Krankenkassen warnen vor Insolvenz

Mit dem Finanzstabilisierungsgesetz soll das Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenkassen geschlossen werden. Nun warnen mehrere GKV-Vorstände: Die Absenkung der Finanzreserven könnte einzelne Kassen in die Insolvenz führen.

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12:08 Uhr | 15. August | 2022
Lauterbach Bild: Omer Messinger

Das Finanzstabilisierungsgesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach schlägt hohe Wellen: Einige Kassen warnen vor einer Insolvenz. Bild: Omer Messinger

Ende Juli passierte Karl Lauterbachs Entwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz das Bundeskabinett: Demnach sollen künftig 16,2 Prozent des Bruttolohns für die gesetzliche Krankenversicherung abgeführt werden, der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt um 0,3 Prozentpunkte. Wegen des milliardenschweren Defizits bei den Krankenkassen sei der extreme Anstieg der Zusatzbeiträge nötig, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die Pläne riefen bereits etliche Kritiker auf den Plan. Nun warnen die Krankenkassen vor einer Umsetzung des Gesetzes: Wie die dpa berichtet, gehen sowohl die AOK Bayern wie die DAK davon aus, dass dadurch einzelnen Krankenkassen die Insolvenz droht.    

„Wir fahren alle auf dem Reservetank"

Laut dem Finanzstabilisierungsgesetz sollen die Rücklagen der gesetzlichen Kassen auf 0,2 Monatsausgaben heruntergefahren werden. Eine solche Rücklage sei jedoch zu gering, um unerwartete Belastungen abzufedern, teilte die Vorstandschefin der AOK Bayern, Irmgard Stippler, der Deutschen Presse-Agentur mit. „Wir fahren dann alle auf dem Reservetank, und es gibt darüber hinaus kein Vermögen, das Risiken abpuffert“, sagte sie. Um stabil wirtschaften zu können, sei eine Reserve von mindestens 0,8 Monatsausgaben nötig.

Die Konsequenz: Wenn einzelne Kassen keine nennenswerten Rücklagen mehr besitzen, drohe die Zahlungsunfähigkeit. Dann könnten die Kassen beispielsweise in Zahlungsverzug bei der Begleichung von Klinikrechnungen geraten. „Dann können Situationen eintreten, wo die Versorgungssicherheit sehr schnell in Frage gestellt ist“, fügte Stippler hinzu. Mit 4,5 Millionen Versicherten ist die AOK Bayern die größte Einzel-Kasse im AOK-Verbund.

Um die Finanzprobleme der Kassen zu lindern, gebe es daher bessere Wege. So schlägt Stippler beispielsweise eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel vor. Außerdem müsse der Bund die vollen Kosten für die Versorgung von Hartz-IV-Beziehern aus Steuermitteln bezahlen.

Auch DAK-Vorstandschef Andreas Storm prognostiziert die Gefahr einer finanziellen Schieflage bei den gesetzlichen Kassen. Es sei zu befürchten, „dass eine Vielzahl von Krankenkassen finanziell unter existenziellen Druck geraten“. Seiner Ansicht nach kalkuliere die Regierung aktuell nicht ein, „dass die Auswirkungen der hohen Inflation auch auf das Gesundheitswesen durchschlagen werden“. Er hält ebenfalls eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und höhere Erstattungen für Hartz-IV-Bezieher für geeignete Gegenmaßnahmen.

Gesetz sorgt nur für eine finanzielle Atempause

Das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen summiert sich aktuell auf rund 17 Milliarden Euro. Mit den höheren Zusatzbeiträgen sollen bis zu fünf Milliarden Euro zusätzlich eingenommen werden. Auch sieht das geplante Finanzstabilisierungsgesetz vor, dass die pharmazeutische Industrie einen Solidaritätszuschlag von einer Milliarde Euro bezahlt.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kritisierte das Reformpaket aus dem Gesundheitsministerium ebenfalls. „Die vorgelegten Eckpunkte verschaffen der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt allenfalls eine finanzielle Atempause“, sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer der AFP.