Standards beim Unternehmensschutz: Was ist notwendig, was verzichtbar?

Egal ob groß oder klein, Marktführer oder Spezialbedarf: Der richtige Versicherungsschutz ist für alle Unternehmen von großer Bedeutung. Doch welche Policen sind wirklich nötig?

10:01 Uhr | 07. Januar | 2022

Cyberangriffe, Naturkatastrophen, ein strengeres Lieferkettengesetz – die Risiken, denen Unternehmen ausgesetzt sind, werden immer vielfältiger. Umso wichtiger ist es, dass die Firmen richtig versichert sind. Doch das ist gar nicht so unkompliziert: „Es gibt nicht die eine, abschließende Liste an Versicherungen, die man einem Gewerbetreibenden oder einem Betrieb empfehlen kann“, sagt Andreas Lindermeir, Leiter des Bereichs Produktentwicklung Gewerbekunden bei der Allianz. Der Versicherungsschutz sei in jedem Fall eine sehr individuelle Frage, die von Fall zu Fall bearbeitet werden muss. „Mit der Unternehmensgröße steigt der Individualisierungs- und damit auch der Beratungsbedarf“, sagt Lindermeir. Dennoch gibt es einige Policen, die Unternehmer unbedingt auf dem Schirm haben sollten.

Betriebs- und Produkt- und Vermögenschadenhaftpflicht

Ähnlich wie jede Privatperson sollten auch Unternehmen eine Haftpflichtversicherung abschließen. Ein Firmeninhaber haftet nämlich nicht nur für die eigenen Fehltritte, sondern auch für die Schäden, die seine Mitarbeiter mitunter verursachen. Die Betriebshaftpflicht deckt Personen- oder Sachschäden an Dritten beziehungsweise an deren Eigentum ab und ist ein Grundbaustein für den Versicherungsschutz aller Firmen. Vermittler können Unternehmen, die bestimmte Dinge produzieren, zusätzlich eine Produkthaftpflichtversicherung empfehlen. Sie schützt Hersteller vor den Schadensersatzansprüchen Dritter, wenn das Produkt fehlerhaft ist und dadurch Personen- oder Sachschäden entstehen.

„Eine weitere Versicherung ist die Vermögensschadenhaftpflicht – die ist für viele Unternehmen jedoch nicht ganz so entscheidend“, sagt Mark Wilhelm, Berater und Rechtsanwalt in der Kanzlei Wilhelm Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB. Vermögensschäden sind Schäden, die nicht als Folge eines Personen- oder Sachschadens entstehen. Besonders in beratenden Berufen können solche Schäden schwerwiegende Folgen haben. Deshalb ist die Vermögensschadenhaftpflicht, oft auch als Berufshaftpflicht bezeichnet, für bestimmte Berufsgruppen verpflichtend. Dazu gehören Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Vertrauensschadenhaftpflicht

Vertrauen Sie ihren Mitarbeitern und Kollegen? Berater können Geschäftsführern, die diese Frage nicht aus vollem Herzen mit „Ja“ beantworten können, eine Vertrauensschadenhaftpflicht für ihr Unternehmen ans Herz legen. Die Police greift, wenn Mitarbeiter im Unternehmen sich oder einen dritten durch strafbare Handlungen bereichern. Dazu zählt etwa der Schutz vor Schäden durch Diebstahl und Betrug sowie die Abdeckung von Schäden durch Unterschlagung und Untreue. Der Schadensummen sind in solchen Fällen aber meist geringer als bei anderen Sachschäden.

D&O-Versicherung

Deutschland hat das schärfste Haftungssystem für Manager weltweit. Die D&O-Versicherung, oft auch als Managerhaftpflicht bezeichnet, ist deshalb für Unternehmen in jeder Größenordnung relevant. „Unternehmerisches Handeln ist ohne die entsprechende Versicherung in Deutschland kaum noch möglich“, sagt Rechtsanwalt Wilhelm. Denn: Management-Handlungen haben fast immer ein gewisses Risiko – ohne lassen sich kaum Entscheidungen treffen oder Innovationen vorantreiben. Diese Entscheidungen sind nicht immer unkritisch. Geht etwas schief, muss ein Manager ohne entsprechende Versicherung sofort persönlich dafür haften. „Die Verantwortung, die Manager hierzulande tragen, ist riesig. Die Gesetzgebung ist an dieser Stelle nachhaltig innovationsfeindlich“, sagt Wilhelm.

Gebäude- und Inhaltsversicherung

Ganz anders sieht es bei Sachversicherungen aus. Wirtschaftlich sind sie am bedeutsamsten. Das ist logisch: Wird das Gebäude- oder der Inhalt einer Firma durch Brände, Hochwasser oder Sturm beschädigt, ist der entstehende Schaden enorm hoch und sollte in jedem Fall abgesichert sein. Die Gebäudeversicherung deckt dabei in der Regel alle vertraglich festgehaltenen Gebäude, also Bürogebäude, Lagerhallen, Garagen, Produktionshallen oder Verkaufsräume. Auch Besitzer von Hotelanlagen und Restaurants können eine Gebäudeversicherung abschließen. Alles, was sich in den Gebäuden befindet, lässt sich wiederum über die Inhaltsversicherung absichern.

