Umstrittene Früherkennungspolice

Trotz Kritik: Hanse Merkur behält "Krebs-Scan"

Der Krebs-Scan der Hanse Merkur steht weiterhin am Pranger. Unter anderen, wegen der zugrundeliegenden Studie. Worum es genau geht und was Versicherer, die Kritiker und der Studienherausgeber dazu sagen.

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15:04 Uhr | 04. April | 2024
Ein Reagenzglas

Im Zentrum der Kritik steht ein Bluttest namens Pantum Detect. Entwickelt wurde der Test von der Firma Zyagnum AG aus Darmstadt.

| Quelle: wildpixel

Seit einem Bericht der TV-Sendung Panorama steht das Krebs-Scan-Produkt der Hanse Merkur medial unter Beschuss. Grund sind Zweifel an der Wirksamkeit des Blutttests, der eine frühzeitige Erkennung von Krebserkrankungen verspricht und wesentlicher Bestandteil des Versicherungsangebots ist. Kritiker, darunter namhafte Mediziner, meldeten Zweifel an dessen Wirksamkeit an. Vor allem wegen angeblichen Mängeln an einer Studie des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), die die Wirksamkeit belegen sollte. Inzwischen hat das UKE eine entsprechende Stellungnahme zu der Studie veröffentlicht und auf Anfrage von procontra hat sich auch die Hanse Merkur positioniert. Doch von Anfang an:

Nach Angaben auf der Website der Hanse Merkur bietet die Krebs-Scan-Police einen "innovativen Bluttest" in Kombination mit bild­ge­benden Verfahren (PET/​CT, MRT), optimale Begleitung im Erkrankungsfall sowie durchgängige medizinische Betreuung und Beratung." Nachdem die Hanse Merkur das Produkt im vergangenen Jahr stark beworben hatte, meldete sich die Medizinprofessorin und Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie in der Krebsgesellschaft, Jutta Hübner zu Wort und griff das Angebot im vergangenen Sommer heftig an. Im "Bayerischen Rundfunk" sprach sie von "Scharlatanerie".

Gegenüber procontra hält Hanse Merkur dem entgegen, dass es sich um ein geprüftes und zugelassenes Medizinprodukt handelt. Aus diesem Grund dürfe eine private Krankenversicherung wie die Hanse Merkur die Untersuchung im Rahmen eines Versicherungsangebots zur Verfügung stellen. "Wir stehen für Innovationen im Gesundheitswesen im Sinne unserer Versicherten. Das Feld Früherkennung spielt eine große Rolle", so der Versicherer. Im Bereich der Krebsfrüherkennung existierten derzeit für weniger als die Hälfte (rund 45 Prozent) der jährlichen Krebsneuerkrankungen gesetzlich unterstützte Früherkennungsmethoden.

Im Zentrum der Kritik steht der beworbene "innovative Bluttest" namens Pantum Detect. Entwickelt wurde der Test von der Firma Zyagnum AG aus Darmstadt. Die Wirksamkeit des Tests sei in mehr als 60 Veröffentlichungen belegt, erklärt Zyagnum gegenüber dem NDR. Eine dieser Studien, die laut Hanse Merkur besonders überzeugt hat, kommt vom Universitätsklinikums Eppendorf (UKE).

War die Studie unabhängig?

Aus dem NDR-Bericht geht hervor, dass die Studie von der Zyagnum AG selbst finanziert wurde, was der Hersteller auch bestätigt. Das wirft Fragen nach der Unabhängigkeit der Studienergebnisse auf – vor allem, da der Finanzierungshintergrund anfangs nicht offengelegt worden war. Nach der medialen Berichterstattung hat das Dekanat der Medizinischen Fakultät des UKE deshalb die Ombudsstelle der Universität Hamburg eingeschaltet, um zu prüfen, ob und inwiefern die Standards der guten wissenschaftlichen Praxis bei der Publikation eingehalten worden sind. Die Ombudsstelle hat den Fall zur tieferen Prüfung an den Ständigen Expertenausschuss zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens (SEA) übergeben, der ein externes Fachgutachten angefordert und jetzt seinen Bericht vorgelegt hat.

