Interview

Teilverkauf der eigenen Immobilie: Wirklich eine gute Idee?

Mit dem Teilverkauf ihrer Immobilie behalten Besitzer das Wohnrecht und werden trotzdem liquide. Kritik erntet das Modell wegen hoher Gebühren und nachteiliger Konditionen für Verkäufer. Christoph Neuhaus, Mitgründer von Wertfaktor Immobilien, nimmt Stellung.

11:08 Uhr | 11. August | 2023
Christoph Neuhaus

Christoph Neuhaus, Mitgründer von Wertfaktor Immobilien, spricht im procontra-Interview über Konditionen sowie die Vor- und Nachteile beim Teilverkauf.

| Quelle: Wertfaktor

procontra:

Teilkauf-Offerten richten sich hauptsächlich an ältere Immobilienbesitzer, die Liquidität brauchen, die sie woanders nicht bekommen. Passt diese Annahme auch zu Ihrer Klientel?

Christoph Neuhaus:

Die meisten Kunden haben zwar zuerst bei einer Bank angefragt und keinen Kredit bekommen. Der Generalverdacht, dass nur senile und notleidende Menschen einen Teilverkauf machen, ist aber falsch. Wir unterrichten unsere Kunden im viermonatigem Verkaufsprozess genau über alle Vertragsdetails. Am Ende steht ein Notar, der sicherstellt, dass unsere zukünftigen Miteigentümer verstehen, was sie mit uns unterzeichnen. Unsere Kunden sind im Schnitt 67 Jahre alt. Der Großteil sind Paare, gefolgt von alleinstehenden Frauen. In der Regel wollen diese etwas mit einem größeren Betrag finanzieren, wie ein Auto, eine Küche oder eine Reise. Anfangs haben wir viele Camping-Wagen finanziert. Jetzt sind es öfter energetische Sanierungen und die Ablösung von Restschulden.

procontra:

Wer verkauft, zahlt dafür eine sogenanntes Nutzungsentgelt um die 5 Prozent. Heißt: nach 20 Jahren wäre der Auszahlbetrag aufgezehrt. BaFin und Verbraucherschützer monieren, dass diese Gebühr zu hoch ist und zudem steigen kann. Wie sind Ihre Konditionen?

Neuhaus:

Eines vorweg: Bei einer Miete ist der Kaufpreis auch irgendwann aufgefressen, ohne dass der Mieter davon etwas hat. Bei uns liegt das Nutzungsentgelt zwischen 5,5 Prozent und 6 Prozent der ausbezahlten Summe pro Jahr. Wir fixieren dies für 10 Jahre. Danach wird es für weitere 10 Jahre angepasst. Maßgeblich ist die Entwicklung des 10-Jahres-Bunds.

procontra:

Je nachdem, in welche Richtung die Zinsen gehen, kann sich das Nutzungsentgelt massiv verteuern. Weisen Sie Ihre Kunden darauf hin? Da diese auch die laufenden Kosten allein tragen, könnten sie schnell in eine finanzielle Bredouille geraten.

Neuhaus:

Richtig ist, dass es beim Nutzungsentgelt im Prinzip keine Begrenzung nach oben gibt. Es kann sich verdoppeln oder halbieren. Wir haben eine Illustration, in der wir verschiedene Szenarien in einer normalen Range abbilden, zwischen 3 und 8 Prozent Zinssteigerung etwa. Eine 15-Prozent-Anhebung ist da allerdings nicht berücksichtigt, das gebe ich zu.

procontra:

Zwei weitere Kritikpunkte sind, dass sich die Teilkäufer beim Ver- oder Rückkauf immer eine Mindestsumme vertraglich zusichern lassen, die höher ist als der ursprünglich ausbezahlte Betrag – selbst wenn die Immobilie an Wert verliert. Zudem sei ein Rückkauf überproportional teuer. Was ist die Mindestsumme, die Sie bei einem Anteils-Rückkauf oder Verkauf der Immobilie erhalten?

