procontra: Neben Ihrer inhaltlichen Spezialisierung konzentrieren Sie sich auch auf bestimmte Zielgruppen, etwa Freiberufler. Wie kamen Sie darauf?
Dietrich: Nicht ich kam darauf, es war der Berufsstand selbst. Die Klientel, anspruchsvoller als viele andere, schätzt es, wenn Einfühlungsvermögen mit fachlicher, juristischer und medizinischer Kompetenz kombiniert wird, sowohl beim Abschluss als auch im Leistungsfall.
procontra: Warum sind manche Freiberufler, wie Künstler, in der BU-Sparte schwer einzudecken?
Dietrich: Sie sind in der Regel sehr anfällig für Berufsunfähigkeit. Ist die Schöpfungskraft beeinträchtigt, so ist die Kerntätigkeit betroffen und die Leistung schnell über 50 Prozent gemindert. Das birgt für den Versicherer ein höheres Risiko als bei anderen Zielgruppen, was sehr oft zu Ablehnungen führt.
procontra: Die Probleme ziehen sich vermutlich bis zum Leistungsfall durch…
Dietrich: Ja. Vor kurzem begleitete ich eine Orchestermusikerin, die infolge einer nicht nachweisbaren Coronainfektion die Leistungsfähigkeit ihrer Lunge einbüßte. Als Spielerin eines Blasinstruments ein klarer BU-Fall. Wir konnten belegen, dass der fehlende Nachweis auf dem Umstand beruht, dass es Menschen gibt, deren Immunsystem trotz einer Infektion keine Antikörper bildet. Die Idee dazu kam mir beim Studium der Befunde und Laborwerte.
procontra: Was empfehlen Sie Freiberuflern noch an Absicherung?
Dietrich: Sie brauchen eine erstklassige Krankentagegeldversicherung (KTG), um den Verdienstausfall bei längerer Krankheit zu kompensieren. Die Angebote enthalten alle, Stand heute, das Risiko, dass bei einer zweiten Erkrankung innerhalb des Jahres das KTG gekürzt wird. Da hat sich die Branche bisher nicht mit Ruhm bekleckert.
procontra: Welche Versicherer sind denn beim KTG am ehesten zu empfehlen?
Dietrich: Nach AVB müsste kein einziger Anbieter bei einer zweiten Erkrankung innerhalb von 12 Monaten volles KTG bezahlen, ergab eine Premium-Circle-Studie. Die tatsächliche Leistungspraxis sähe aktuell bei 12 Gesellschaften besser aus, insbesondere Nürnberger und Debeka, allerdings ohne Gewähr für die Zukunft. Es wäre an der Zeit, die AVB so zu ändern, dass Leistungen nicht mehr zu kürzen sind. Würde ein Anbieter damit beginnen, müssten andere folgen.
procontra: Was raten Sie Kollegen, die das Thema Zielgruppen bisher vernachlässigt haben?
Dietrich: Je stärker man einen inhaltlichen Schwerpunkt bietet, desto mehr kann man darüber bekannt werden. Dazu gehört auch, Marketing-Angebote als solche zu entlarven. Immer wieder höre ich den Hinweis, dass man Ärzte in Arzttarifen versichern soll, obwohl es keine Unterschiede zu anderen Zielgruppen gibt. Oftmals sind solche Tarife sogar inhaltlich schlechter formuliert.