SPD-Wirtschaftsforum legt Reformideen für Riester offen

Die Riester-Rente wird von den Kunden immer seltener nachgefragt, eine Reform ist dringend gefordert. Nun legt das Wirtschaftsforum der SPD ein Positionspapier vor – mit den Vorschlägen dürften sich Union und Versicherungswirtschaft anfreunden können.

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09:07 Uhr | 20. Juli | 2020
Wirtschaftsforum der SPD

Das Wirtschaftsforum der SPD hat ein Positionspapier zur Reform der Riester-Rente vorgelegt. Bild: Adobe Stock/Tobias Arhelger

Der Bestand an Riester-Verträgen entwickelt sich seit einigen Jahren rückläufig: Allein im ersten Quartal dieses Jahres schrumpfte die Vertragszahl um 52.000 Verträge. Betrug deren Gesamtzahl 2017 noch 16,607 Millionen, sank sie in den ersten drei Monaten des Jahres auf 16,478 Millionen.  

Dass neben der gesetzlichen Rente die meisten Menschen auf eine zusätzliche Altersvorsorge angewiesen sind, ist mittlerweile Konsens und wurde unlängst auch von der Rentenkommission in ihrem Bericht bestätigt. Doch der Zustand der zusätzlichen Altersvorsorge ist unter anderem aus oben genanntem Grund „nicht zufriedenstellend“, stellte die Kommission klar.  

Eine Botschaft, die nun auch von GDV-Geschäftsführungsmitglied Jörg Asmussen in der Bild-Zeitung noch einmal unterstrichen wurde. „Was wir brauchen, ist eine Riester-Revolution“, stellte Asmussen klar, auch im Hinblick auf die Verhandlungen zwischen Politik, Verbraucherschützern und Versicherungswirtschaft, die seit März stattfinden.  

Neuer Name gefordert

Gegenüber der „Bild“ verdeutlichte Asmussen die Forderungen seitens der Versicherer. Neben einer Erhöhung der staatlichen Förderung (jeder gezahlte Euro soll mit mindestens 50 Cent vom Staat gefördert werden) plädiert Asmussen auch für eine Vereinfachung des Zulagensystems. In Zukunft soll vorab ermittelt werden, ob jemandem staatliche Zulagen zustehen – eine Überweisung erst danach erfolgen. „Das würde die rund 800.000 Zulagenrückforderungen pro Jahr um 90 Prozent reduzieren, die derzeit die Sparer frustrieren“, gibt sich Asmussen überzeugt.  

Notwendig sei darüber hinaus eine Umbenennung der Riester-Produkte – die Marke habe „ihren Glanz verloren“, erklärte Asmussen. Auch hier sei die Politik aufgefordert, einen neuen Namen zu entwickeln, der die Sparer neugierig machen solle.  

Was die Verhandlungen über die Riester-Reform bislang erbracht haben, ist unbekannt – die Beteiligten haben Stillschweigen über den Stand der Dinge vereinbart. Allerdings gibt es Anzeichen, welche Änderungen sich die Große Koalition vorstellen könnte. Nachdem bereits die Union eine Reform-Wunschliste präsentiert hatte, legen nun die Sozialdemokraten nach.  

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Unter dem Titel „Bezahlbar, flexibel, verständlich: Vorschläge zur Reform der kapitalgedeckten Altersvorsorge“ legte nun das Wirtschaftsforum der SPD seine Vorschläge vor. Konkret geht es um die Frage, wie man zu einer höheren Verbreitung kapitalgedeckter Vorsorgeprodukte in Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen beitragen könne.  