Neuhaus:

Der Miteigentümer sichert uns dahingehend ab, dass wir mindestens 117 Prozent der Auszahlsumme zurückbekommen. Insofern ist es richtig, dass er bei einem Wertverlust das Risiko allein trägt. Zudem erhalten wir ein Durchführungsentgelt. Beim Verkauf der Immobilie beträgt dies 3,25 Prozent der Gesamtsumme, den sie am Markt erzielt. Falls es sich um Verwandte des Verkäufers handelt, die zurückkaufen wollen, sind es 2,25 Prozent. Insgesamt würden sich die Kosten insofern auf 117 Prozent plus Abwicklungsgebühr summieren.

Allerdings ist es so, dass das Teilkauf-Modell primär auf einen zukünftigen Verkauf der Immobilie mit Wertsteigerung abzielt, und nicht auf einen zeitnahen Rückkauf durch den Verkäufer oder Erben – auch wenn die Option besteht. Wenn Sie ein Stück von einem Kuchen verkaufen, sagen Sie auch nicht nach drei Minuten: "Ich hätte es gern wieder zurück." Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist ein Rückkauf oft nicht erstrebenswert, zumal noch Kaufnebenkosten anfallen, die meist zwischen acht und neun Prozent liegen.

procontra:

Der Punkt hoher Rückkaufkosten ist also berechtigt. Wie sieht es mit dem Kritikpunkt aus, dass die Verträge sehr komplex und mitunter selbst für Juristen schwer zu durchschauen sind?

Neuhaus:

Da halte ich massiv dagegen. Unsere Verträge haben im Schnitt 35 bis 40 Seiten. Die ersten zehn Seiten sind dabei ein Standardvertrag, wie es ihn auch beim normalen Immobilienkauf gibt. Der Rest verteilt sich auf die Nießbrauchbestellung, eine Verkaufsvollmacht und die Miteigentümervereinbarung, in der steht, welche Rechte und Pflichten die Verkäufer haben.

procontra:

Stichwort Pflichten: Welche Vertragsverletzungen können zu einem frühzeitigen Verkauf der Immobilie führen?

Neuhaus:

Wer drei Monate komplett in Zahlungsverzug ist und die Schulden nicht ausgleicht, verpflichtet sich, das Objekt zu räumen. Dann erfolgt ein Gesamtverkauf. Das ist frühestens nach 6 Monaten möglich, sofern der Kunde bis dahin keinen einzigen Euro gezahlt hat. Sofern Teilbeträge gezahlt werden, verschiebt sich dies entsprechend. Zudem verpflichtet sich der Verkäufer, auch alle weiteren Kosten für die Immobilie zu tragen, etwa die Grundsteuer. Wird diese nicht gezahlt, wird sie auf das Nutzungsentgelt draufgerechnet und geht in den gleichen Mechanismus rein.

Ein weiteres mögliches Szenario für einen frühzeitigen Verkauf ist, wenn sich der Kunde nicht an das vertraglich vereinbarte Übertragungsverbot hält. Will er beispielsweise Anteile an Kinder oder andere Begünstigte übertragen, nachdem wir Miteigentümer geworden sind, müssen wir informiert werden und zustimmen. Erfolgt das nicht, haben wir ein Vorverkaufsrecht.

procontra:

Müssen Sie zustimmen?

Neuhaus:

Nein, wir können auch ablehnen.

procontra:

Sie betonen natürlich die Vorteile des Teilkauf-Modells. Doch wie würden Sie in der Position des Verkäufers agieren?

Neuhaus:

Mein erster Impuls wäre immer, eine Lösung in der Familie zu finden. Aber ich habe schon Freunden von meinen Eltern zum Teilverkauf geraten und mache das, ohne rot zu werden, denn mitunter gibt es keine bessere Option.

procontra:

Wann ist ein Teilverkauf keine gute Idee?

Neuhaus:

Wenn der Eigentümer davon ausgeht, dass die Immobile im Wert fallen wird, sollte er sie besser ganz verkaufen. Das würden Sie bei einer Aktie auch machen.