Munich Re

Systemische Cyberrisiken: Der Staat soll’s richten

Zentrale Bereiche der deutschen Wirtschaft sind unzureichend abgesichert. Die weltgrößte Rückversicherer Munich Re fordert ein staatliches Auffangnetz für Extremschäden durch Cyberattacken.

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18:02 Uhr | 27. Februar | 2024

Die Münchener Rück fordert vor dem Hintergrund immer größerer Cyber-Gefahren einen „Backstop“, also eine staatliche Notfalllösung, für systemische Cyber-Risiken. Wie etwa nach der Überschwemmungskatastrophe an der Ahr im Juli 2021 sei staatliche Mitwirkung auch im Bereich von Cyber-Risiken nötig, fordert der weltgrößte Rückversicherer bei Bekanntgabe seiner Bilanzzahlen.

In dem Zusammenhang mahnt der Versicherer auch ein an die Gefahrenlage angepasstes Cyber-Risikomanagement an. Obwohl der globale Cyber-Versicherungsmarkt sich in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht habe, seien Cyber-Risiken nach wie vor weitgehend ungedeckt, beklagt die Munich Re.

 Der globale Marktführer stellt zwar Versicherungskapazitäten für Cyber-Risiken bereit, sieht allerdings auch Grenzen für eine Versicherbarkeit durch die Versicherungsindustrie: So könnten die größten systemischen Cyber-Risiken, wie der Ausfall kritischer Infrastruktur – also Wasserwerke, Energieversorgung oder Kommunikationsfirmen – oder ein Cyber-Krieg, nicht von der Privatwirtschaft aufgefangen werden.

„Sie sind potenziell ruinös, können nicht modelliert und folglich auch nicht gedeckt werden. Und Cyber-Angriffe, die von einem Staat unternommen oder unterstützt würden, sind grundsätzlich von der Deckung ausgeschlossen“, sagt Munich Re-Sprecherin Irmgard Jonas gegenüber procontra.

 Staatlicher Backstop für nichtversicherbare Risiken

Vor dem Hintergrund fordert die Munich Re einen staatlichen Backstop für die erwähnten komplexen Probleme. Deshalb sollte darüber auch in Deutschland, beziehungsweise in Europa, politisch diskutiert werden. Wie der allerdings konkret aussehen könnte, ließ Munich Re-Sprechin Jonas allerdings offen. Möglich seien hier etwa Pool-Lösungen oder Private-Public-Partnerships. Laut Jonas ist in den USA ein Dialog über eine nationale US-Cyber-Strategie bereits im Gange.

 Wie relevant die Gefahren sind, zeigt die Studie des Branchenverbandes der Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom vom September 2023. Nach Angaben von Bitkom entstanden durch Diebstahl von IT-Ausrüstung und Daten sowie digitale und analoge Industriespionage und Sabotage der deutschen Wirtschaft 2023 Schäden von 206 Milliarden Euro. Damit liegt der Schaden zum dritten Mal in Folge über der 200-Milliarden Euro-Grenze. Cyberattacken machen nach Bitkom-Berechnungen inzwischen rund 72 Prozent aller Schäden aus. Den Gesamtschaden beziffert Bitkom auf stolze 148,3 Milliarden Euro.

Munich Re: Gewinnrückgang und weniger Großschäden

Was das Geschäftsjahr 2023 betrifft, verbuchte der weltgrößte Rückversicherer einen Gewinnrückgang von 5,309 auf 4,597 Milliarden Euro. Das im Oktober 2024 ausgegebene Gewinnziel von 4,5 Milliarden Euro wurde somit leicht übertroffen. Auch der Versicherungsumsatz aus abgeschlossenen Versicherungsverträgen stieg im Vergleich zum Vorjahr von 55,385 auf 57.884 Milliarden Euro. Zu verdanken ist das Plus einerseits dem Wachstum im Segment Rückversicherung Schaden/Unfall sowie guten Zahlen bei der Erstversicherungstochter Ergo.

 Zudem profitierten die Münchener auch von geringeren Großschäden durch Naturkatastrophen. Die schlugen insgesamt mit 3.278 Milliarden Euro zu Buche, rund 460 Millionen Euro weniger als 2022. Größte Einzelschaden für Munich Re im Jahr 2023 war das Erdbeben in der Türkei mit rund 700 Millionen Euro und Hurrikan Otis in Mexiko mit 453 Millionen Euro.  

 Vor dem Hintergrund sich häufender Extremwetterereignisse will der Rückversicherer auch künftig ausreichend Versicherungskapazitäten anbieten. Ziel sei es, mit einem angemessenen Preis für Versicherungsschutz Anreize für bessere Vorbeugung zu schaffen. Mehr Vorsorge führe bei Extremwetter zu deutlich reduzierten Schäden und damit zu einer finanziellen Entlastung der Gesellschaft. Aber auch hier sieht die Munich Re den Staat in der Pflicht. Der könne die Versicherbarkeit und den Preis für Versicherungsschutz durch staatliche Präventionsmaßnahmen sehr positiv beeinflussen.

 Ergo: Ergebnis legt um 26 Prozent zu

Bemerkenswert sind die Zahlen der Erstversicherungstochter Ergo: Sie konnte das Ergebnis von 572 auf 721 Millionen Euro deutlich steigern. So stieg der Versicherungsumsatz aus abgeschlossenen Versicherungsverträgen von 18,896 auf 20,098 Milliarden Euro. Einen deutlichen Anteil an der Geschäftsentwicklung steuert hier Ergo International bei. Das Ergebnis kletterte von 92 auf 286 Millionen Euro. Wesentlichen Anteil hatten das Gesundheitsgeschäft in Belgien und Spanien sowie das Schaden- und Unfall-Geschäft in Polen bei.

Zudem sank die Schaden-Kostenquote von 95,5 auf 90,1 Prozent. Auch in Deutschland verzeichnete der Versicherer im Schaden-Unfall-Segment einen Ergebnisanstieg von 173 auf 252 Millionen Euro, die Combined-Ratio sank hier von 90,3 auf 88,9 Prozent. Dagegen musste die Ergo in den Segmenten Leben und Gesundheit 2023 Federn lassen. Hier brach das Ergebnis von 307 auf 183 Millionen Euro ein.

Prognose 2024: Fünf Milliarden Euro Gewinn

 Für 2024 plant die Munich Re ein Konzernergebnis von fünf Milliarden Euro an. Der Versicherungsumsatz der Gruppe soll bei voraussichtlich 59 Milliarden Euro liegen.