Studie zu Solvenzberichten

Lebensversicherer brauchen dringend neue Produkte

Die schnelle Zinswende bedeutet für die Lebensversicherer mehr Schatten als Licht, finden Zielke Research Consult und der BdV. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, müssen neue Produkte her, besagt ihre Analyse von 78 Anbietern.

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17:11 Uhr | 08. November | 2023
Beratungsfehler Totalverlust Containermiete

Bei P&R-Investments hat ein Vermittler seine Aufklärungspflichten verletzt. Bild: shutterstock.com/ dokurose

Die deutschen Lebensversicherer stecken in einem Dilemma. Einerseits freuen sie sich über zuletzt stark gestiegene Solvenzquoten. Von durchschnittlich 458 Prozent in 2021 auf 601 Prozent in 2022 sind diese brutto gestiegen. Die Nettoquoten ohne Übergangsmaßnahmen, nicht eingezahltem Eigenkapital und Volatilitätsanpassung sind von 265 auf 390 Prozent gestiegen. Das geht aus einer Analyse der Solvenzberichte von 78 Lebensversicherern durch Zielke Research Consult und dem Bund der Versicherten (BdV) hervor. Jahrelang hatten die Lebensversicherer nach möglichst hohen Solvenzquoten gestrebt, um damit ihre Finanzstärke herauszustellen und das Vertrauen ihrer Kunden zu sichern. Nun, vor dem Hintergrund der schnellen Zinswende, sind gute Quoten quasi ein Klacks.

Dafür drücken nun stille Lasten und zumindest teilweise die Sorge vor Liquiditätsengpässen aufs Gemüt. Das ist schon bekannt, wurde von Dr. Carsten Zielke bei der Vorstellung der Studie aber noch einmal verdeutlicht. Wenn die Banken es mit attraktiven Zinsen für zum Beispiel Sparpläne und Tagesgeldkonten schaffen, noch deutlich mehr Kapital von den Lebensversicherern abzuziehen, könnten manche in ernsthafte Probleme geraten. Damit gemeint sind die Lebensversicherer, die einen hohen Anteil an Staatsanleihen in ihrer Kapitalanlage aufweisen. Der marktweite Durchschnitt liegt der Studie zufolge bei 22,59 Prozent. Deutlich höhere Anteil haben zum Bespiel:

  • Süddeutsche Lebensversicherung (77,31 Prozent)

  • Concordia Lebensversicherung (68,09 Prozent)

  • Öffentliche Lebensversicherung Oldenburg (55,25 Prozent)

Auf Werte unter einem Prozent kommen dagegen VPV, Europa und Entis.

Tranchenprodukte als bestmöglicher Kompromiss

Da diese vor einigen Jahren angeschafften Staatsanleihen unter dem aktuellen Zinsniveau liegen, sind aus den noch vor wenigen Jahren stillen Reserven nun in kürzester Zeit stille Lasten geworden. Wenn nun viele Kunden ihre Verträge auflösen, müssen diese stillen Lasten realisiert werden. Um das zu vermeiden, müssen die Lebensversicherer schnell neue attraktive Altersvorsorgeprodukte anbieten, um ihr Neugeschäft wieder zu steigern, findet Zielke. Doch wie könnten diese aussehen?

Aus Sicht der Studienautoren versprechen hier sogenannte Tranchenprodukte das größte Potenzial. Sie sollen Sicherheit und Chancenpartizipation kombinieren. Vereinfacht gesagt handle es sich dabei um fondsgebundene Lebensversicherungen, die zwar durch die Kopplung an Fonds oder Indizes ein relativ hohes Renditepotenzial versprechen, gleichzeitig aber eine garantierte Mindestrückzahlung beinhalten. Mit Blick auf das aktuelle Marktzinsumfeld wären hier nach Kosten Mindestrückzahlungen von 100 Prozent und deutlich mehr möglich, heißt es in der Analyse. Zudem seien solche Produkte auch für den Vertrieb attraktiv, weil dazu schon Vorkenntnisse bestünden und diese beim Endkunden akzeptiert seien.

Für besonders wichtig hält Zielke es, dass die Lebensversicherer auch bei den neuen Produkten an ihrem USP, der lebenslangen Rentenzahlung, festhalten. Eine Abschaffung sei hingegen aus finanzpolitischer Sicht gefährlich. Denn der Ausfall privater Renten in Höhe von 500 Euro – hier wurde auf Basis der heute über 85-Jährigen gerechnet – würde für den Staat jährlich 16,3 Milliarden Euro zusätzliche Sozialleistungen bedeuten.