Kommentar

Pläne für „Bürgerversicherung light“ helfen uns nicht weiter

In Teilen der Ampel-Koalition liebäugelt man mit einer saftigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um das Milliarden-Defizit in der GKV zu stopfen. Ein Vorschlag, der zur Lösung der Probleme wenig beitragen dürfte, kommentiert procontra-Redakteur Martin Thaler.

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11:05 Uhr | 09. Mai | 2023
Martin Thaler

Mehr Kompromisssbereitschaft von allen Parteien statt kurzsichtiger Hauruck-Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung der GKV, fordert procontra-Redakteur Martin Thaler

| Quelle: procontra

Diskutiert Deutschland bald wieder über die Bürgerversicherung? Keine Angst, nicht über das Original – es ist ja schließlich noch nicht Wahlkampf. Vielmehr geht es derzeit um die Einführung einer Bürgerversicherung durch die Hintertür. 

Gemeint sind damit Pläne innerhalb der Ampel-Koalition, die Beitragsbemessungsgrenze und damit auch die Versicherungspflichtgrenze deutlich anzuheben. Eine solche Anhebung sei sinnvoll, erklärte die SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt gegenüber dem Handelsblatt. Und bringt eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung ins Spiel. Diese liegt derzeit bei 7.300 Euro (West) bzw. 7.100 Euro (Ost) im Monat, die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV hingegen nur bei 4.987,50 Euro im Monat. 

Die gesetzliche Krankenversicherung dürfte damit für Gutverdienende teurer werden. Damit diese dann nicht in die private Krankenversicherung wechseln, liegt es nahe, gleichzeitig auch die Versicherungspflichtgrenze anzuheben. Derzeit liegt diese bei 5.500 Euro im Monat und damit leicht über der GKV-Beitragsbemessungsgrenze. 

Probleme für die PKV

Je stärker die Versicherungspflichtgrenze allerdings steigt, desto weniger Menschen haben die Möglichkeit, in die private Krankenversicherung zu wechseln – der PKV würde somit der Neugeschäft-Wasserhahn abgedreht. Eine Entscheidung, die – je nach Wumms der Erhöhung – auch deutliche Auswirkungen auf die Bestandskunden in der PKV hätte. Viele Kunden müssten wieder in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln, die Kollektive würden kleiner, Beitragsanpassungen damit wahrscheinlicher. 

Antrieb für eine solche Maßnahme ist diesmal nicht die Überwindung der sogenannten Zwei-Klassen-Medizin, sondern das Stopfen finanzieller Löcher in der GKV. Allein in diesem Jahr dürfte sich das Minus der gesetzlichen Krankenversicherung auf acht Milliarden Euro summieren, schätzt man in der Regierung.  

Dass das Defizit wie in der Vergangenheit durch Steuerzuschüsse ausgeglichen wird, dagegen sträubt sich vor allem die FDP. Läuft es am Ende also auf höhere Beiträge für alle Versicherungsnehmer hinaus? Eine Option, die aus Sicht der Regierungsparteien ebenfalls wenig reizvoll sein dürfte.  

Bleibt also tatsächlich nur die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze? Kurzfristig würde durch eine solche Maßnahme tatsächlich die Einnahmensituation in der GKV gestärkt. Doch abgesehen davon, dass man die private Krankenversicherung massiv beschädigen würde, verspricht die Maßnahme mittelfristig wenig Erfolg. Denn die bestehenden Defizite der GKV werden hierdurch nicht verschwinden, bestenfalls kurzfristig übertüncht. 

Letztlich dürfte eine Erhöhung der Beitragsbemessungs- beziehungsweise Versicherungspflichtgrenze auch am Widerstand der Liberalen scheitern. 

Manövrierkunst von Nöten

Da die Ampel auch Leistungskürzungen in der GKV kategorisch ausschließt, hat sie sich hier in eine Sackgasse begeben. Eine Sackgasse, die nur mit reichlich Manövrierkunst wieder verlassen werden kann. Dazu gehört Kompromissbereitschaft von allen Seiten. Bei SPD und Grünen muss man dazu bereit sein, neben operativen Potenzialen in der GKV auch über die Leistungsebene zu sprechen. Welche Leistungen sind für das Wohlbefinden der Menschen unerlässlich, welche können eher als Luxus klassifiziert werden? 

Die FDP muss hingegen bereit sein, die schwarze Null rot einzufärben. Effizienzsteigerungen gibt es nicht zum Nulltarif, grundlegende Reformen kosten Geld. Mittelfristig sind diese aber unerlässlich, um die finanzielle Situation der Krankenkassen zu verbessern. Einseitige Hau-Ruck-Maßnahmen wie die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze dürften hingegen wenig zweckdienlich sein.