Kommentar

Effektivkostenquote: „Kennzahl für Experten, aber kein Preisschild"

Sinnvoll oder schlicht irreführend? Die sogenannte Effektivkostenquote sorgt unter Fachleuten immer wieder für hitzige Diskussionen. Lesen Sie dazu den Meinungsbeitrag von Sigurd Löwe, Bereichsleiter Produktmathematik bei der Alte Leipziger Lebensversicherung.

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16:05 Uhr | 22. Mai | 2025
Sigurd Löwe, Bereichsleiter Produktmathematik bei der Alte Leipziger Lebensversicherun

Sigurd Löwe, Bereichsleiter Produktmathematik bei der Alte Leipziger Lebensversicherung

| Quelle: ALH Gruppe

Was Sie erfahren werden

  • Kritikpunkte und Einschränkungen der Effektivkostenquote aus Sicht eines Produktmathematikers

  • Praxisrelevanz der Kennzahl für Kunden und Vermittler

  • Empfehlungen für eine umfassendere Produktbewertung jenseits reiner Kostenbetrachtung

In unserer pro&contra-Rubrik ging es kürzlich um den Sinn oder Unsinn der sogenannten Effektivkostenquote zum Vergleich von privaten Altersvorsorgeprodukten. Dabei bezeichnete Karl Michael Ortmann, Aktuar und Mathematik-Professor, die Quote als legalen Etikettenschwindel, während sie Moritz Schumann, der stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführer, einen wichtigen Kostenindikator nannte. Den ganzen Beitrag können Sie hier nachlesen.

In dem folgenden Kommentar versucht sich Sigurd Löwe, Bereichsleiter Produktmathematik bei der Alte Leipziger Lebensversicherung, dem Thema möglichst differenziert zu nähern:

„Die Effektivkostenquote wird häufig genutzt, um fondsgebundene Rentenversicherungen hinsichtlich ihrer Kosten zu bewerten. Nicht ohne Grund: Sie vereint die vielen komplexen Komponenten der Kostenkalkulation und bezieht sich auf die zu erwartende Rendite (im englischsprachigen Raum wird sie daher sehr treffend auch als ,Reduction in Yield: Renditeminderung’ bezeichnet). Deshalb ist sie ein guter Maßstab, um extrem teure oder günstige Verträge schnell zu identifizieren. Für Kunden ist sie intuitiver als andere Kennzahlen und kann somit eine Orientierungshilfe bei der Produktauswahl sein.

Grafik Kosten einer Fondspolice
| Quelle: Kostentransparenz bei Fondspolicen, Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH, Oktober 2024.

Schwächen der Effektivkostenquote

Dabei geht die Effektivkostenquote jedoch von einigen unrealistischen Modellannahmen aus, die so nicht in der Praxis gültig sind. Beispielsweise werden keine Vertragsänderungen berücksichtigt, die Wertentwicklung ist konstant und Überschüsse bleiben während der Laufzeit unverändert.

Bei Fondspolicen dürfte es jedoch weder eine konstante Wertentwicklung noch konstante Überschüsse geben. Zudem verändert sich die Höhe der Effektivkostenquote, wenn Kunden von den Flexibilitäten ihrer Police Gebrauch machen, zum Beispiel Beitragserhöhungen, Teilauszahlungen, vorzeitiger Rentenbeginn, Beitragspausen.

Die folgende Grafik zeigt die Auswirkungen verschiedener Kapitalmarktentwicklungen auf die Effektivkostenquote, wenn man die tatsächlichen Kosten berücksichtigt. Alle Kapitalmarktpfade führen zur selben Ablaufleistung, die Effektivkostenquote variiert aber zwischen 1,10 und 1,45 Prozent.

Grafik Kapitalmarktsimulation
| Quelle: DAV

Die Güte der berechneten Effektivkostenquote bzw. die Auswirkungen der Kosten auf die zu erwartende Rendite hängen also davon ab, wie praxisnah die Modellannahmen sind. Insgesamt lässt sich die Effektivkostenquote als eine Kennzahl für Experten bezeichnen. Für Kunden kann sie eine Orientierungshilfe sein. In keinem Fall ist sie jedoch das Preisschild, als das sie häufig angesehen wird.

Aktive Auseinandersetzung mit der Kennzahl

Stattdessen ist zu empfehlen, sich mit der Effektivkostenquote mehr im Detail zu beschäftigen. Da Kennzahlen immer eine komprimierende Wirkung haben, sind ein Blick hinter die Kulissen und ein grundlegendes Verständnis unverzichtbar. Des Weiteren sollte niemand zwei Produkte allein auf Basis der zweiten Nachkommastelle der Effektivkostenquote vergleichen.

Eine Hilfestellung für die Abschätzung der Renditeerwartung unter Berücksichtigung von Kosten können sogenannte stochastische Simulationen liefern, die zumindest die Problematik der konstanten Wertentwicklung auflösen und somit praxisnähere Aussagen treffen können. Gerade wenn es um fondsgebundene Produkte mit Garantien geht, bei denen mehrere Anlagetöpfe mit unterschiedlichen Kosten zum Einsatz kommen (sogenannte Hybride), kann dies entscheidende Mehrwerte liefern. Mehr Informationen dazu haben wir in einem gemeinsamen Fachbeitrag mit dem unabhängigen Analysehaus Morgen & Morgen veröffentlicht.

Fazit: Nicht allein auf die Kosten fokussieren

Letztendlich sollte der Abschluss eines Versicherungsvertrages immer nach einer Abwägung von Kosten und Nutzen erfolgen. In die Nutzenbetrachtung fließen nicht nur quantitative Faktoren wie die möglichen Ablaufleistungen oder Garantien ein. Auch qualitative Faktoren wie die oben genannten Flexibilitäten oder eine lebenslange Rentenzahlung spielen eine wichtige Rolle. Verbraucherschützer und Medien, aber auch einige Marktteilnehmer selbst, nehmen häufig eine sehr „kostenlastige“ Betrachtung der Produkte vor. Damit steht die Minimierung der Kosten im Vordergrund bei der Produktauswahl. Dass eine Altersvorsorge am Ende des Tages mehr ausmacht als nur die Kosten, wird so sträflich vernachlässigt."