Diese sei von entscheidender Bedeutung, halten die Autoren grundlegend fest: „Für viele Bürger*innen in der deutschen Mittelschicht ist die Altersvorsorge das wichtigste Sparziel. Die Verbreitung der kapitalgedeckten Vorsorge ist deshalb entscheidend für die Teilhabe an den Gewinnen der Realwirtschaft und den Chancen der Finanzmärkte.“ Damit die kapitalgedeckte Altersvorsorge von den Kunden auch angenommen werde, müsse sie drei wesentliche Kriterien erfüllen:  

1.)   Auf bezahlbare Art und Weise Sicherheit und Chancen bieten: Um die Chancen von Anlegern zu verbessern, brauche es eine Flexibilisierung von Garantien. „Verpflichtende einhundertprozentige Garantien sind daher nicht mehr zeitgemäß, weil sie das Renditepotenzial der Produkte zum Nachteil der Sparer*innen schmälern“, schreiben die Autoren. Stattdessen gehe es darum, Altersvorsorgeprodukte individuell auf die Renditeerwartungen und Risikobereitschaft der Anleger anzupassen. Diese Forderung ist auch bereits von Seiten der Union sowie der Versicherungswirtschaft vernommen worden.

2.)   Flexibel sein im Blick auf Erwerbsbiografien: Da viele Erwerbsbiografien aufgrund befristeter Arbeitsverträge, Auslandsaufenthalten und Zeiten der Selbstständigkeit alles andere als linear verlaufen, sollten sich „Altersvorsorgeprodukte flexibel an veränderte Lebens- und Arbeitsverhältnisse anpassen lassen“. Dieser Punkt sei insbesondere für die Altersvorsorge von Frauen von Bedeutung, da diese häufiger in Teilzeit arbeiteten als Männer und somit stärker von Altersarmut bedroht seien. „Die Verbreitung von freiwilliger kapitalgedeckter Altersvorsorge bei Frauen ist daher gezielt zu erhöhen“, erklären die Autoren.

3.)   Den Bürger*innen verständlich und kostentransparent sein: Die Autoren fordern die Schaffung einfacher Standardprodukte, für die der Staat möglichst transparente und leicht verständliche Anforderungen festlegen soll. „Durch Standardisierung können beratungsintensive und komplizierte Wahlentscheidungen entfallen.“ Organisiert werden sollen diese Produkte jedoch nicht vom Staat, sondern von den Versicherern.

Erhöhung der staatlichen Zulagen

Generell plädiert das SPD-Wirtschaftsforum für eine Nachjustierung des bestehenden Systems. „Eine Nachbesserung ist einem komplett neuen System vorzuziehen, um Vertrauen der Bürger*innen in die langfristige Zuverlässigkeit geförderter Altersvorsorge zu stärken.“ Zum Nachbesserungsbedarf gehöre auch die Vereinfachung des Fördersystems, beispielsweise durch Einführung eines automatisierten Zulageverfahrens mit Meldung durch die Produktanbieter und den automatischen Datenabgleich zwischen allen relevanten staatlichen Stellen. Auch der Kreis der Zulageberechtigten solle aus Sicht des Wirtschaftsforums auf alle unbegrenzt Steuerpflichtigen erhöht werden. Hierdurch wäre es für die Menschen auch besser möglich, ihre Altersvorsorge selbst bei gebrochenen Erwerbsbiografien fortzuführen.  

Darüber hinaus plädiert das Wirtschaftsforum für eine Erhöhung der staatlichen Zulagen. Diese würden zielgerichteter die kapitalgedeckte Altersvorsorge stärken als es über den Sonderausgabenabzug in der Einkommensteuerveranlagung möglich sei. „So kommen Steuermittel tatsächlich der Altersvorsorge und nicht dem laufenden Konsum zu Gute“, heißt es im Positionspapier.  

Ob sich das Wirtschaftsforum innerhalb der Partei mit seinen Ansichten allerdings durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. In der jüngeren Vergangenheit waren aus der Partei durchaus widersprüchliche Aussagen getätigt worden, die in erster Linie auf eine Stärkung der gesetzlichen Rente abzielten. Zuletzt hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass sich die Sozialdemokraten beim Thema Riester gesprächsbereit gegenüber der Union zeigen wollten. Grund sei die Zustimmung der Union zur Grundrente gewesen. Verhandelt werden solle im Herbst.

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