Pflege-Investments in der Krise

„Weitere insolvente Einrichtungen würden mich nicht überraschen“

Pflegeimmobilien gelten als risikoarmes Investment. Doch eine Reihe von Insolvenzen verunsichert Investoren. Markus Bienentreu, Geschäftsführer der Terranus GmbH, einem Spezialmakler für Sozialimmobilien, erläutert die Umstände und Aussichten.

14:09 Uhr | 22. September | 2023
Markus Bienentreu

„Wir haben auf dem Markt sicher noch nicht die letzte Insolvenz gesehen": Markus Bienentreu, Geschäftsführer der Terranus GmbH, über den Wandel auf dem Markt der Pflege-Investments.

| Quelle: Terranus GmbH

procontra:

In letzter Zeit sind etliche Pflegeheime in Schieflage geraten und mussten Insolvenz anmelden. Viele hundert könnten zeitnah folgen – so die Befürchtung einiger Marktexperten. Gehen Sie mit dieser Einschätzung d’accord?

Markus Bienentreu:

Laut der Pflegestatistik von Ende 2021 gibt es in Deutschland über 16.100 Pflege-Einrichtungen und wir haben auf dem Markt sicher noch nicht die letzte Insolvenz gesehen. Mehrere hundert Insolvenzen ist vielleicht etwas hoch angesetzt. Aber hundert weitere würden mich nicht überraschen.

procontra:

Was sind die Hauptgründe für die zunehmenden Pleiten?

Bienentreu:

Für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Pflegeheimbetreibern sind mehrere Gründe ausschlaggebend. Neben den gestiegenen Kosten für Personal, Energie, andere Sachkosten und Mieten, ist dies vor allem im Fachkräftemangel begründet. Wenn nicht genug Personal vorhanden ist, um die Quote zu erfüllen, kann ich die Einrichtung nicht voll belegen. Je geringer die Belegung, umso schwieriger wird es, kostendeckend zu wirtschaften.

procontra:

Das sind alles keine Faktoren, die sich schnell beheben lassen. Wie sinnvoll ist insofern ein Investment in Pflege-Immobilien?

Bienentreu:

Das Ausfallrisiko ist unterm Strich geringer als in vielen anderen Asset-Klassen und in den letzten 20 Jahren ist der Markt gut gelaufen. Zudem ist er hoch reguliert. Aktuell kommen einfach zu viele Faktoren zusammen. Diese Kumulation macht den Markt schwierig und bremst ihn aus, denn natürlich verunsichern Insolvenzen oder Mietausfälle Investoren. Trotzdem gilt weiter: Solide kalkulierte und ausgelastete Einrichtungen bringen eine stabile, langfristige Rendite bei geringer Volatilität und die Nachfrage nach Pflegeplätzen ist hoch.

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procontra:

Für Rückenwind sorgt die älter werdende Bevölkerung. Auf welche Kennziffern sollten Investoren besonders achten?

Bienentreu:

Der Standort und der Bedarf sind extrem wichtig, denn davon hängt die Auslastung ab. Weitere wichtige Kennziffern sind die Investitionsfolgekosten und die Personalverfügbarkeit. Die beste Absicherung ist eine vernünftige Prüfung aller Rahmenbedingungen im Vorfeld des Investments. Dazu zählt auch zu schauen, wie das Geschäftsmodell des Verkäufers aussieht und wie die Miete refinanziert wird. Idealerweise sollte dieser schon länger im Markt aktiv sein und Kunden auch nach dem Verkauf bei Problemen noch betreuen.

procontra:

Das klingt logisch. Doch was, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist? Welche Chance haben Investoren, ihre Gelder zurückzubekommen?

Bienentreu:

Im Insolvenzfall gibt es für Pflegeinrichtungen keine Sonderregeln oder eine besondere Absicherung. Ist das Geld investiert, ist es meist zu spät. Da bleibt oft nur ein Verkauf durch den Insolvenzverwalter, der wahrscheinlich nur mit deutlichen Abschlägen realisiert werden kann. Die Umwidmung von Pflegeheimen ist nicht leicht und mit erheblichen Umbaukosten verbunden, weil die Gemeinschaftsflächen sehr groß sind. Insofern sollten Investoren versuchen, die Fortführung des Betriebes sicher zu stellen, sofern die Immobilie das hergibt. Aber natürlich kostet ein Betreiberwechsel Geld und es können weitere Verluste entstehen. Wenn ein Heim 300.000 Euro im Minus ist, wird es nicht in drei Monaten Gewinn erzielen.

procontra:

Eine längere Durstrecke können sich finanzschwächere Investoren kaum leisten. Können Makler, die Beteiligungen vermittelt haben, Haftungsprobleme bekommen, wenn es zur Pleite kommt?

Bienentreu:

Grundsätzlich gelten hier die gleichen Voraussetzungen, wie bei anderen Immobilien. Insofern sollte der Makler keine Negativkriterien oder Risiken verheimlichen – sofern sie ihm bekannt sind. Hätte der Kunde sonst nicht investiert, könnte er zur Rechenschaft gezogen werden. Beispiele sind etwa Falschangaben zur Bonität des Betreibers oder zur Auslastung der Immobilie.

procontra:

Wie lukrativ ist der Markt für Makler? Worauf gilt es zu achten?

Bienentreu:

In Zeiten, in denen der Markt geboomt hat, war das insbesondere wegen der niedrigen Zinsen ein interessantes Geschäftsfeld, um sein Angebot zu erweitern. Derzeit gehen die Transaktionsvolumina und Kaufpreisfaktoren wegen der gestiegenen Zinsen aber zurück. Lagen diese früher für Core-Immobilien im Schnitt beim 23- bis 24-fachen der Miete, liegen sie heute eher beim 20-Fachen oder darunter. Wichtig ist, dass der Makler seinen Markt kennt.

procontra:

Wie haben Sie sich selbst positioniert?

Bienentreu:

Wir verkaufen kein Teil-Eigentum, sondern arbeiten für institutionelle Kunden. Wir vermitteln Objekte und Betriebe, übernehmen Einrichtungen, die Probleme haben, bieten Beratung, Wertermittlung und Konzeptanalysen und springen auch als Interimsmanager ein, falls noch kein neuer, passender Betreiber gefunden ist. In diesem Fall gründen wir eine Gesellschaft, die den jeweiligen Betrieb übernimmt und ihn später im Rahmen eines Share Deals an den neuen Eigentümer verkauft. Das heißt, dass die bestehenden Verträge erhalten bleiben. Im Moment ist es aber schwieriger, zügig einen neuen Betreiber zu finden – viele haben derzeit keine Kapazitäten.

procontra:

Wie lautet Ihr Fazit für den Markt?

Bienentreu:

Seniorenimmobilien bleiben ein wachstumsstarker Zukunftsmarkt. Dass es immer wieder Insolvenzen und wirtschaftliche Schieflagen geben wird, ändert daran nichts. Denn für ein gutes, marktfähiges Objekt an einem guten Standort mit einem wirtschaftlichen Betriebskonzept und einer über die Investitionsfolgekosten refinanzierbaren Miete wird man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch einen neuen Betreiber finden.