Finfluencer: Wie sie arbeiten und warum sie Erfolg haben
Junge Menschen, die sich über das Thema Finanzen informieren möchten, werden immer häufiger in den sozialen Medien fündig. Laut BaFin haben sich bereits 50 Prozent der 18- bis 45-Jährigen einmal von einem sogenannten Finfluencer informieren lassen.
Doch nicht immer meint es dieser ehrlich mit seinen Followern. Die Zahl der selbsterklärten Finanzexperten, die ihre Zuhörerschaft zum Kauf von Meme-Coins, zum Shortselling oder zur Teilnahme an Coaching-Angeboten animieren möchte, ist groß. Honorarberater Thomas Beutler hat sich entschieden, etwas dagegenzusetzen. Auf seinem YouTube-Kanal "Investiert in Wissen" vermittelt er nicht nur Expertise zu Finanzprodukten, sondern informiert auch über die besonders schwarzen Schafe im Netz. Mit procontra sprach er darüber, warum Finfluencer so einen Erfolg haben, auf welche Maschen sie setzen und wie eine schärfere Regulierung aussehen könnte.
procontra:
Die BaFin hatte im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass immer mehr junge Menschen ihre Geldanlage-Tipps in den sozialen Medien bei Influencern holen. Ist das ein Trend, den Sie ebenfalls beobachten? Wie groß ist dieses Problem?
Thomas Beutler:
Ja, dieser Trend ist eindeutig zu erkennen. Für viele junge Menschen ist das Internet bzw. Social Media heute die erste Anlaufstelle, wenn es um Finanzthemen geht. Das Problem dabei ist, dass viele von ihnen die Mechanismen hinter den Ratschlägen und Empfehlungen nicht verstehen. Oft wird das Vertrauen in Influencer gesetzt, die scheinbar erfolgreich sind, ohne dass die Follower sich bewusst sind, dass diese teilweise durch wirtschaftliche Vereinbarungen beeinflusst werden. Es kann zu einer Art „Vertrauensmissbrauch“ kommen, bei dem die Influencer ihre Community eher monetarisieren, statt tatsächlich wertvolle Informationen zu bieten. Dies kann bis zu gefährlichen Praktiken wie einem „Exit Scam“ führen.
procontra:
In Ihrem Youtube-Kanal berichteten Sie zuletzt über einen maskierten Influencer, der aus Dubai seine Community zum Investieren auffordert. Was macht solche Persönlichkeiten so attraktiv für die jungen Anleger, dass diese bereit sind, einem Typ mit Maske zu vertrauen?
Beutler:
Auf den ersten Blick erscheint es tatsächlich absurd, einem maskierten Influencer zu vertrauen. Aber er selbst erklärt, dass er nicht im Mittelpunkt stehen möchte, sondern dass nur seine Botschaft zählt. Diese Haltung wirkt zunächst sympathisch, doch dahinter verbirgt sich meist eine andere Strategie. Was viele anzieht, ist das Leben, das er vorgibt zu führen. Er zeigt ein Leben, das für viele Menschen als unerreichbar gilt – und genau das weckt den Wunsch, ihm nacheifern zu können. Diese Influencer vermitteln eine Illusion von Erfolg und einem besseren Leben, was besonders bei Menschen ankommt, die mit ihrer aktuellen Situation unzufrieden sind. Sie hoffen, dass sie durch den Erfolg dieser Persönlichkeiten selbst etwas Ähnliches erreichen können.
Beutler:
Ganz genau. Die sozialen Medien bieten hier die perfekte Plattform, um diese Erzählung immer weiter zu verbreiten, was das Vertrauen der Follower stetig wachsen lässt.
procontra:
Es scheint, dass solche Influencer eine starke emotionale Wirkung auf ihre Anhänger haben. Was für Emotionen sprechen sie an, und wie nutzen sie diese, um ihre Follower zu beeinflussen?
