LV-Check

Bei diesen Lebensversicherern wiegen die stillen Lasten schwer

Durch die rasch erfolgende Zinswende haben sich bei den meisten Lebensversicherern stille Lasten gebildet, die ein potenzielles Risiko darstellen. Die Spannbreite zwischen den einzelnen Anbietern fällt dabei groß aus.

15:08 Uhr | 30. August | 2023
Stille Lasten

Die Lebensversicherer haben mittlerweile schwer an stillen Lasten zu tragen.

| Quelle: MRBIG_PHOTOGRAPHY

Als die Europäische Zentralbank im Juli 2022 den Leitzins wiederbelebte, atmeten auch die deutschen Lebensversicherer tief durch. Vor Erleichterung, denn die langen Jahre ohne Zins belasteten die Solvenzquoten, erschwerten die Kapitalanlage und erforderten den Aufbau einer Zinszusatzreserve, um einstige Garantieversprechen abzusichern.

Ein Jahr später steht der Leitzins nach mehreren großen Zinsschritten bei stolzen 4,25 Prozent  und man wähnt die Lebensversicherer zurück im Zinsparadies. Oder etwa nicht? Die Stimmung hat sich nach anfänglichem Jubel nämlich schon wieder spürbar abgekühlt, und man fragt sich, wer hier den Party-Crasher spielt. 

Die Zinswende ist ein Segen für die Branche. Nur mit der Geschwindigkeit sind die meisten Experten nicht einverstanden. „Die Zinserhöhung wäre in einem moderaten Maße von 1 oder 1,5 Prozentpunkten pro Jahr wünschenswert gewesen“, meint etwa Max Happacher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) im procontra-Interview. Nun musste der Markt aber mit 4,25 Prozentpunkten binnen eines Jahres klarkommen, was sich in den Bilanzen deutlich widerspiegelt.

Neue Herausforderung: stille Lasten

Die neue Herausforderung heißt nun: stille Lasten. Standen Ende 2020 noch rund 200 Milliarden Euro an stillen Reserven in den Büchern, verursachte der abrupte Zinsanstieg nur zwei Jahre später rund 100 Milliarden Euro an stillen Lasten. Der Zeitwert der Kapitalanlagen liegt somit unter dem einstigen Kaufpreis.

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Da Neuanlagen mit einem höheren Zinskupon ausgestattet sind als die Bestandspapiere, rauschte deren Kurs in den Keller. Schätzungen zufolge könnten sich die stillen Lasten bis Ende 2023 auf 200 Milliarden Euro summieren.

Sofern die betroffenen Kapitalanlagen bis zum Laufzeitende gehalten werden, stellen die stillen Lasten für die Lebensversicherer kein Problem da. Problematisch wird es für die Versicherer nur dann, wenn es zu einer erhöhten Stornierung von Verträgen kommt. In Zeiten stiller Lasten könnte eine Stornowelle die Liquidität ernsthaft gefährden. Ist diese durch zu wenig Neugeschäft oder laufende Erträge nicht vorhanden, wären die Versicherer gezwungen, ihre stillen Lasten aufzulösen und Abgangsverluste zu realisieren. Wie bedrohlich ein solches Szenario ausfallen kann, zeigt die Pleite des italienischen Anbieters Eurovita.

Ein solches Szenario sei in Deutschland zwar unrealistisch, meint Happacher, jedoch mahnt auch hierzulande die BaFin, dass die Versicherer ihr Liquiditätsmanagement im Auge behalten sollen.

Nur vier Anbieter ohne stille Lasten

Bei den einzelnen Anbietern sieht die Lage höchst unterschiedlich aus, wie ein Blick in den aktuellen procontra LV-Check offenbart. Diesem liegen die Bilanzen von 63 Lebensversicherern zugrunde.

Die hier maßgebliche Reservequote (Bewertungsreserven im Verhältnis zur Summe der Kapitalanlagen) liegt bei den meisten Lebensversicherern im negativen Bereich. Gerade einmal bei drei Unternehmen (Bayerische, Ideal, LV 1871, Delta Direkt) ist sie noch positiv. Im Mittel lag die Reservequote Ende 2022 bei -10,3 Prozent (Ende 2021: 15,3 Prozent).

Die Gründe für die großen Unterschiede liegen in der Kapitalanlagestruktur: Während die Ideal, LV 1871 und Delta Direkt einen relativ hohen Anteil an Immobilien im Portfolio haben, besteht es bei Anbietern am anderen Ende der Reservequote fast ausschließlich aus festverzinslichen Wertpapieren mit langen Laufzeiten.

Bei welchem Unternehmen die stillen Lasten besonders groß sind, zeigt ein Blick in die untenstehende Tabelle.

Die Anbieter mit den niedrigsten Reservequoten

Versicherer

Reservequote 2021 in %

Reservequote 2022 in %

Concordia oeco

3,01

-30,61

LPV (ehemals PB Leben)

10,64

-24,49

myLife

2,46

-24,23

Öffentliche Oldenburg

14,20

-21,09

CosmosDirekt

6,83

-17,92

Dt. Ärzteversicherung

11,81

-17,87

Itzehoer

11,72

-17,84

Debeka

13,85

-17,62

Württembergische

7,99

-17,59

Süddeutsche

14,79

-17,45

LVM

13,41

-16,92

Generali Deutschland

8,99

-16,63

Gothaer

10,09

-16,30

Alte Leipziger

10,84

-15,88

Mecklenburgische

13,45

-15,70

Anmerkung: In der ursprünglichen Version des Artikels war von drei Anbietern ohne stille Lasten die Rede. Allerdings weist auch die Bayerische eine positive Reservequote auf. Wir haben den Text entsprechend angepasst.