Leistungsausgaben setzen Krankenversicherer stärker unter Druck
Die privaten Krankenversicherer (PKV) haben 2024 ein gemischtes Ergebnis erzielt: Während die Branche im Vertrieb Erfolge feierte, schraubten sich die Leistungsausgaben weiter in die Höhe. Diese Entwicklungen werfen einen Schatten auf das positive Wachstum im Bereich der Vollversicherungen, doch bleiben die Versicherer optimistisch im Hinblick auf ihre künftige Geschäftsentwicklung. Das sind die Ergebnisse des aktuellen Marktausblicks zur PKV, den die Ratingagentur Assekurata am Mittwoch vorlegte.
Positiv aus Sicht der Unternehmen war vor allem das Wachstum in der Vollversicherung. Nach 12 Jahren mit Bestandsverlusten konnte die Branche hier im zweiten Jahr in Folge leicht zulegen: Die Zahl der Vollversicherten stieg um 0,3 Prozent auf 8,74 Millionen. Auch die betriebliche Krankenversicherung zeigte sich weiter als wachstumsstarkes Segment: 2024 wuchs die Zahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine bKV anbieten, auf 56.500 – ein Zuwachs von 43,8 Prozent. Auch die Zahl der versicherten Beschäftigten wuchs kräftig um 16 Prozent auf 2,4 Millionen. Auch die Vertragszahlen bei den Zusatzversicherungen wuchsen weiter, im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent auf nun 31,2 Millionen Verträge. Insgesamt übersprangen die Beitragseinnahmen in der Kranken- und Pflegeversicherung erstmals die Hürde von 50 Milliarden Euro.
"Für viele Menschen attraktiv"
„Die PKV zeigt erneut, dass sie für viele Menschen attraktiv ist“, betonte Dr. Reiner Will, Geschäftsführer von Assekurata. „Neben dem bisherigen Wachstumstreiber, den privaten Zusatzversicherungen, beobachten wir nun auch wieder einen stärkeren Zulauf in die Vollversicherung. Für die nahe Zukunft sehen wir jedoch vor allem in den Zusatzversicherungen, insbesondere der bKV, das größte Wachstumspotenzial“, so Will.
Doch trotz positiver Vertriebszahlen steht die Branche vor ernsten Herausforderungen – vor allem in Form steigender Leistungsausgaben: zehn Prozent mehr zahlten die Versicherer 2024 als noch im Vorjahr, insgesamt kamen sie so auf Leistungszahlungen in Höhe von 39,1 Milliarden. Auch die Schadenquote stieg weiter an: Mit 84,1 Prozent liegt sie deutlich über dem Niveau vor der Corona-Pandemie.
Das macht sich bei den Unternehmen im versicherungstechnischen Ergebnis bemerkbar: Dieses fiel nach einem bereits schwachen Jahr 2023 (8,6 Prozent) auf nur noch 7,2 Prozent – auch weil es nicht wie im Vorjahr durch ein starkes Kapitalanlageergebnis kompensiert werden konnte.
Zu spüren bekamen das auch die Versicherten – und zwar in Form von Beitragserhöhungen. Durchschnittlich stiegen die Beiträge um 13 Prozent. Gleichzeitig gingen die Rückstellungen, die in der Vergangenheit aufgebaut worden waren und Beitragserhöhungen abpuffern sollen, zurück. Die RfB-Quote sank marktweit von 35,8 auf 33,5 Prozent. Eine Entwicklung, die sich auch in diesem Jahr weiter fortsetzen wird, schätzt man bei Assekurata.
Trotz dieser finanziellen Belastungen bleiben die Versicherer optimistisch und setzen auf Maßnahmen im Gesundheits- und Leistungsmanagement, um die Kosten langfristig zu senken. Die Einführung von automatisierten Prozessen und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollen dabei helfen, Effizienzgewinne zu erzielen und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu steigern. Dazu soll auch eine bessere Kommunikation im Zusammenhang mit den Beitragsanpassungen beitragen: „Transparente Kommunikation und ein nachvollziehbares Erklären von Beitragsanpassungen stärken das Vertrauen der Kunden und fördern die langfristige Bindung“, zeigt sich Assekurata-Chef Will überzeugt. „Versicherer sollten diese Chance bewusst ergreifen.“
Versicherer konzentrieren sich auf Vollversicherung
Da die Leistungsangaben in den kommenden Jahren hoch bleiben werden, gilt es für die Versicherer nach Wegen zu suchen, mit diesen umzugehen, um allzu hohe Beitragsanpassungen zu vermeiden. Helfen kann dabei auch das Wachstum in der Vollversicherung. „Deshalb richten viele Versicherer ihren Fokus wieder verstärkt auf diesen Bereich – insbesondere auf das Topsegement bei neuen Tarifangeboten“, erklärt Alexander Kraus, Fachkoordinator Krankenversicherung bei Assekurata.
Weitere potenzielle Herausforderungen liegen in der Gesundheitspolitik, deren Auswirkungen auf die Kosten sich nicht verlässlich abschätzen lassen. Als Beispiel nennt Assekurata hier die geplante Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Auch in der Pflegeversicherung liegen für die Branche Herausforderungen, nicht nur im Hinblick auf die Leistungen, sondern auch im Vertrieb. Nach wie vor werden private Pflegeversicherungen kaum nachgefragt. „Unabhängig von möglichen politischen Reformen bleibt private Vorsorge in der Pflege notwendig“, gibt sich Assekurata überzeugt. Eine Möglichkeit für die Zukunft wäre, sich hier verstärkt auf die betriebliche Vorsorge zu konzentrieren.