Beutler:
Gier ist sicherlich ein großes Thema. Die Influencer versprechen hohe Gewinne mit minimalem Einsatz. Der Wunsch, schnell reich zu werden, ohne viel zu riskieren, ist grundsätzlich für viele Menschen nachvollziehbar. Diese „einfachen“ Lösungen für komplexe finanzielle Themen sind sehr verlockend. Gleichzeitig geht es aber auch um die emotionale Anziehungskraft, die sie ausstrahlen. Bestimmte Influencer setzen auf konkrete Versprechungen, etwa den schnellen Anstieg einer Aktie oder Kryptowährung. Das ist natürlich unseriös, aber es ist auch extrem attraktiv, da es das Bedürfnis nach konkreten Ergebnissen ohne viel Aufwand oder Risiko anspricht. Die Gefahr zeigt sich erst später, wenn sich herausstellt, dass es sich dabei oft um leere Versprechungen handelt.
Beutler:
Problematisch wird es, wenn Influencer Geschäftsmodelle bewerben, ohne eine klare Trennung zwischen persönlicher Empfehlung und bezahlter Werbung aufzuzeigen. Viele Zuschauer wissen oft nicht, ob das Gespräch, das sie sehen, tatsächlich aus eigenem Interesse geführt wird oder ob es sich um bezahlte Inhalte handelt. Diese Intransparenz ist ein großes Problem, und als Nutzer fehlt oft die Möglichkeit, diese finanziellen Verbindungen zu überprüfen. Diese Grauzone ist gefährlich, da sie das Vertrauen in die Authentizität der Inhalte untergräbt.
procontra:
Gibt es Warnhinweise, auf die man achten sollte, wenn man sich mit Finfluencern auseinandersetzt? Wann sollte man misstrauisch werden?
Beutler:
Ein großer Warnhinweis ist immer dann gegeben, wenn jemand den „schnellen Reichtum“ oder den „Geheimtipp“ verspricht. Besonders kritisch wird es, wenn Influencer so tun, als ob sie exklusive Insiderinformationen hätten. Diese Versprechungen sind häufig unrealistisch und ein klares Zeichen für einen unseriösen Ansatz.
procontra:
Häufig wird ja auch eine zeitliche Verknappung erzeugt. Den Menschen wird suggeriert, schnell handeln zu müssen, um profitieren zu können.
Beutler:
Ja genau. Am Ende arbeiten die eigentlich immer mit Online-Marketing-Profis zusammen. Die wissen genau, wie sie Aufmerksamkeit schaffen und mit welchen Informationen sie einen sogenannten Funnel, also eine Art Trichter erzeugen können, in den die Menschen dann immer weiter reinrutschen. Häufig führt der Weg zu einem Online-Webinar, das natürlich zunächst gratis ist. Dort wird man dann stundenlang von Marketing-Profis regelrecht bearbeitet. Und am Ende steht dann der Verkauf, der für die Follower natürlich sehr teuer sein kann. Aber dann haben die Zuhörer ja schon so viel Zeit investiert, haben so viele tolle Sachen gehört, dass sie bereit sind, auch diesen letzten Schritt zu gehen. Man bekommt natürlich auch gesagt: Dich trennt nur noch eine Entscheidung von dem Leben, das du dir wünscht. Oder: Gewinner entscheiden schnell, die warten nicht. Das scheint oft zu wirken.
Beutler:
Vielen Menschen scheint es offenbar an einer gewissen Grundskepsis zu fehlen. In den Webinaren berichten die Finfluencer häufig von ihren vermeintlichen Erfolgen und erzählen, was sie bereits alles erreicht haben. Beweise dafür bleiben sie jedoch in der Regel schuldig. Aber offenbar kommen die Finfluencer hier sehr glaubwürdig rüber und spielen ihre Rolle so gut, dass bei vielen Menschen die Skepsis verloren geht. Die Finfluencer versuchen darum ja auch, möglichst nah an die Menschen heranzurücken.
