Dem LVRG-Evaluierungsbericht vom Bundesministerium der Finanzen (BMF), in dem keine konkreten Missstände zu Lebensversicherungsprovisionen enthalten waren, ist nun nach langer Verzögerung letzten Mittwoch doch noch ein Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Deckelung der Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen und Restschuldversicherungen“ gefolgt (procontra berichtete).
Damit dürfte die Diskussion pro und contra Vergütungsdeckel in der Lebensversicherung (gemeint sind Versicherungsanlageprodukte) aber erst richtig angeheizt werden. Es erfolgt als Nächstes die sogenannte Ressortabstimmung dazu, also die anderen involvierten Ministerien (Wirtschaft, Verbraucher/Justiz) werden sich noch einbringen. Erst dann erfolgt voraussichtlich eine Verbändeanhörung, bevor der Bundestag einen Gesetzesentwurf auf den Tisch bekommt und beraten wird.
Entwurf verlangt Begründung bei über 2,5 Prozent Provision
Der Entwurf hat es aber in sich: Zunächst ist darin der bisherige BaFin-Vorschlag zu finden, der für Provisionen künftig einen Korridor zwischen 2,5 und 4,0 Prozent der Bruttobeitragssumme vorschlägt. Die Bruttobeitragssumme soll der Summe aller Beiträge für maximal 35 Jahre entsprechen (neue Paragrafen 50a und 50b VAG). Den Versicherern würde die Überwachung auferlegt.
Die Obergrenze wäre nur zulässig bei Vorliegen „positiver qualitativer Merkmale“ des Vermittlers. Im Gesetzentwurf sind diese Merkmale zwar näher genannt, aber sehr schwammig formuliert: geringe Stornoquote, geringe Anzahl von Kundenbeschwerden, hochwertige und umfassende Beratung.
Risikoversicherungen nicht erfasst, aber mit evaluiert?
Soweit ratierliche Vergütungen vereinbart werden, soll eine Abzinsung auf den Marktzins gemäß Rückstellungsabzinsungsverordnung erfolgen. Für Dynamikerhöhungen dürfe keine höhere Abschlussvergütung als für den Grundvertrag erfolgen. Auch für Restschuldversicherungen ist ein Deckel von 2,5 Prozent der abgesicherten Kreditsumme geplant (Paragraf 50b VAG neu).
Risikoversicherungen sollen vom Deckel nicht umfasst sein. Allerdings ist von Versicherern zu hören, dass die im Evaluierungsbericht genannte erreichte Provisionssenkung von durchschnittlich 7,21 Prozent bei Maklern und 2,89 Prozent bei Vertretern in Wahrheit viel höher ausgefallen sein könnte. Sollten nämlich in diese Durchschnittswerte auch die Provisionen aus Risikoversicherungen und dem niedrig vergüteten Kollektivgeschäft eingeflossen sein, wäre die Senkung bei reinen Versicherungsanlageprodukten im Individualgeschäft viel höher als angegeben – bei Maklern wohl über 10,0 Prozent.
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Die Gesetzesbegründung für den Deckel unterstellt aber weiterhin: Zu hohe Abschlusskosten müssen gesenkt werden. Sie seien laut Evaluierungsbericht „nur um etwa 5,0 Prozent gesunken“ - hier werden Ergebnisse von Maklern und gebundenen Vermittlern in einen Topf geworfen. Zudem soll eventuell vorhandenen Fehlanreizen sowie exzessiv hohen Abschlussprovisionen und Vergütungen entgegengewirkt werden. „Das kann nicht mit einer reinen Missstandsaufsicht durch die BaFin auf der Grundlage bisheriger Regelungen erreicht werden“, heißt es wörtlich in der Gesetzesbegründung.
Der Entwurf sei verfassungsgemäß, meint das BMF im Referentenentwurf, weil zur „Deckelung kein starrer Provisionsdeckel“ eingeführt werden soll, sondern die Versicherer in die Pflicht genommen werden, dies auf Basis bestimmter Kriterien unterschiedlich hoch festzulegen. Sie müssten künftig nachweisen – auch gegenüber der BaFin - warum im Einzelfall mehr als 2,5 Prozent Abschlussprovision gezahlt werden.
Unterm Strich sehen sich die meisten Vermittlerverbände, aber auch der GDV, dessen Mitgliedern der schwarze Peter der Provisionskontrolle zugeschoben werden soll, in ihrer Kritik bestätigt. „Der Entwurf des Finanzministeriums für ein Gesetz zur Einkommensreduzierung einer ganzen Berufsgruppe zeigt eines ganz klar: die Bereitschaft der Verfasser, sehenden Auges den gewählten Bundestagsabgeordneten ein verfassungswidriges Gesetz zur Abstimmung zu übergeben“, sagt Norman Wirth, Geschäftsführer des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung.
AfW: Gesetz wird wegen Verfassungswidrigkeit scheitern
Verfassungsrechtler Hans-Jürgen Papier hatte schwerste verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Provisionsdeckel schon im Vorfeld des Referentenentwurfs in einem Gutachten geäußert. Ergebnis: Ein Provisionsdeckel im Bereich der Lebensversicherung wäre sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich unzulässig (procontra berichtete).
„Diese Bedenken wurden nun weder ausgeräumt noch ansatzweise aufgegriffen oder auszuräumen versucht“, kritisiert Wirth. „Ich bin mir sicher: Der Gesetzentwurf wird wegen offenkundiger Verfassungswidrigkeit nicht im Bundestag zur Abstimmung kommen“, lehnt sich der AfW-Chef weit aus dem Fenster.
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