Je nach Unternehmen lohnt es sich, den Sachversicherungsschutz zu erweitern. „Wenn Betriebe dazu beitragen, dass etwas Neues entsteht, lohnt sich oft eine Maschinen- und Montageversicherung“, sagt Wilhelm. Der Umfang der Policen ist in vielen Fällen sehr hoch. „Oft handelt es sich um milliardenhohe Deckungssummen, mit 20 bis 30 Versicherern, die sich daran beteiligen“, erklärt der Rechtsanwalt. In Branchen wie der Logistik oder der IT sind wiederum andere Zusatzpolicen interessant. „Für einige Betriebe lohnt sich eine Elektronik- oder Transportversicherung“, sagt Allianz-Experte Lindermeir. Die Essenz der Versicherungen steckt bereits im Namen: Über die Elektronikversicherung sind technische Geräte, wie Server, Geräte aus der Mess- und Prüftechnik, aber auch Daten, die für die Grundfunktion der versicherten Sachen benötigt werden, geschützt. Eine Transportversicherung schützt Unternehmen gegen Schäden beim Warentransport.

Seite 1: „Die Verantwortung, die Manager hierzulande tragen, ist riesig."Seite 2: Für wen sich eine Betriebsunterbrechungsversicherung lohnt

Betriebsunterbrechungsversicherung

„Meines Erachtens haben viele Unternehmen den Ertragsausfall nach einem Sachsubstanzschaden entweder noch nicht auf dem Schirm, oder entscheiden sich bewusst gegen eine entsprechende Police“, sagt Lindermeir. Die Betriebsunterbrechungs- bzw. Ertragsausfallversicherung hat seiner Beobachtung nach bislang keine besonders hohen Abschlussquoten im Markt. „Wenn beispielsweise ein Unternehmensgebäude überschwemmt wurde oder abgebrannt ist, dann denken die Unternehmer meist erstmal daran, wie viel sie an Versicherungsschutz brauchen, um ihre Waren oder Vorräte entsprechend wiederbeschaffen zu können und das Gebäude aufzubauen“, erklärt der Versicherungsexperte. Nichtsdestotrotz müssen Berater solchen Kunden bewusst machen: Wenn Gebäude zerstört und Maschinen defekt sind, Waren und Vorräte fehlen, dann kann das Unternehmen vielleicht einige Monate oder sogar länger nicht mehr produzieren. „Das Unternehmen steht still, selbst wenn das Feuer gelöscht oder Wasser abgeflossen ist“, sagt Lindermeir. Eine Betriebsunterbrechungsversicherung sei daher für nahezu jedes Unternehmen relevant, egal welcher Größe.

Warenkreditversicherung

Die Warenkreditversicherung sorgt dafür, dass die Beziehungen zwischen den Unternehmen und ihren Kunden aufrechterhalten werden können. „Das funktioniert so: Wenn ich einem Kunden Waren liefere, sind diese bis zu einem bestimmten Limit abgesichert, die Versicherung übernimmt, wenn der Kunde bankrott geht – und hält so die Stabilität der Handelsbeziehung aufrecht“, erklärt Wilhelm. Ein weiterer spannender Punkt: Warenkreditversicherer sind in der Regel besser über die Gesamtsituation des Kunden informiert als jeder andere. „Wenn ich von der Versicherung also eine Limit-Kürzung für einen bestimmten Kunden bekomme, ist das ein Signal dafür, dass es diesem Kunden wirtschaftlich gerade nicht so gut geht“, sagt Wilhelm. Weltweit gibt es nur eine Handvoll Warenkreditversicherer, die eine relevante Größe erreicht haben – dazu gehören Euler Hermes, Atradius, Coface, R+V und Zurich. Diese verfügen über einen entsprechend großen Datenpool.

Cyberversicherung

Apropos Daten: Die Welt wird immer digitaler und damit wächst auch die Angriffsfläche der Unternehmen. Immer wieder kämpfen Betriebe mit Hackerangriffen oder Erpressern, die ihre Daten nur gegen eine horrende Summe wieder freigeben wollen. Die Cyberversicherung ist eine noch recht junge Police und soll Unternehmer gegen genau solche Vorfälle schützen. Dabei sollten nicht nur IT-Unternehmen aufmerksam werden: So gut wie jede Firma verfügt mittlerweile über sensible, digitale Daten, die es zu schützen gilt.

Rechtsschutzversicherung

Rechtsstreitigkeiten können schnell teuer werden. Um sich vor den Kosten zu schützen, können Unternehmen, genauso wie Privatpersonen, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Besonders bei großen Konzernen können diese Policen jedoch ganz schön teuer werden. Genau wie bei vielen anderen Versicherungsbausteinen müssen Unternehmer deshalb genau abwägen, wie hoch das Risiko ist – und in welchem Verhältnis es zu den Kosten steht.

Und was ist mit internationalen Aktivitäten?

„Beim Thema Ausland muss man unterscheiden, ob es Tochtergesellschaften eines deutschen Unternehmens sind, die teilweise in den Produkten mitversichert sind“, sagt Andreas Lindermeir. Wenn diese nicht bereits mitversichert sind, müssen Unternehmen prüfen, ob sie einen länderübergreifenden Vertrag oder eine lokale Deckung in dem jeweiligen Land benötigen. „Wenn ein Unternehmen nur Waren in ein anderes Land liefert, dort aber keine eigene Niederlassung hat, dann ist das meist in den bestehenden Produkten im Versicherungsschutz eingeschlossen“, sagt Lindermeir.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, abonnieren Sie unseren täglichen kostenlosen Newsletter für weitere relevante Meldungen aus der Versicherungs- und Finanzbranche!

Seite 1: „Die Verantwortung, die Manager hierzulande tragen, ist riesig."Seite 2: Für wen sich eine Betriebsunterbrechungsversicherung lohnt