Biodiversität

Artensterben bedroht auch Finanzwirtschaft

Die Finanz- und Versicherungswirtschaft hat das Thema Biodiversität bereits auf ihre Agenda gesetzt. Warum die Branche das Artensterben dennoch befördert und welche Fragen Finanzberater stellen sollten, um herauszufinden, ob sich Geldhäuser für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen

Author_image
10:04 Uhr | 28. April | 2023
Tote Biene

Das Bienensterben bedroht unsere Lebensgrundlage und die Wirtschaft. Allerdings ist es die Finanzindustrie, die selbst einen erheblichen Anteil daran habe, kritisiert eine Expertin.

| Quelle: kutsuks

Stirbt eine Art aus, bemerken es viele Menschen in ihrem Alltag hierzulande bisher kaum. Biodiversität ist ein abstraktes Wort, die Bedrohung der biologischen Vielfalt scheint zu weit weg. Deswegen ein Beispiel aus dem Alltag: Ohne Mücken würde es keine Schokolade mehr geben. Tatsächlich können nämlich nur zwei kleine Mückenarten den Kakao bestäuben, wie die Autorinnen Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg in ihrem gleichnamigen Buch „Was hat die Mücke je für uns getan?“ erklären.

Und bereits jetzt sterben viele Bienen, Schmetterlinge und Käfer. Und das bedroht wiederum die Nahrungsmittelversorgung, denn: Ohne Insekten gibt es weniger Obst, Gemüse und Nüsse. Zwischen 1989 und 2014 ist die Masse an fliegenden Insekten in über 60 Naturschutzgebieten in Deutschland um über 75 Prozent zurückgegangen. Wissenschaftler befürchten, es könnte in 100 Jahren gar keine Insekten mehr geben. Die daraus folgende Mangelernährung würde jährlich Millionen Menschen das Leben kosten. 

„Die Klimakrise bedroht, wie wir leben. Das Artensterben bedroht, ob wir leben“, sagt Susanne Bergius, freie Journalistin mit Fokus auf Sustainable Finance auf einer Veranstaltung von ökofinanz-21, einem Verein, der sich für nachhaltige Vermögensberatung einsetzt. Biodiversität ist die Grundlage allen Lebens – in jeder Hinsicht. Denn über die Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts hänge von Ökosystemen ab: Der Wert der Biodiversität wird auf 170 bis 190 Billionen US-Dollar geschätzt, erklärt Bergius. Pro Jahr sinkt dieser Wert zwischen sechs bis 30 Billionen US-Dollar. Das würde konservativ gerechnet bedeuten: In etwa drei Jahrzehnten ist Schluss.

Mit dem Verlust des biologischen Reichtums, geht also auch der finanzielle Reichtum verloren. „Das Artensterben bedroht die Fundamente unserer Ökonomie“, warnt die Expertin. Zuletzt hat das eindrücklich die Corona-Pandemie gezeigt, die sehr wahrscheinlich eine Folge der Zoonose gewesen ist, also einer Infektions-Erkrankung, die wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen wird. Derlei Erkrankungen nehmen zu, je stärker der Lebensraum der Tiere zerstört wird.

Kritik auch an BaFin

Welche Rollen spielt die Finanzwirtschaft dabei? Bergius wirft deutschen Finanzinstituten vor, dass sie erheblich zur Entwaldung beitragen. Das Problem: Entwaldung gilt als der Artenkiller. Und tatsächlich ist das Problem der Branche bereits bekannt: Schließlich soll der Schutz der Artenvielfalt künftig bei der Kapitalanlage und bei der Versicherung von Risiken berücksichtigt werden, wie der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu Beginn des Jahres erklärte. „Künftig soll sowohl bei den Investitionen der Versicherer als auch bei der Zeichnung von Risiken darauf geachtet werden, dass die natürlichen Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen bewahrt werden. Das gilt insbesondere in schützenswerten Gebieten und bei Wirtschaftsaktivitäten, die natürliche Ressourcen stark beanspruchen“, so der Verband.

Bergius geht davon aus, dass die in der EU derzeit noch verhandelte Taxonomie zur Biodiversität in die bereits bestehende Regulatorik mit aufgenommen wird. Noch haben ihr zufolge zwei Drittel der Finanzakteure keine messbaren Biodiversitätsziele verankert. Nur zwölf Prozent der Geldhäuser können demnach eine Richtlinie gegen Entwaldung vorweisen. Sie sieht allerdings auch die BaFin in der Pflicht, die Finanzbranche härter zu sanktionieren: „Die BaFin muss endlich begreifen, dass die Finanzbranche etwas verändern muss“, bemängelt Bergius.

Fragen für Finanzberater

Finanzberater, die im Auftrag ihrer Kunden nur solche Vermögensverwalter auswählen sollen, die das Thema Biodiversität auf der Agenda haben, empfiehlt sie zu fragen: „Haben Sie eine Richtlinie gegen Entwaldung? Ist sie veröffentlicht worden? Welche Maßnahmen planen Sie? Wann gibt es einen Bericht dazu? Wann treten Sie einer Richtlinie gegen Entwaldung bei? Haben Sie messbare biodiverse Richtlinien in Ihren Kapitalanlagen?“

Es mag nur ein kleiner Hebel sein, den Anleger und Finanzberater beim Artenschutz haben. Doch wenn immer mehr Investoren ihr Geld in solche Fonds stecken, die das Thema berücksichtigen, könnte das am Ende auch die Wirtschaft vor einem Untergang bewahren.