IDD: Das sind die Schwächen der deutschen Umsetzung

Auf der virtuellen Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten nahm Experte Matthias Beenken die deutschen Regulierungsmaßnahmen für den Versicherungsvertrieb auseinander und bewertete den jeweiligen Status quo – sein Urteil fällt gemischt aus.

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11:08 Uhr | 26. August | 2020
Gemischtes Urteil zur deutschen Umsetzung der IDD-Richtlinien

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das gilt auch für die deutsche Umsetzung der IDD-Richtlinien. Bild: Adobe Stock/Julija

„Es gibt einige Schwächen, vor allem was die Praktikabilität betrifft“, fasst Versicherungsexperte Matthias Beenken die Umsetzung der europaweiten Regulierung des Versicherungsvertriebs IDD zusammen. Als Auftakt einer dreiteiligen Videoveranstaltung des Bunds der Versicherten (BdV) war der Dortmunder Professor am Dienstag erster Gast der virtuellen Wissenschaftstagung.

Unter dem Titel „Regulierung des Versicherungsvertriebs – in Europa gut gedacht, in Deutschland gut gemacht?“ nahm Beenken die verschiedenen Effekte der IDD-Richtlinie hierzulande unter die Lupe und beurteilte deren Praxisnähe und Umsetzbarkeit.

1. Aus- und Weiterbildung: „Hier herrscht viel Unklarheit“

Für viel Kopfzerbrechen sorgt vor allem die „alten Hasen“ im Versicherungsvertrieb. Artikel 10 der IDD verlangt nach „angemessenen Kenntnissen und Fertigkeiten zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben“ und Kontrollmechanismen zur „ständigen beruflichen Schulung und Weiterbildung“. Aber wer gehört nun konkret zum Kreis derjenigen, die sich regelmäßig weiterbilden müssen? Hier fehlt nach Einschätzung Beenkens in Deutschland eine klare Antwort. Dass bei erlaubnispflichtigen Vermittlern die „Fiktion ewiger Sachkunde“ besteht, sieht der Experte kritisch. „Ich selbst habe meine Versicherungskaufmannsprüfung 1989 abgelegt – ohne Weiterbildung fände ich es nach so langer Zeit unangemessen, Beratung anzubieten.“ Unklar sei zudem, wie die Inhalte der Weiterbildung auszusehen haben. Hier verweist die deutsche Regelung auf Anlage 1 VersVermV. Das allein reicht nach Ansicht Beenkens allerdings nicht aus: „Der Weiterbildungsbedarf geht deutlich darüber hinaus und sollte auch die Themen Firmenversicherungen, Rückversicherung, die Führung von Mitarbeitern sowie die Organisation eines Vermittlungsbetriebs beinhalten.“

Besonders unglücklich – weil intransparent – wird laut Beenken das Thema Schadenregulierung in der deutschen Umsetzung behandelt. Nach Artikel 2, Absatz 2 der Verordnung ist diese nämlich als Tätigkeitsgebiet komplett ausgeschlossen. „Meine Gegenthese: In der IDD bezieht sich der Ausschluss nur auf professionelle Schadenregulierung, der Wortlaut der Richtlinie wurde fehlerhaft ins Deutsche übersetzt“. So sollte es nach Ansicht des Experten Vermittlern nicht pauschal untersagt sein, Prozesse nach Eintritt eines Versicherungsschadens zu übernehmen. „Die Dienstleistung des Vermittlers endet nicht mit Erklärung des Bedarfs und der Beratung zum Produkt – insbesondere im Schadensfall ist es für den Kunden wichtig, in ihm einen Ansprechpartner zu haben.“

2. Vergütungssysteme: „Vermittler werden überfordert“

Auch in Sachen Boni und Anreizsysteme hat die IDD eine neue Sprachregelung veranlasst. So darf das Vergütungssystem – eigentliche eine Selbstverständlichkeit – nicht mit dem bestmöglichen Kundeninteresse kollidieren. Der Vermittler ist also verpflichtet, seinen Kunden Produkte anzubieten, die dessen Bedürfnissen am besten entsprechen. Eine zusätzliche Delegierte Verordnung der EU-Kommission gibt zudem sechs konkrete Bewertungskriterien vor, anhand derer das Handeln im besten Kundensinne sichergestellt werden soll. Diesen Katalog lobt Beenken als „sehr praxisnah und nachvollziehbar“. Zu den darin enthaltenen Kriterien gehören unter anderem die Förderung bestimmter Produkte, Prämienauszahlung vor Vertragsbeginn, Stornohaftung, und das Verhältnis zwischen Vergütung und Prämie.

Die europäische Regulierung ist hier also bereits sehr detailreich, hinzu kommen in der deutschen Umsetzung weitere Spezifika. Grundsätzlich sei diese zwar sachgerecht, aber: „Ich habe persönlich häufig erlebt, dass die Verordnung außerhalb der Compliance-Abteilungen von Versicherungen kaum bekannt ist.“ Die Vielfalt unterschiedlicher Normen, die zu beachten sind, führt daher seiner Beobachtung nach oft dazu, dass Berater und Unternehmen sich überhaupt nicht mit der komplizierten Regelung befassen und sie in ihrer täglichen Arbeit ignorieren. „Mit dem Mehr an Regeln geht durch die Überforderung oft ein Weniger in der Umsetzung einher. Es wäre besser gewesen, hier einfachere und zentrale Lösungen zu suchen.“

Hinzu kommt das heikle Thema Provisionsdeckel, das in Deutschland schon seit Langem schwelt. Den im vergangenen Jahr von der Bunderegierung dazu ausgearbeiteten Gesetzentwurf sieht Beenken kritisch: „Der Grundansatz geht an den tatsächlichen Problemen vorbei. Denn die Höhe der Provision ist nicht entscheidungsrelevant für den Kunden, dieser interessiert sich vielmehr für die Gesamtkosten des Vertrags.“

Und die resultieren eben nicht nur aus der Provision, sondern hängen von weiteren Kostenbelastungen wie beispielsweise Werbung und, Verbandszugehörigkeit und Software ab. „Die BaFin sollte näher untersuchen, welche Faktoren die Kosten für den Kunden in die Höhe treiben. Ein Provisionsdeckel birgt die Gefahr, die Motivation des Vermittlers und damit Beratungsqualität zu senken.“ Zudem habe der Berater heute aufgrund der erweiterten Informationspflichten mehr Arbeit als früher und verdiene damit auch eine höhere Entlohnung. Generell ist der Job aus Sicht des Professors härter geworden: „Wer mit Menschen heute beispielsweise über ihre Altersvorsorge sprechen will, bekommt sicher keinen roten Teppich mehr ausgerollt.“

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3. Informationspflichten: „Schlupfloch für Online-Anbieter"

Zum Thema Information gibt es immerhin beinahe34f-Aufsichtswechsel widmete sich Beenken. "Die Abstimmung zwischen den IHKen und der BaFin läuft nicht immer optimal", so die zaghafte Kritik am Status quo der unter den Behörden aufgeteilten Aufsicht über Finanzanlagevermittler. Dennoch steht Beenken, der dem von den zuständigen Ausschüssen jüngste Versagen der Behörde.

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