Immobilienmarkt im Wandel

Nach Zinsanstieg: Mieten oder kaufen?

Mieten und Kaufpreise bewegen sich an der Belastungsgrenze. Immer mehr Interessenten fragen sich daher, in welchen Regionen die (eigenen) vier Wände noch erschwinglich sind.

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11:10 Uhr | 11. Oktober | 2023
Haus mit mehreren Münzbergen

Derzeit herrscht viel Verunsicherung bei Kaufwilligen von Immobilien, bezahlbare Wohnungen sind kaum noch zu finden. Das rückt die Frage in den Fokus: Mieten oder kaufen?

| Quelle: malerapaso

Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Das gilt für die Wahl des Ehepartners, wie für den Immobilienkauf. Derzeit herrscht viel Verunsicherung bei Kaufwilligen, was die weitere Entwicklung von Zinsen und Objektpreisen, aber auch Vorgaben wie Heizungsgesetz und Gebäudesanierung betrifft. Teilweise dramatisch ist die Lage auf dem Mietmarkt. Bezahlbare Wohnungen sind kaum noch zu finden – zumindest in den Großstädten und deren Speckgürteln. Kaufen oder mieten? Das ist die Frage. 

Orientierung gibt diese Faustformel: Gib nicht mehr fürs Wohnen aus als 25 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens. Diese Linie nicht zu überschreiten, ist für durchschnittlich verdienende Haushalte schwierig geworden. Dies geht aus dem Postbank Wohnatlas 2023 hervor. Demnach lebte 2022 jeder zweite Haushalt in einer der 144 Regionen Deutschlands, in denen im Schnitt mehr als 25 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für die Kreditfinanzierung einer beispielhaften 70-Quadratmeter-Wohnung ausgegeben werden musste. 2021 seien nur 35 Regionen als entsprechend teuer für Durchschnittshaushalte eingeordnet worden. 

Ein Grund: Vielerorts sind die Immobilienpreise schneller gestiegen als die Einkommen in der jeweiligen Region. Noch entscheidender für die verschlechterte Lage für Kaufwillige sei der steile Zinsanstieg gewesen. Bekanntlich hat die Europäische Zentralbank seit Mitte 2022 den Leitzins von Null auf aktuell 4,25 Prozent in die Höhe katapultiert; so rasch wie nie in ihrer Geschichte. 

Zinsniveau bleibt hoch 

In der Folge sind auch die Zinskosten für Immobilienkredite auf lange nicht gesehene Niveaus gestiegen. Laut Ingmar Rega, Chef des Genossenschaftsverbandes, wird das derzeitige Niveau für langfristige Kreditzinsen zum Marktstandard. Kurz: Geldleihen bleibt teuer. Aktuell, so Rega, sind für Nachfrager „noch die Niedrigzinsen der gefühlte Maßstab“, was abwartendes Verhalten bei der Kreditaufnahme begünstige. 

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„Wer ein Objekt im Auge hat, sollte umso gründlicher prüfen, ob die Finanzierung auch langfristig zu stemmen ist“, meint Manuel Beermann, Leiter Immobiliengeschäft der Postbank. „Auch einen Puffer für unvorhersehbare Änderungen der finanziellen Lage und für Belastungen durch Inflation und hohe Energiepreise sollten Kaufinteressenten einbauen.“ In den vergangenen Jahren sei der Einkommensanteil, der für die Finanzierung von Eigentumswohnungen aufgewendet werden musste, stetig gewachsen. Diese Entwicklung flache nun ab, weil die Kaufpreise langsamer oder gar nicht mehr stiegen. Fachleuten zufolge verharren sie aber auf hohem Niveau. 

Teuer ist Kaufen in 23 Regionen, darunter die sechs Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main und Düsseldorf. Hier überweisen Eigentümer mehr als 40 Prozent ihres durchschnittlichen regionalen Haushaltseinkommens für die laufenden Kreditzahlungen an die Banken. Die Großstadt Stuttgart – Nummer 7 der sogenannten Big 7 – liegt mit 39,7 Prozent knapp unter dieser Schwelle. 

