Ist die Effektivkostenquote eine gute Kennzahl?
Das Konzept hinter den Effektivkosten ist schlagend einfachMoritz Schumann
stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer
Effektivkosten sind der beste verfügbare Indikator, damit Kundinnen und Kunden Kosten von Produkten einfach miteinander vergleichen und bewerten können – unabhängig vom Vorwissen. Damit fördert der Indikator verbraucherfreundliche Transparenz im komplexen Umfeld der Altersvorsorge und Geldanlage.
Das Konzept hinter den Effektivkosten ist schlagend einfach erklärt: Angenommen, der Finanzdienstleister erwirtschaftet 5 Prozent Rendite mit den Kundengeldern. Nach Abzug aller Kosten kommen davon 3,5 Prozent Rendite beim Kunden an. Dann betragen die Effektivkosten einfach die Differenz – also 1,5 Prozent.
Universelle Einsetzbarkeit
Der Kunde sieht also direkt, welche Kosten beim jeweiligen Anbieter auf ihn zu kommen und kann diese miteinander vergleichen. Großer Vorteil ist die universelle Einsetzbarkeit für alle möglichen Finanzprodukte – von Zertifikaten über Fonds bis zu Rentenversicherungen.
Das Konzept wurde erstmals in den Nullerjahren in Großbritannien als ein Baustein der „Treat your Customer fairly“-Initiative der britischen Finanzaufsicht entwickelt. Da die Gesamtwirkung der Kosten als Renditeabschlag ausgedrückt wird, heißen die Effektivkosten dort „Reduction in Yield“.
Das Konzept wurde danach in Deutschland für geförderte Altersvorsorgeprodukte – also Riester- und Basis-Renten – übernommen. Mit der EU-Verordnung namens PRIIP (Packaged Retail Investment and Insurance Products) wurde es schließlich auf sämtliche europäischen Anlageprodukte für Kleinanleger übertragen.
Wieso fiel die Wahl in Großbritannien, Deutschland und der EU übereinstimmend gerade auf diesen Kostenindikator?
Einfacher Kostenvergleich
Wird die Kostenstruktur eines Produkts offengelegt, braucht es in der Regel gewisse Vorkenntnisse. Experten überblicken das, während es für „den normalen Kunden" wenig nachvollziehbar ist. Ein Kostenindikator schafft Abhilfe.
Ein solcher Kostenindikator ermöglicht den einfachen Kostenvergleich von verschiedenen Angeboten: Je höher der Indikator, desto teurer das Produkt. Gemessen werden mit den Effektivkosten jedoch nur die Kosten, nicht die Leistungen.
Zwischenfazit: Kostenindikatoren erzeugen eine Transparenz auch für Nicht-Experten und ermöglichen einfache Kostenvergleiche von Angeboten, jedoch keine Leistungs- oder Preis-Leistungs-Vergleiche.
Und wieso nutzt man gerade eine Renditeminderung, um die Kostenwirkung darzustellen? Denkbar wären doch auch Euro-Werte oder beitragsbezogene Indikatoren, also Prozent-Anteile des Beitrags, der die Kosten deckt.
Entscheidender Vorteil der Effektivkosten ist die hohe Stabilität gegenüber Änderungen der Rahmenbedingungen wie Beträge, Laufzeiten oder Renditen. Das heißt auch unter geänderten Rahmenbedingungen führt die gleiche Kostenstruktur (fast) zu gleichen Effektivkosten.
Im Gegensatz dazu erhält man bei einem Kostenindikator auf Euro-Basis bei jeder Änderung der Rahmenbedingungen andere Werte. Das heißt, der Wert des Euro-Kostenindikators ist stärker von den Rahmenbedingungen abhängig als von der Kostenstruktur des Produktes. Besonders dramatisch ist dieser Effekt bei unterschiedlichen Laufzeiten: Bei langen Laufzeiten erhält man aufgrund des Zinseszins-Effektes sehr hohe Werte für den Euro-Kostenindikator, das heißt, das gleiche Produkt erscheint mit langen Laufzeiten optisch erheblich teurer.
Fazit: Von den denkbaren Kostenindikatoren sind die Effektivkosten am geeignetsten, um die Kosten verschiedener Produkte beziehungsweise Anlagemöglichkeiten zu vergleichen.
