Was Sie erfahren werden:
- Konkrete KI-Anwendungsbeispiele verschiedener Versicherer
- Warum der KI-Einsatz die einzige Option ist
- Wie Vermittler von den Innendienst-Use-Cases profitieren
In künstlicher Intelligenz (KI) steckt Potenzial für alle Wirtschaftszweige und Lebensbereiche. Allein in der weltweiten Finanzdienstleistungsbranche (Banken und Versicherer) trauen ihr die Analysten des Capgemini Research Institutes einen wirtschaftlichen Mehrwert von bis zu 450 Milliarden US-Dollar zu. Diese Summe steht für die Kombination aus Einsparungen durch effizientere Arbeitsabläufe und zusätzlichem, durch die KI direkt oder indirekt mitgeneriertem, Umsatz.
Um dieses Potenzial zu heben, setzt die Versicherungsbranche weltweit KI vor allem im Kundenservice, der Risikoprüfung, der Schadenbearbeitung und der Kundengewinnung ein, zeigt Capgeminis World Cloud Report in Financial Services 2026. Doch was heißt das konkret und wie setzen speziell Versicherer in Deutschland KI bereits ein? Dazu hat procontra bei zehn der größten oder bei Maklern beliebtesten Versicherungsunternehmen nachgefragt. Nicht auf unsere Anfrage reagiert hat die Haftpflichtkasse. Die Generali wollte nicht antworten.
Die übrigen acht Unternehmen (Allianz, Alte Leipziger, Axa, Ergo, R+V, VHV, VKB, Volkswohl Bund) nannten am häufigsten die Schadenbearbeitung als Bereich, in dem sie KI bereits einsetzen. Während einige hier noch testweise unterwegs sind, wie etwa der Volkswohl Bund, haben andere Versicherer schon auf Normalbetrieb umgestellt. „KI hilft uns auch bei der präzisen und schnellen Ermittlung der Schadenshöhe bei Unfällen. Das vereinfacht die Interaktion und sorgt für eine effiziente Abwicklung“, teilt ein R+V-Sprecher in Bezug auf die Kfz-Versicherung mit.
Großes Potenzial beim Posteingang
Klar ist: Sobald sich die von KI durchgeführten Aufgaben skalieren lassen, also in sich häufig wiederholenden Use-Cases (Anwendungsfällen), steigt für die Unternehmen der Nutzen beziehungsweise wirtschaftliche Mehrwert, wie es die Capgemini-Studie bezeichnet. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn durch Extremwetter viele Schäden gleichzeitig auftreten. „Im Kfz-Schadensegment wird eine hohe Zahl von Schadenvorgängen automatisiert mit Hilfe von Hagelscannern und darauf aufbauenden Bewertungsprozessen unterstützt. Dies ermöglicht schnellere Abwicklungen“, berichtet eine VHV-Sprecherin von einer konkreten KI-Anwendung in der Hannoveraner Versicherungsgruppe. Auch bei der Ergo sieht man die KI, neben rund 120 Use-Cases gruppenweit, als wichtigen Faktor bei sogenannten externen Schocks. „So können durch KI starke Belastungsspitzen wie zur Corona-Pandemie, den jährlichen Grippewellen oder den zunehmenden klimawandelbedingten Großschäden abgefedert werden“, heißt es aus Düsseldorf.
Klassifikationsquote von 50 auf über 90 Prozent gesteigert
Ein weiterer großer Hebel, den man bei der Ergo bereits betätigt, ist die Klassifikation von Dokumenten. Regelbasierte Ansätze, sozusagen die klassische Dunkelverarbeitung, würden an ihre Grenzen kommen, da viele der eingereichten Dokumente keinen einheitlichen Standards entsprächen, erläutert man seitens der Ergo. Über 60 Millionen Dokumentenseiten würde der Versicherer jährlich erhalten. Durch den Einsatz von KI habe man die Klassifikationsquote von bisher 50 auf nun über 90 Prozent steigern können.
Ähnliches berichtet Daniela-Carina Pohl, Vorständin Operations bei Axa Deutschland, auf procontra-Nachfrage: „Wenn eine KI erkennt, ob ein Kunde einen Leitungswasserschaden meldet oder ein Rezept einreicht, kann das Anliegen schneller bearbeitet werden. Wir bekommen pro Jahr rund 70 Millionen Dokumente in allen Sparten zugesandt. Die schiere Menge verdeutlicht, wie groß die Wirkung von KI-Unterstützung sein kann.“ Zudem melden die von uns angefragten Versicherer überwiegend den Einsatz von KI in den Bereichen Betrugserkennung, Kundenkommunikation (am Telefon oder per Chat-Bot) und interne Texterkennung sowie -erstellung. Letzteres meint zum Beispiel die Erstellung von Briefen an Kunden, aber auch die schnelle Suche und Zusammenfassung von versicherten Inhalten aus den Bedingungen. Alle Versicherer betonen zudem, dass menschliche Mitarbeiter nie außen vor sind und stets die Endkontrolle von Vorgängen übernehmen.
Jeder Vierte geht in Rente
Zwar bringen all diese Maßnahmen den Versicherern wirtschaftliche Mehrwerte. Gleichzeitig treibt sie die demografische Entwicklung aber auch zu solchen Schritten an. Be der VKB beispielsweise würde in den nächsten Jahren etwa ein Viertel der Belegschaft das Renteneintrittsalter erreichen. Die Alte Leipziger wird hier sehr konkret und nennt 26 Prozent der Belegschaft bis 2035. Werte, die mehr oder weniger auf alle Versicherungsunternehmen hierzulande zutreffen dürften. Insofern geht es gar nicht anders, als das Potenzial der KI zu heben.
Konkrete KI-Anwendungen für Makler wurden von den Versicherungen auf unsere Nachfrage kaum genannt. Auch für das Neugeschäft spielen sie keine Rolle. Der Tenor lautet aber, dass durch den Einsatz von KI viele Vorgänge schneller und einfacher ablaufen sollen. Dies würde dann den Innendienstkräften mehr Kapazitäten für die Anliegen der Vermittler und diesen wiederum mehr Zeit für die Beratung ihrer Kunden verschaffen.
Long story short:
Versicherer nutzen KI vor allem in Schadenbearbeitung, Dokumentenklassifikation, Kundenservice und Betrugserkennung. Sie beschleunigt Abläufe, steigert Automatisierung und hilft bei Belastungsspitzen. Große Dokumentenmengen erhöhen den Nutzen. Trotz Effizienz bleibt menschliche Kontrolle. Demografischer Wandel zwingt zu mehr KI-Einsatz. Für Makler bringt KI indirekte Entlastung durch schnellere Prozesse.



