Vermittlervergütung

„Ein Kunde sagt nicht eines Tages, er möchte in Fonds investieren“

Die EU-Kleinanlegerstrategie bringt vieles in Bewegung. Jan Schepanek von der FIL Fondsbank (FFB) über Vermittlervergütung, Kundenansprache und neue Konkurrenz.

13:09 Uhr | 08. September | 2023
Jan Schepanek

„Wenn wir in Richtung eines vollständigen Serviceentgeltes gehen, erhöht sich auch die Transparenz für die Anleger": Jan Schepanek, Sprecher der Geschäftsführung bei der FIL Fondsbank (FFB), im procontra-Gespräch.

| Quelle: FIL Fondsbank (FFB)

procontra:

Zu Beginn des Jahres stand mit der Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission noch ein mögliches Verbot der provisionsbasierten Finanzberatung im Raum. Sie selbst rechnen am deutschen Markt mit einem Wandel hin zu Serviceentgelten anstelle von Provisionen. Rechnen Sie mit einem eher schleppenden oder zügigen Wandel?

Jan Schepanek:

Ob ein Verbot provisionsabhängiger Vergütung kommt, ist noch nicht endgültig entschieden. Die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hat ihre Pläne eines Verbots „vorerst“ zurückgenommen, wie sie sagt. Über ein Verbot wird daher im Gesetzgebungsprozess sicherlich noch diskutiert werden. Die weitere Entwicklung bei den Gebührenmodellen hängt in erster Linie davon ab, wohin die Gesetzgebung geht. Selbst wenn es kein direktes Verbot geben wird, werden vermutlich immer mehr unabhängige Berater Serviceentgelte einführen.

procontra:

Woran machen Sie dies fest?

Schepanek:

Das sehen wir in unseren Zahlen. Bei den neu eröffneten Depots zum Beispiel war es vor fünf Jahren knapp jedes fünfte Depot, das mit einem Serviceentgelt eröffnet wurde. Jetzt ist es bereits annährend die Hälfte der neuen Depots. Das dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass Vermittler diesen Service den Kunden mittlerweile verstärkt anbieten. Deshalb vermute ich, dass die freien Finanzvermittler im Wandel in Richtung Serviceentgelt vorangehen werden. Die Banken hingegen dürften eher zögerlich handeln. Denn dieses Vergütungsmodell hat einen sehr hohen Einfluss auf die Vertriebsstrukturen der Akteure. Das dürfte auch einer der wesentlichen Gründe gewesen sein, warum bei der Diskussion um die Ausgestaltung der Kleinanlegerstrategie ein Provisionsverbot vorerst zurückgestellt wurde.

procontra:

Die Serviceentgelte können frei ausgestaltet werden. Für Anleger könnten sich so auch ohne signifikante Zusatzleistungen höhere Gebühren ergeben als bei einem Provisionsmodell. Welche Tendenzen sehen Sie bei der Preisgestaltung?

Schepanek:

Grundsätzlich ist es möglich, zu höheren Preismodellen zu kommen, das ist richtig. Bei der Zusammenarbeit mit Finanzanlagenvermittlern ist es uns sehr wichtig, dass ein guter Service erbracht wird, wenn Vermittler Serviceentgelte berechnen. Es geht eben nicht, dass gleichbleibender oder kein Service geliefert, aber ein zusätzliches Entgelt erhoben wird. Wenn wir uns anschauen, welche Entgelte insgesamt erhoben werden, ist es häufig eine Kombination aus Serviceentgelt und Bestandsprovision. Bei einer solchen Kombination der Modelle sind für den Endinvestor die konkreten Kosten allerdings eher schwierig zu ersehen. Wenn wir in Richtung eines vollständigen Serviceentgeltes gehen, erhöht sich daher auch die Transparenz für die Anleger.

procontra:

Das Angebot der FFB als Vermittlerbank ist Privatanlegern über Vertriebspartner zugänglich, also über freie Vermittler, mit denen die Bank zusammenarbeitet. Lässt sich die Fondsbank mit diesem Konzept mit anderen Fondsplattformen vergleichen, die für Anleger direkt zugänglich sind?