Beutler:
Sehr beliebt ist es, die Leute in geschlossene Räume zu manövrieren. Ein sehr beliebtes Tool in vielen Multi-Level-Marketing-Systemen ist hier Zoom. In diesen Zoom-Kanälen herrscht immer eine grundsätzlich positive Stimmung gegenüber dem Gesagten – auch von Seiten der anderen Teilnehmer. Bei denen weiß man aber nie, ob diese Bestandteil der Verkaufsmasche sind oder nicht. Kritische Nachfragen sind indes nicht gerne gesehen. Das ist mir bereits mehrfach passiert, dass man mich dann stumm gestellt oder des Kanals verwiesen hat. Man ist sehr bemüht, dort für eine positive Stimmung zu sorgen. Die sorgt dann auch dafür, dass es den Menschen leichter fällt, bestimmte Sachen zu glauben. Das ist ein ausgeklügeltes System, das wohlerprobt ist und immer wieder verwendet wird.
Beutler:
Auslöser war, dass ich von vielen Kunden – ich bin ja auch als Honorarberater tätig – auf bestimmte Personen angesprochen wurde, die im Netz Panik verbreitet haben. Sogenannte Crash-Propheten. Als Honorarberater war es aber auch mein Anliegen, meine Kunden in ihrer finanziellen Strategie, die man ja zusammen erarbeitet hat, zu halten. Gleichzeitig erhalten diese Crash-Propheten in den sozialen Medien viel Aufmerksamkeit und sorgen für Verunsicherung. Da dachte ich mir, dass ich hier im gleichen Bereich etwas dagegenstellen muss.
procontra:
Die unseriösen Finfluencer setzen ja häufig auf Psychologie, schaffen Vertrauen, setzen stark auf Emotionen. Wie kann Finanzbildung hier ein Gegengewicht bilden?
Beutler:
Finanzbildung ist aus meiner Sicht der Schlüssel, um solche Probleme langfristig zu lösen. Allerdings geht es zunächstnicht nur darum, dass Jugendliche lernen, wie sie ein Portfolio aufbauen oder eine Altersvorsorge betreiben. Vielmehr sollten sie verstehen, wie Marketing und psychologische Mechanismen funktionieren, besonders im Internet. Sie sollten in der Lage sein, zu hinterfragen, warum ein Influencer bestimmte Produkte oder Dienstleistungen bewirbt und welche Interessen dahinter stecken. Wenn junge Menschen lernen, diese Mechanismen zu erkennen, können sie sich viel eher vor unseriösen Angeboten schützen und vermeiden teure Fehler. Daher plädiere ich für eine praxisorientierte Finanzbildung in der Schule – nicht nur in Bezug auf Finanzprodukte, sondern auch in Bezug auf Medienkompetenz und die Hintergründe von Werbung und Marketing.
Beutler:
Ich bin definitiv für mehr Transparenz, aber nicht für eine vollständige Regulierung, die die gesamte Szene austrocknet. Es sollte vielmehr sichergestellt werden, dass Influencer, die finanzielle Empfehlungen abgeben, ihre finanziellen Verbindungen offenlegen müssen. Werbung sollte immer klar erkennbar sein, und wenn ein Influencer durch ein Produkt oder einen Sponsor eine finanzielle Entschädigung erhält, muss das klar und deutlich offengelegt werden. Das ist eine wichtige Maßnahme, um den Konsumenten mehr Klarheit zu verschaffen und das Vertrauen in die Branche zu stärken. Gleichzeitig sollte es auch Strafen für die Nichteinhaltung dieser Offenlegungspflichten geben.
procontra:
Aus Reihen der Grünen gab es den Vorschlag, dass Finfluencer keine konkreten Produktempfehlungen mehr aussprechen dürfen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Beutler:
Ich halte ihn für problematisch. Die Menschen suchen doch konkrete Informationen und wollen beispielsweise wissen, ob ein Fonds gut oder schlecht ist. Ein solches Verbot würde ja dazu führen, dass man nichts mehr konkret besprechen könnte – das würde mir zu weit gehen.