In der Grundfähigkeitsversicherung (GFV) mangelt es offenbar gleich an mehreren Stellen. Das geht aus dem aktuellen Unternehmens- und Leistungspraxis-Rating des Analysehauses Franke und Bornberg hervor. Demnach wissen viele GF-Versicherte zum Zeitpunkt der Leistungsmeldung nicht genau, ab wann eine Grundfähigkeitsleistung tatsächlich gezahlt wird. Denn nicht jede gesundheitliche Einschränkung bedeutet automatisch den Verlust einer versicherten Grundfähigkeit und somit einen Leistungsanspruch.
„Viele Leistungsfallanmeldungen für Grundfähigkeitsleistungen erfolgen bereits, wenn noch kein Leistungsauslöser greift. Das macht deutlich, dass in Beratungsgesprächen besser über den Produktcharakter aufgeklärt werden muss", erklärt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke und Bornberg. Bei dieser Aussage stützt er sich auf Stichproben-Ergebnisse echter Leistungsfälle, die sein Team für das Rating bei den Anbietern Nürnberger, Allianz und Gothaer genommen haben. Zuvor hatte Franke im Zuge eines GFV-Tarif-Ratings auch den uneinheitlichen Leistungsdschungel der Produkte kritisiert.
Die GFV wird immer häufiger als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) angeboten, wenn diese zum Beispiel für Handwerker und andere körperlich Tätige zu teuer ist oder nur mit Ausschlüssen abschließbar ist. Entsprechend klar muss dann aber auch die Beratung zu den versicherten Leistungen ausfallen, damit die GFV in den Köpfen der Kundinnen und Kunden nicht als „gleichwertig, aber preislich günstiger“ abgespeichert wird.
„Vermittler müssen darauf achten, keine unrealistischen Erwartungen zu wecken“, schreiben die Analysten von Franke und Bornberg dazu, und: „Nur durch umfassende Aufklärung lassen sich falsche Erwartungen und spätere Enttäuschungen im Leistungsfall vermeiden.“
Flickschusterei-Produkte
Dazu kommt, dass laut dem aktuellen Rating ein erheblicher Teil der Leistungsfälle aus sogenannten AU-Bausteinen stammen soll. Die zugrundeliegende GFV würde demnach den gemeldeten Leistungsanspruch also gar nicht abdecken, sondern lediglich der Zusatzbaustein, der bei Arbeitsunfähigkeit leistet. „Streng genommen dürfen AU-Leistungen nicht der Grundfähigkeitsversicherung zugeordnet und sollten in der Leistungsstatistik separat ausgewiesen werden“, schreibt die Hannoveraner Ratingagentur dazu in einer Pressemitteilung.
Als weitere Schwierigkeit identifizieren die Analysten die komplexe Leistungsprüfung. „Die notwendige Transferleistung – also die Übertragung medizinischer Befunde auf den Verlust einer definierten Grundfähigkeit – erfordert spezialisiertes Fachwissen und Erfahrung. Versicherer benötigen deshalb sehr gut geschultes Personal in der Leistungsprüfung, das sowohl medizinische als auch versicherungsrechtliche Zusammenhänge versteht“, schreiben sie dazu.
Ist die GFV noch zu retten?
Zwar ist die GFV vor einigen Jahren mit dem Ziel angetreten, eine unkomplizierte und bezahlbare Alternative zur BU zu sein. Doch mit Blick auf die Erkenntnisse aus dem Rating erscheint es fraglich, ob dieses Vorhaben bislang aufgegangen ist. Eine Situation, die Versicherungsmakler Matthias Helberg kürzlich in seinem Blog kritisiert hatte. Zur Lösung des Problems empfiehlt er die Einführung einer privaten Zusatz-Erwerbsminderungsrente.
long story short:
Das Rating von Franke und Bornberg zeigt deutliche Mängel in der Grundfähigkeitsversicherung: Viele Kunden wissen nicht, wann Leistungen greifen, und melden Fälle ohne echten Anspruch. Fehlberatung und unrealistische Erwartungen seien verbreitet. Zudem stammen viele Leistungsfälle nur aus AU-Bausteinen. Die komplexe Leistungsprüfung erfordert Spezialwissen. Ob die GFV als BU-Alternative taugt, wird zunehmend bezweifelt.


