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Handwerker-BU: Wie sinnvoll sind die Spezialtarife?

Berufsunfähigkeitsversicherungen sind für körperlich Tätige sehr teuer. Spezielle Handwerker-Tarife wollen bezahlbaren Schutz bieten. Doch die beste Lösung ist anscheinend eine ganz andere.

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10:07 Uhr | 23. Juli | 2025
Kfz-Mechatroniker blickt erstaunt

Als Handwerker und in anderen körperlich anstrengenden Jobs eine bezahlbare Berufsunfähigkeitsversicherung zu finden, ist schwierig.

| Quelle: dikushin

Was Sie erfahren werden: 

  • Warum BU-Schutz für Handwerker trotz Fortschritt so viel kostet 

  • Was spezielle Zielgruppentarife leisten 

  • Welche Alternative am sinnvollsten erscheint

Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gilt sie als besonders wichtige Form der privaten Absicherung, da sie die „Geldmaschine“ eines jeden Menschen, eines jeden Haushalts schützt. Dafür stehen anscheinend viele sehr gute Produkte zur Verfügung – das bestätigen Ratings immer wieder. Andererseits ist sie für Menschen mit körperlich anstrengenden Berufen sehr teuer, vor allem verglichen mit den Beiträgen für Büroangestellte. „Gerade in handwerklichen Berufen sind BU-Policen häufig so teuer, dass sie aus finanziellen Gründen nicht abgeschlossen werden“, sagt Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei dem Analysehaus Franke und Bornberg. 

Doch wie kann diese Prämienkluft immer noch bestehen? Schon seit etlichen Jahren sind Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparats sowie Unfälle, also die typischen BU-Ursachen von Handwerkern und anderen stark körperlich Tätigen, rückläufig. Nervenkrankheiten hingegen, womit vor allem psychische Erkrankungen gemeint sind, machen schon seit Langem den Löwenanteil der BU-Ursachen aus und steigen weiter an. Sorgen der technische Fortschritt und mehr Arbeitssicherheit in den Unternehmen nicht dafür, dass viele Jobs weniger riskant und körperlich verschleißend sind? 

Hohes Leistungsniveau, hohe Kosten 

Das mag sein, sei aber nicht entscheidend, findet Wedekind. Handwerklich Tätige hätten nicht nur ein signifikant höheres Risiko, berufsunfähig zu werden als etwa Angestellte in Verwaltungs- und Bürotätigkeiten. „Auch bereits geringfügige körperliche Einschränkungen können dazu führen, dass der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Bei gleichlautender Diagnose ist es für Büroangestellte hingegen oft möglich weiterzuarbeiten“, erklärt der Analyst.  

Aus Sicht des auf BU-Schutz spezialisierten Maklers Tobias Bierl spielt bei dieser Diskussion auch eine Rolle, dass die Ansprüche der Ratingagenturen an einen Toptarif über die Jahre immer weiter gewachsen sind. Um dem gerecht zu werden, haben die Versicherer ihre Produkte immer weiter verbessert. „Schließt ein Handwerker eine BU ab, so hat er mittlerweile ein extrem gutes Bedingungswerk und das kostet entsprechend“, sagt Bierl.  

Wenig verwunderlich also, dass manche Versicherer die große Hoffnung von körperlich schwer Tätigen auf bezahlbaren BU-Schutz aufgegriffen haben und – pauschal gesagt – „Handwerker BU-Tarife“ auf den Markt gebracht haben. Aber bieten diese Tarife wirklich genau das, was Handwerker brauchen und das zu günstigeren Beiträgen als der normale BU-Markt? 

Was bieten spezielle Handwerker-Tarife? 

Einer dieser Anbieter ist die LV 1871 mit ihrer „Golden BU“. Diese konzentriert sich vor allem auf Handwerker und industrielle Fachkräfte und bietet spezielle Anpassungsmöglichkeiten, die auf deren Berufsweg angepasst sind. „Ein Schreiner, der nach der Ausbildung seinen Meister macht, kann für die Dauer dieser Weiterqualifikation seine BU-Versicherung stunden lassen und das für 48 Monate. Und: Wenn er die Meisterurkunde in der Tasche hat, kann er seine BU-Versicherung bei uns ohne erneute Risikoprüfung erhöhen. Außerdem kann er die Berufseinstufung überprüfen lassen, wodurch sich möglicherweise die Prämie reduziert“, beschreibt Hermann Schrögenauer, Vertriebsvorstand der LV 1871, auf procontra-Nachfrage die Vorzüge des Produkts.  

