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Sind die Kosten für ESG-Ratings wirklich überzogen?

ESG-Fonds gehören längst zum Inventar vieler Asset Manager. Doch mit den Kosten und der Qualität der Ratings für ihre Fonds sind sie unzufrieden. Warum?

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13:04 Uhr | 19. April | 2024
ESG Ratings

Eine Befragung der Bafin von 30 Managern hat ergeben, dass 81 Prozent die Kosten für die Ratings als „unangemessen“ betrachteten.

| Quelle: pcess609

Um zu beurteilen, welche Titel in ESG-Fonds aufgenommen werden sollen, müssen Asset Manager einschätzen können, wie nachhaltig die Unternehmen sind. Dafür geben ESG-Kriterien darüber Aufschluss, inwieweit die Unternehmen die definierten umwelttechnischen (E), sozialen (S) undunternehmensspezifischen (G) Standards erfüllen.

Weil aber selbst größere Fondshäuser wie DWS oder Allianz Global Investors (AGI) nicht die internen Kapazitäten haben, die Einhaltung dieser Kriterien bei zahlreichen Unternehmen zu überwachen, müssen sie diese Dienstleistung einkaufen. Hier können Ratingagenturen wie MSCI, ISS und Sustainalytics den Fondsmanagern sehr dienlich sein. Sie sind aufgrund ihrer internationalen Ausrichtung in der Lage, tausende von börsennotierten Unternehmen zu bewerten.

ESG-Kosten „unangemessen“

Doch zufrieden mit ihrem Angebot scheinen die meisten Fondsmanager nicht zu sein. Eine Befragung der Bafin von 30 Managern hat ergeben, dass 81 Prozent die Kosten für die Ratings als „unangemessen“ betrachteten. Außerdem: Trotz der Kosten waren lediglich 36 Prozent der Ansicht, die ESG-Daten und Ratings seien „qualitativ hoch“. Eine deutliche Mehrheit von 62 Prozent war nicht dieser Meinung. Die Begründung der Bafin: „Neben der zum Teil schlechten Datenabdeckung wurde auch die zum Teil unzureichende Aktualität der Daten genannt; der Zeitraum würde zwischen tages-und jahresaktuell variieren“. Inwieweit die Kritik zutrifft, lässt sich schwer sagen. MSCI, ISS und Sustainalytics ließen procontra-Anfragen unbeantwortet. Ein Brancheninsider, der anonym bleiben wollte, hält aber die Kritik für überzogen: „Wir beziehen ESG-Daten und sind zufrieden mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich kann es mir gut vorstellen, dass eher kleinere Fondshäuser unzufrieden über die Mehrkosten für ESG-Fondswaren. Anders als größere Häuser fällt es ihnen viel schwerer, die Mehrkosten zu absorbieren.“

Von der Deka, dem Fondsanbieter der Sparkassen, heißt es, dass sie durchaus die Kosten für die Ratings auf die Managementgebühr umlegt. Aber: „Diese bewegen sich im unteren Bereich der zweiten Nachkommastelle“,versichert eine Sprecherin.

ESG-Fonds sind nicht teurer

Insgesamt sind ESG-Fonds von größeren Häusern in Deutschland nicht teurer als konventionelle Fonds. Ein Blick auf die Aktienfonds, die procontra in der Ausgabe 06/2023 porträtierte, verrät beispielsweise, dass die Managementgebühren der ESG-Varianten der DWS und der Union Investment nur ein wenig höher liegen. Bei den Fonds der Deka und der AGI dagegen sind die Managementgebühren für die Aktienfonds ohne ESG sogar etwas höher. Auch sind die Kosten für MSCI World ETFs mit und ohne ESG von iShares mit 0,20 Prozent pro Jahr identisch.

Im Rahmen der Erhebung hat der zuständige Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch noch die Unzufriedenheit mit der Qualität der Ratings angesprochen. Er sagte: „Wir werden auf europäischer Ebene abwägen müssen, ob wir für die Erhebung und den Umgang mit ESG-Ratings einen Mindeststandard brauchen.“ Das ist schwierig, weil Nachhaltigkeit ein subjektives Thema ist. Johannes Böhm, Senior ESG Analyst bei der Union Investment, meint aber, dass die Ratingagenturen in Sachen Standards einen wichtigen Beitrag leisten könnten, indem sie für mehr Einigkeit hinsichtlich Identifikation und Gewichtung wesentlicher ESG-Kriterien je Sektor sorgten. „Für den Pharma-oder Technologiesektor könnte das die Mitarbeiterzufriedenheit, für die Versorger und Industrie die Klimarisiken sein“, sagt Böhm. Allerdings: Es wird sich wohl kurzfristig nichts ändern, was die Themen Kosten und Standards der Ratings angeht. Die EU hat jüngst ein neues Regelwerk für die ESG-Agenturen beschlossen, das keines der Kritikpunkte in der Bafin-Studie adressiert.