Bezüglich der Unabhängigkeit kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Forschungsprojekt um eine "gängige Form der Auftragsforschung handele". Die Finanzierung durch Zyagnum stellt also für sich genommen kein Problem dar. Die Herstellerfirma des Bluttests habe die Durchführung der klinischen Studie finanziert und Personalkosten zur Datenerhebung übernommen. Dieses Vorgehen stehe im Einklang mit den in der Wissenschaft und im UKE geltenden Compliance-Regeln und sei nicht zu beanstanden. Im UKE würden eine Vielzahl an Studien durchgeführt, darunter sowohl eigeninitiierte UKE-Studien als auch fremdfinanzierte Studien, die durch die jeweiligen Projektleitungen unabhängig organisiert und verantwortet werden. "Für alle diese am UKE durchgeführten Studien und die dazugehörigen Veröffentlichungen gelten die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis", heißt es in der Stellungnahme.

Mängel in der Veröffentlichung der Ergebnisse jedoch bestätigt

Der SEA kommt allerdings schon zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Form der Veröffentlichung nicht der guten wissenschaftlichen Praxis entspricht. Der SEA bemängelt die Auswahl des Journals und die zunächst fehlende Offenlegung eines Interessenkonfliktes durch die Autorinnen und Autoren. Das UKE distanziert sich nach Bewertung des Berichts von der Veröffentlichung im „Journal of Clinical and Medical Journal besteht der Verdacht, dass es sich um ein sogenanntes „Predatory Journal“ handelt. Diese Art von Journalen täuscht lediglich vor, Studien einem inhaltlich ausführlichen und unabhängigen Peer-Review-Prozess zu unterziehen, welcher aber de facto nicht stattfindet. Der Peer-Review-Prozess ist die essenzielle Grundlage der Qualitätssicherung von wissenschaftlichen Publikationen, da externe Fachexperten Ergebnisse, Methoden, Daten und Schlussfolgerungen einer Veröffentlichung kritisch prüfen und hierdurch das Risiko von Fehlern oder Überinterpretationen deutlich reduziert wird. Aufgrund der Mängel am Publikationsprozess hat der SEA das Zurückziehen der Publikation empfohlen. Das können allerdings nur die Autoren selbst durchführen.

Hanse Merkur behält Krebs-Scan im Angebot

Die Hanse Merkur ist nach wie vor der Ansicht, dass Krebs-Scan dazu beitragen kann, Krebs und mögliche Krebsvorstufen besser zu erkennen und die Versorgungslücke zu reduzieren: "Die Zusatzversicherung Krebs-Scan beinhaltet geeignete Folgeuntersuchungen und eine ärztliche Begleitung auf dem gesamten Weg eben dieser besonderen Früherkennung und stellt eine zügige Abwicklung sicher", so das Unternehmen.

Zudem sieht sie in der Stellungnahme des UKE keinen Zweifel an den Studienergebnissen selbst. "Entgegen den kürzlich veröffentlichten Aussagen von unter anderem NDR und Tagesschau.de finden sich in der Stellungnahme des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) keinerlei Hinweise auf eine „Rücknahme der Studie“. Einzig aufgrund von Mängeln am Publikationsprozess wird das Zurückziehen der Publikation im „Journal of Clinical and Medical Images“ empfohlen", so eine Hanse-Merkur-Sprecherin.

Die Tchibo GmbH, die als Versicherungsvermittler für die HanseMerkur aktiv ist, hatte den Vertrieb des Krebs-Scan bereits vergangenes Jahr nach der Kritik eingestellt.

Hersteller Zyagnum stellt klar

Auch der Hersteller Zyagnum hat ein ausführliches Statement auf seiner Website veröffentlicht. Darin betont das Unternehmen nochmal, dass die wissenschaftliche Grundlage für den Test fundiert sei. "Es gibt über 60 Publikationen in wissenschaftlichen Journalen, die Funktion und Relevanz der im Mittelpunkt des Tests stehenden Enzyme TKTL1 und DNaseX mit Hinblick auf Krebsentstehung unter Beweis stellen. Darunter befinden sich unter anderem zehn klinische Studien, welche die Leistungsfähigkeit von Pantum Detect bei der Unterscheidung von Krebskranken und Gesunden zeigen.

Unter den 5046 Teilnehmern der Studie zeigte der Bluttest bei 186 Personen ein auffälliges Ergebnis. Von diesen unterzogen sich 151 Personen Folgeuntersuchungen in Form bildgebender Verfahren (MRT und PET/CT). Bei 124 Teilnehmern aus dieser Gruppe erhärteten sich durch diese Bildgebung Hinweise auf eine Krebserkrankung oder Vorstufe von Krebs. Lediglich bei neun Personen mit auffälligem PanTum Detect-Test ergaben die bildgebenden Folgeuntersuchungen keinerlei Hinweis auf einen möglichen Tumor."