Die ,Effektivkostenquote' ist ein legaler Informationsbetrug am KundenProf. Dr. Karl Michael Ortmann
Professor für Mathematik und Aktuar DAV, FIA C.Act, Berliner Hochschule für Technik
Die unübersichtliche Kosten- und Gebührenstruktur von privaten Altersvorsorgeverträgen wurde schon immer als ein Hemmnis für ihre Akzeptanz und Verbreitung angesehen. Vor diesem Hintergrund ist die Transparenzinitiative des GDV zu sehen, die zur Etablierung ihrer „Effektivkostenquote“ geführt hat.
Finanzieller Analphabetismus
Tatsächlich ist diese Kostenkennzahl jedoch keine Quote sondern eine Differenz. Sie misst die Minderung der erzielbaren Rendite aufgrund der Kostenbelastung. Eigentlich lernt jedes Kind schon in der Grundschule den Unterschied zwischen den Begriffen Differenz und Quotient. Mit ihrer erfolgreichen Lobbyarbeit für den eigens geprägten Begriff „Effektivkostenquote“ hat der GDV somit einen aktiven Beitrag zur Volksverdummung und zum finanziellen Analphabetismus geleistet.
Eine informative Kostenkennzahl muss vier einfache Kriterien erfüllen: Vollständigkeit, Eindeutigkeit, Monotonie und Zweckmäßigkeit. Die „Effektivkostenquote“ scheitert an allen diesen Forderungen. Wichtige Kostenarten für fondsgebundene Rentenversicherungen wie guthabenbezogene Verwaltungskosten, erfolgsabhängige Vergütungen und Garantie-Absicherungen durch Hedging können vorab nicht verlässlich geschätzt werden.
Kapitalanlagekosten könnten zudem gezielt manipuliert werden, etwa durch interne Verrechnung mit Tochtergesellschaften oder durch das Unterlassen marktüblicher Rückvergütungen, sogenannter Kickbacks. Dadurch entsteht dann ein operativer Gewinn im Versicherungskonzern, beziehungsweise ein faktischer Verlust an Rentenhöhe für den Kunden, der durch die auszuweisende „Effektivkostenquote“ nicht erfasst wird.
Tatsächlich ist die „Effektivkostenquote“ das Ergebnis einer komplexen Modellrechnung, die auf gewissen kritischen Annahmen beruht, etwa zu Rendite und Laufzeit. Vertragliche Gestaltungoptionen, wie Dynamisierung, Beitragsfreistellung oder auch eine Kündigung, werden standardmäßig nicht berücksichtigt. Kaum ein realer Versicherungsverlauf entspricht somit den einheitlichen Berechnungsvorgaben des Mustervertrags. Die Analogie zum Abgasskandal legt nahe: Unter Laborbedingungen mögen die ausgewiesenen Werte passabel aussehen – auf der Straße hingegen nicht. Insofern ist die „Effektivkostenquote“ nur vermeintlich ein informativer Ausweis der persönlichen Kostenbelastung, tatsächlich aber ein legaler Informationsbetrug am Kunden.
Legaler Etikettenschwindel
Die Wahrheit ist unbequem: Die Intransparenz der Kosten für fondsgebundene Rentenversicherungen ist unvermeidbar. Sie lässt sich nicht wegrechnen – auch nicht mit der vom GDV propagierten „Effektivkostenquote“. Wenn man vollständige Kostentransparenz für fondsgebundene Rentenversicherungen erreichen will, braucht es dazu klare gesetzliche Vorgaben: die Beschränkung auf zwei zulässige Kostenarten, Abschlussprovision und laufende Vergütung, keine versteckten Nebenkosten, keine konzerninternen Verschiebebahnhöfe.
Außerdem ist eine gesetzliche Deckelung der Kostenhöhe nötig. Erst dann kann echter Wettbewerb um den besten Kundennutzen entstehen. Andernfalls bleibt der Kostenausweis durch die „Effektivkostenquote“ ein legaler Etikettenschwindel; nützlich nicht für den Kunden, sondern für diejenigen, die weiter abkassieren wollen.