Betrachtet man nur die sieben Metropolen, wird eine deutliche Veränderung sichtbar. Dort fließt mittlerweile ein sehr hoher Einkommensanteil in die Finanzierung der beispielhaften 70-Quadratmeter-Wohnung. Laut Wohnatlas sprang der Anteil am verfügbaren Einkommen von 34,3 Prozent im Jahr 2021 auf 48,8 Prozent im Jahr 2022. Die höchste durchschnittliche Belastung haben Käufer in München (62 Prozent), gefolgt von Berlin (57 Prozent), Hamburg (52 Prozent) und Frankfurt (50 Prozent). 

Mietbelastung bundesweit im Rahmen 

Weitere Großstädte mit hohen monatlichen Ratenzahlungen sind Rostock, Potsdam, Freiburg, Heidelberg, Regensburg und Augsburg. Sogar über die 50-Prozent-Marke liegen die Feriengebiete mit den Landkreisen Nordfriesland, Aurich, Garmisch-Partenkirchen sowie Miesbach, der gleichzeitig zum Speckgürtel Münchens gehört. 

Dagegen bleibt die anteilige durchschnittliche Einkommensbelastung durch Nettokaltmieten deutschlandweit unterhalb der Schwelle von 25 Prozent; mit Ausnahme von München (26,4 Prozent). Über alle Big 7 hinweg sank der Anteil des Einkommens für die Nettokaltmiete leicht auf 22,4 Prozent. Der 25-Prozent-Marke nah kommen mittlerweile Freiburg, Berlin und Heidelberg mit jeweils gut 24 Prozent. Laut Wohnatlas sind die Nettokaltmieten in Berlin 2022 stärker gestiegen als die Einkommen, nämlich binnen Jahresfrist um 9,3 Prozent beziehungsweise 6,2 Prozent. Den höchsten Anstieg der Mieten verzeichnete mit 14,9 Prozent die Ostseestadt Rostock. 

Vor diesem Hintergrund werden Regionen mit Belastungen unter der 25-Prozent-Schwelle interessant – für junge Menschen und Familien mitunter zur Notwendigkeit. Jenseits der Big 7 werden sie fündig. Dazu Beermann: „Vor allem in ländlichen Regionen muss der durchschnittliche Haushalt geringere oder gleich hohe Anteile des Haushaltseinkommens für die Finanzierung aufbringen als Mieter für die örtliche Nettokaltmiete.“ Insgesamt böten 14 Regionen einen leichten Vorteil für Käufer. Die Top 10 darunter befänden sich überwiegend in Ostdeutschland.

Vermögensaufbau als Vorteil von Wohneigentum

Die Fachleute der Postbank weisen auch den Vermögensaufbau als Vorteil von Wohneigentum hin. Selbst wenn die Kosten für Kredite mehr Einkommen binden als die Miete, sei dies kein Ausschlusskriterium. Denn Eigentümer betrieben im Gegensatz zu Mietern einen Vermögensaufbau. „Das rechtfertigt in der Regel einen Aufpreis“, betont Beermann. „Immobilienbesitz ist immer auch eine Absicherung für das Alter und macht zudem unabhängig von künftigen Mietpreissteigerungen.“

Nähmen Kaufinteressenten einen geringen Zuschlag für den Eigentumserwerb von maximal fünf Prozentpunkten in Kauf, kämen weitere 67 Regionen in Frage. Viele davon seien ebenfalls in Ostdeutschland, aber eben auch in Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Beispielhaft nennt Beermann Städte wie Salzgitter, Gelsenkirchen, Oberhausen, Emden und Pirmasens.

Wichtig freilich auch: „Eine Kaufentscheidung sollte nie nur vom Vergleich der Einkommensbelastung abhängig gemacht werden“, sagt Beermann. Der Wohnatlas liefere zwar wichtige Hinweise für die Entscheidung. Eine ebenso große Rolle spiele die Lebensplanung und die persönliche finanzielle Situation. Auch Energieeffizienz und Renovierungsbedarf seien wichtige Kriterien. Kurz: Drum prüfe, wer sich ewig bindet.