Stichwort Prämie: Hier kann die „Golden BU“ für einen 30-jährigen Tischer mit einem vergleichsweise attraktiven Zahlbeitrag aufwarten. Das zeigt unsere Tabelle, in der Franke und Bornberg spezielle Handwerker-BUs normalen hochwertigen Tarifen aus dem Markt gegenübergestellt hat. Dafür lösen die besonderen Leistungsmerkmale aus Maklersicht keine große Begeisterung aus: „Die Mehrwerte der ‚Golden BU‘ sind überschaubar und haben sowohl die Handwerker als auch die Makler nicht besonders angesprochen“, ordnet Bierl ein.  

In der noch sehr kleinen Schublade der Handwerker-BUs sticht ein weiteres Produkt hervor: die „Deutsche Handwerker BU“ des Münchener Vereins. Der Beitrag ihrer etwas abgespeckten Aktiv-Variante lässt aufhorchen, liegt er doch deutlich unter den übrigen verglichenen Marktpreisen (Tabelle). Das hängt allerdings eng mit dem Leistungsumfang zusammen. Dieser enthält zwar ebenfalls auf die Branche ausgerichtete Leistungen, wie zum Beispiel eine Beitragspause bei vollem Versicherungsschutz bis zu 36 Monate während einer Fortbildung zum Meister. Aber die volle versicherte BU-Rente gibt es in der Aktiv-Variante nur, wenn die BU-Ursache auf Beeinträchtigungen am Bewegungsapparat oder Unfälle zurückzuführen ist. In allen anderen Fällen, zum Beispiel bei Krebs oder psychischen Erkrankungen, beträgt die Leistung nur 25 Prozent.  

Zwar könnte diese Leistungseinschränkung und die daraus resultierende Beitragsersparnis genau das sein, was Handwerker und andere Menschen mit körperlich anstrengenden Jobs brauchen. Doch laut Bierl hat das Produkt im Maklermarkt noch nicht verfangen. „Vermittler haben schlichtweg oft auch Angst vor dem Haftungsthema, wenn sie ihren Kunden ein Produkt anbieten, das vom gängigen Benchmark abweicht“, sagt er.  

Alternative Beratungsansätze 

Keine explizite „Handwerker BU“ gibt es bei der Alte Leipziger, immerhin schon seit zehn Jahren durchgehend im Besitz der „Maklers Lieblinge“-Krone in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Anbieter aus dem hessischen Oberursel setzt bei der Tarifierung aller Tätigkeitsprofile auf sein Scoring-System, das die Kunden auf zehn Berufsgruppen verteilt. „Ausschlaggebend ist dabei das Risikoprofil der beruflichen Tätigkeit. So unterscheiden wir auch innerhalb des Handwerkerberufs: Schreiner oder Bäcker fallen zum Beispiel nicht in dieselbe Berufsgruppe wie Straßenbauer“, erklärt Jens Oliver Martin, Leiter des Zentralbereichs Produktmanagement bei der Alte Leipziger Lebensversicherung a.G. Zudem verweist er auf die Grundfähigkeitsversicherung als alternative Absicherung speziell für körperlich Tätige. Die Alte Leipziger biete in diesem Bereich verschiedene Zielgruppenkonzepte an, die gezielt solche Grundfähigkeiten absichern würden, die zum Bespiel Fliesenleger oder Maurer benötigen würden.  

BU-Makler Bierl nimmt wahr, dass im Beratungsmarkt häufiger mal zur Grundfähigkeits-Police gegriffen wird, wenn Handwerker & Co. nach der Absicherung ihrer Arbeitskraft fragen: „Nach dem Motto: Die kostet weniger, bietet auch Schutz und wenigstens hat der Kunde dann etwas in der Hand und ich mein Geschäft.“ Aus seiner Sicht ist das die falsche Herangehensweise.  

Für einen viel besseren Ansatz hält er es, seine Kunden so früh wie möglich in die Berufsunfähigkeitsversicherung zu bringen. Möglich ist das über eine Schüler-BU. Dadurch sichere man sich schon während der Schulzeit eine vergleichsweise günstige Berufsgruppe, die sich nicht mehr ändere, auch wenn man später einmal stark körperlich arbeite, so Bierl. Dennoch gibt es auch hier bei der Beratung einiges zu beachten. Knackpunkt bei diesem Ansatz sind aber anscheinend nicht die Kinder. „Letztendlich müssen die Eltern mitspielen“, meint der Makler.