Schepanek:

Die FFB ist eine organisatorische Einheit, bei der zwei unterschiedliche Geschäftsbereiche angesiedelt sind. Der eine ist der Bereich Advisory: der Beratungsbereich in Zusammenarbeit mit freien Vermittlern. Der andere ist das Personal Investing, das Direktgeschäft mit Anlegern. Dort wenden wir uns direkt an Selbstentscheider ohne Beratung. Dieser Geschäftsbereich lässt sich sehr gut mit anderen Fondsplattformen vergleichen, die Anlegern zur Verfügung stehen.

procontra:

Wie ist die prozentuale Aufteilung der beiden Geschäftsfelder?

Schepanek:

Den Großteil macht der Beratungsbereich in Zusammenarbeit mit freien Vermittlern aus, die insgesamt 600.000 Kunden betreuen. Das administrierte Vermögen liegt dort bei rund 33 Milliarden Euro. Im Direktgeschäft verzeichnen wir 50.000 Endkunden und ein Anlagevermögen von zwei Milliarden Euro.

procontra:

Welche Entwicklung sehen Sie am Markt der Fondsplattformen bis heute und für die kommenden Jahre?

Schepanek:

In den vergangenen Jahren hat sich an diesem Markt sehr viel getan. Eines ist dabei klar: Man muss als Anbieter vom konkreten Kundenbedarf her denken und handeln. Ein Kunde sagt nicht eines Tages, dass er jetzt in Fonds investieren möchte. Sondern er hat einen bestimmten Bedarf, den ein Anbieter erkennen und konkret adressieren muss. Ein Anleger möchte zum Beispiel fürs Alter vorsorgen oder kontinuierlich Vermögensaufbau betreiben. Fonds sind für solche Zwecke derzeit die beliebteste Form, wobei sich der Anteil von Fonds am Haushaltsvermögen in den kommenden Jahren noch deutlich erhöhen dürfte. Die „Fundamentaldaten“ für Fondsplattformen sind also gut. Wir dürfen allerdings nicht isoliert auf Fonds schauen, sondern müssen auch andere Bereiche im Auge behalten, etwa Kryptowährungen, Einzelaktien oder das Angebot neuer Player auf dem Markt.

procontra:

Was stellen Sie dort konkret fest?

Schepanek:

Wenn man auf den Markt der Fondsplattformen und das Umfeld schaut, lassen sich drei Trends erkennen. Zum einen gibt es eine neue Art von Wettbewerb: die Broker, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, sind gerade bei jüngeren Anlegern sehr populär und setzen vermehrt auf Einzelaktien. Zum anderen ist der Bedarf hoch, das digitale Kundenerlebnis zu verbessern und die Client Journey sehr viel einfacher zu gestalten. Drittens handelt es sich um ein Skalengeschäft, welches eine hohe Automatisierung und Digitalisierung verlangt. Die Zeit der Covidmaßnahmen hat die Erwartungen an das Kundenerlebnis und die Schnelligkeit des Prozesses sicherlich erhöht. Der Lieferdienst kommt schnell und dann muss die Kapitalanlage auch schnell gehen. Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird sicherlich ein Thema werden.

procontra:

Fehlt Ihnen noch ein Punkt in der ganzen Debatte um die Kleinanlegerstrategie?

Schepanek:

Es ist sehr wichtig, dass in die Diskussion rund um die Kleinanlegerstrategie nun Bewegung kommt. Wir sehen dort viele positive Punkte, auch wenn einige Aspekte noch offen sind. Es ist außerdem wichtig, dass wir als Finanzbranche breiter auf finanzielle Bildung setzen. Dieser Aspekt fehlt leider in der Kleinanlegerstrategie. Finanzielle Bildung sollte uns auch als Gesellschaft wichtig sein, weil es ein sehr wichtiges Thema ist, das uns alle unmittelbar angeht. Nur wenn wir umfassend aufgeklärt und informiert sind, können wir zum Beispiel die konkreten Unterschiede zwischen verschiedenen Preismodellen erkennen. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass wir als Finanzbranche uns noch stärker für finanzielle Bildung engagieren.