen angeblich gefälschte Leistungsvergleiche verschiedener privater Krankenversicherer. Gegenüber procontra erklärten die Besitzer des Accounts, sie seien Aussteiger und Gegner des Göker-Konzepts und wollen nun, nach eigener Aussage „die Machenschaften rund um die PKV-Optimierungen von Mehmet Göker aufdecken“. Auch auf konkrete Fragen dazu haben wir von Göker keine Antwort erhalten.

Währenddessen bedauert man bei der Allianz, dass ihre Kundin Probleme mit der René Jäger AG hat. Deshalb biete man ihr entgegenkommend an, ohne Nachteile in ihren Ausgangstarif mit dem für sie auch vorteilhafteren Selbstbehalt zurückzuwechseln, wenn sie das möchte. Ein Angebot, über das Hartmann nun nachdenkt, sagte sie procontra. Bereits deutlich entschlossener zeigte sie sich dagegen an diesem Mittwoch in einer anderen Überlegung: „Wenn die René Jäger AG mir bis morgen mein Geld nicht erstattet hat, stelle ich gegen sie Strafanzeige und Strafantrag bei der Polizei.“

Update vom 28. März, 09:02 Uhr: Laut Info der Allianz-Kundin an die procontra-Redaktion sei die Rückerstattung des zu viel bezahlten Honorars durch die René Jäger AG am Morgen des 28. März 2024 auf ihrem Konto eingegangen. Dies bezeichnet die 83-Jährige als "Wunder". Bevor procontra bei der Maklerfirma nachgehakt hatte, habe sie zwei Monate lang erfolglos versucht, ihr Geld zurückzuerhalten.