Greenwashing-Vorwurf

Grüne Fonds „deutlich CO₂-lastiger“

Nachhaltige Fonds investieren infolge des Ukraine-Krieges zunehmend in fossile Energien. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Bürgerbewegung Finanzwende. Der Verein spricht von Greenwashing.

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16:02 Uhr | 21. Februar | 2023
Kernkraftwerke hinter grünem Feld

Assetmanager haben als nachhaltig deklarierte Fonds angepasst und zunehmend Aktien von Energiefirmen gekauft. Die Fonds sind dadurch durchschnittlich um knapp acht Prozent CO2-intensiver geworden, so das Ergebnis einer aktuellen Studie.

| Quelle: baranozdemir

Wer sein Geld nachhaltig anlegen will, muss sich zunehmend fragen: Lohnt sich der Kauf überhaupt noch? Schließlich wird die ESG-Fondsbranche immer wieder durch Greenwashing-Skandale erschüttert. Die Glaubwürdigkeit des Themas hat darunter offenbar gelitten: So halten 41 Prozent der Deutschen nachhaltige Geldanlagen für eine Modeerscheinung. Für knapp zwei Drittel der Privatinvestoren spiele das Thema bei der Geldanlage keine Rolle, so das Ergebnis einer aktuellen Befragung des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA).

Zuletzt stuften gegen Ende des vergangenen Jahres Vermögensverwalter wie DWS, Amundi und Deka zahlreiche als dunkelgrün deklarierte Artikel-9-Fonds wieder herab. Aus dunkelgrün wurde hellgrün. Wird nun aus hellgrün schwarz?

So zumindest liest sich das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Bürgerbewegung Finanzwende. Der Verein wollte wissen, welchen Effekt die Gemengelage der vergangenen Monate auf die ESG-Fonds hat. Schließlich profitieren Ölkonzerne seit Februar 2022 von der durch den Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise. Während auf der einen Seite die Kurse steil nach oben gingen, sanken auf der anderen Seite die Tech-Aktien in den Keller.

Aktieninvestments

Im Zuge der Energiekriese haben Vermögensverwalter verstärkt Aktien der Technologie- und Finanzbranche gegen solche von Energiefirmen ausgetauscht.

| Quelle: Bürgerbewegung Finanzwende

Das Problem dabei: Das gute Abschneiden der als grün beworbenen Fonds lag bisher an den überdurchschnittlich hohen Investitionen in der emissionsarmen Technologiebranche. Doch damit war es plötzlich vorbei, die Techkonzerne schwächelten. Wie haben Fondsmanager mit dem Fokus auf nachhaltige Geldanlagen also auf die neue Marktsituation reagiert?

„Zukäufe kamen vor allem Unternehmen zugute, die fossile Energien vertreiben“

Um das herauszufinden, nahmen die Verbraucherschützer über 2.400 in Europa erhältliche und als nachhaltig beworbene, aktiv gemanagte Artikel-8 und Artikel-9-Fonds unter die Lupe. Das Ergebnis dürfte Verfechter grüner Fonds ernüchtern: „Als nachhaltig beworbene Fonds (…) sind insgesamt CO₂-lastiger geworden“, erklären die Finanzwende-Studienautoren. 

Demnach haben Assetmanager ihr ursprüngliches ESG-Portfolio angepasst und Aktien der Technologie- und Finanzbranche gegen solche von Energiefirmen ausgetauscht. „Die Zukäufe im Bereich Energie kamen vor allem Unternehmen zugute, die fossile Energien vertreiben.“ Die Fonds seien dadurch durchschnittlich um knapp acht Prozent CO2-intensiver geworden. 

Im Untersuchungszeitraum wurden für 2,6 Milliarden US-Dollar als nachhaltig klassifizierte Fonds mit Aktien aus der Energiebranche „angereichert“. Davon flossen 940 Millionen Dollar in fossile Energiegewinnung. „Und das mit steigender Tendenz“, kritisieren die Autoren. Nur 138 Millionen Dollar wurden hingegen in Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energiegewinnung investiert.

Geringe Wirkung nachhaltiger Geldanlagen

Eines der größten Probleme besteht nach wie vor darin, dass es keine trennscharfe Definition darüber gibt, was eine nachhaltige Geldanlage auszeichnet. „Dazu bedarf es nachvollziehbarer Kriterien, die die Politik setzen muss“, sagt Norman Wirth, Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW. Die regulatorischen Vorgaben seien unverständlich, zu kompliziert und komplex. „Das muss sich ändern, sonst gibt es kaum Akzeptanz bei den Vermittlern und ihren Kunden für dieses doch so brennende Thema.“

Selbst, wer sein Geld in den klimafreundlichen Umbau eines bisher CO₂-intensiven Unternehmens steckt, könne nicht sicher sein, dass es der Umwelt zugutekommt. „Noch immer expandieren viele von ihnen im Bereich der fossilen Energiequellen“, monieren die Finanzwende-Verbraucherschützer. Das Argument, dass die geopolitische Situation andere Anlagestrategien erfordere, lassen die Autoren nicht gelten. „Denn niemand zwingt Fondsgesellschaften, diese Investitionen als ,grün' oder ,nachhaltig' zu klassifizieren.“ Das niederschmetternde Fazit: „Die Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen, besonders durch Aktienfonds, ist für die Transformation begrenzt.“