Provisionsverbot: Vorsichtige Anzeichen für Kompromissbereitschaft

Auf dem Hauptstadtgipfel des Vermittlerverbands AfW ging es in diesem Jahr um mögliche politische Eingriffe ins Vermittlergeschäft in der nächsten Legislaturperiode. Auch wenn die Meinungen der anwesenden Politiker weit auseinandergingen, scheinen Kompromisse zumindest möglich.

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14:11 Uhr | 23. November | 2021
Provisionsverbot: Vorsichtige Anzeichen für Kompromissbereitschaft Bild: AfW

Die AfW-Vorstände Norman Wirth, Frank Rottenbacher und Matthias Wiegel (von links) begrüßten unter anderem den FDP-Politiker Florian Toncar auf ihrem Hauptstadtgipfel. Bild: AfW

Groß war die Aufregung, als in den vergangenen Tagen ein Positionspapier der Arbeitsgruppe „Finanzen und Haushalt“ aus den Koalitionsverhandlungen der Ampel-Parteien öffentlich wurde. In diesem artikulierten die Grünen ihre Absicht, die Provisionsberatung abzuschaffen, wie folgt: „Wir werden die provisionsbasierte Beratung von Kleinanlegern schrittweise vollständig durch unabhängige Honorarberatung ersetzen und setzen uns auch im EU-Finanzmarktrecht für ein Ende der Provisionsberatung ein.“  

Beschlossene Sache ist das Ende der Provisionsberatung keinesfalls. Das an die Öffentlichkeit gelangte Positionspapier stellt lediglich eine Momentaufnahme der noch immer laufenden Koalitionsverhandlungen dar – der aktuelle Verhandlungsstand ist unbekannt. 

Unterschiedliche Positionen

Nur wenig dringt nach außen aus den Gesprächen zwischen FDP, Grünen und SPD. Unter Vermittlern sind die Befürchtungen aber groß, dass die kommende Legislaturperiode weitere regulatorische Einschnitte für ihre Arbeit bereithält. Was ist an politischen Initiativen zu erwarten? Mit dieser Frage beschäftigte sich auch der 18. Hauptstadtgipfel des Vermittlerverbands AfW, der in der vergangenen Woche in Berlin stattfand.  

Auch wenn Interna aus den Koalitionsverhandlungen nicht preisgegeben wurden, illustrierten die Redebeiträge der anwesenden Fachpolitiker nicht nur die bestehenden Gräben zwischen den möglichen Koalitionspartnern. Sie gaben auch Aufschluss darüber, dass von Teilen einer möglichen Ampel-Koalition weitere Eingriffe in die Finanzbrache als notwendig erachtet werden.  

So sprach sich Stefan Schmidt, in der grünen Bundestagsfraktion verantwortlich für den finanziellen Verbraucherschutz, dafür aus, die Aufsicht über die rund 38.000 Finanzanlagenvermittler künftig an die BaFin zu übertragen. Ein Aufsichtswechsel war bereits in der Großen Koalition angestrebt worden, letztlich aber an einer Blockade der Union gescheitert.  

„Wir möchten diese Frage weiter aufbohren, wir sehen Interessenskonflikte, wenn die Aufsicht gleichzeitig auch die Interessenvertretung der Vermittler darstellt“, erklärte Schmidt laut einer AfW-Pressemitteilung. Zugleich bemerkte Schmidt jedoch, dass durch einen Aufsichtswechsel keine zusätzlichen Kosten auf die Vermittler zukommen dürften.  

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Eine gewisse Kompromissbereitschaft war laut AfW auch beim Thema Vergütung festzustellen. „Das Mindeste wäre, einen echten Wettbewerb der Vergütungssysteme herzustellen“, erklärte Schmidt. Dass dieser derzeit nicht gegeben sei, machte der Grünen-Politiker an der geringen Zahl von Honorarberatern im Verhältnis zu auf Provision beratenden Vermittlern (1:158) fest.  

Zudem sprach sich Schmidt für die Beseitigung bestehender Wettbewerbsverzerrungen aus. Beispiel: Die Umsatzsteuerpflicht für Honorare. Zugleich müssten aber auch bestehende Schwachstellen von Honorarordnungen beseitigt werden – beziehungsweise erst einmal eine Honorarordnung erstellt werden. Eine solche gibt es für Honorarberater nämlich nicht. Im Gespräch mit procontra hatte Schmidt sich im Sommer für die Schaffung einer solchen ausgesprochen.  

Keinen Grund für ein Verbot der Provisionsberatung sieht hingegen die FDP, die durch ihren parlamentarischen Geschäftsführer Florian Toncar vertreten war. „Kein Vergütungsmodell ist per se besser als das andere. Der Kunde darf nicht bevormundet werden. Der Zugang zu Beratung muss auch weiterhin für alle Bevölkerungsschichten erhalten bleiben“, erklärte Toncar, der in der Arbeitsgruppe „Finanzen und Haushalt“ an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hatte.  

Verweis auf "Advice Gap"

Damit spielte Toncar auf den in Großbritannien bestehenden „Advice Gap“ an. Seit 2013 besteht im Vereinigten Königreich ein Provisionsverbot – Finanzberatung erfolgt seitdem nur noch über Honorare. Doch viele Menschen – insbesondere diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen – konnten sich daraufhin keine Beratung mehr leisten, wie Berichte der britischen Aufsichtsbehörde FCA illustrieren. Eine jüngst im Auftrag des Fondsverbands BVI erstellte KMPG-Studie kam zu dem Schluss, dass auch in Deutschland mit ähnlichen Folgen zu rechnen sei.  

 „Zwar hätten wir gern schon mehr Details aus den Koalitionsverhandlungen zu den die Branche bewegenden Themen erfahren“, kommentierte AfW-Vorstand Norman Wirth auf procontra-Nachfrage die gewonnenen Erkenntnisse der Versammlung, bemerkte aber auch: „Andererseits ist es natürlich beachtlich und Zeichen auch eines vielleicht neuen Politikstils, dass eben gerade nicht öffentlich taktiert wird. Uns war wichtig, der FDP nochmals sehr den Rücken zu stärken. Zudem aber auch in Richtung Grüne offene und undogmatische Gesprächsbereitschaft zu zeigen – was auch entsprechend goutiert und erwidert wurde.“  

Auf konkrete Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen werden Vermittler jedoch wahrscheinlich nicht mehr allzu lange warten müssen. Laut den Plänen der Ampel-Parteien soll ein möglicher Koalitionsvertrag noch in dieser Woche vorgelegt werden – schließlich steht das Ziel, SPD-Mann Olaf Scholz in der Nikolauswoche zum Kanzler zu wählen.

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